Big Ideas. Das Ökologie-Buch. John Farndon

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Big Ideas. Das Ökologie-Buch - John  Farndon

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treffen im wahren Leben selten zu. Einige Räuber haben sich auf eine einzige Beuteart spezialisiert, doch andere Faktoren im Ökosystem beeinflussen ihre Population ebenfalls.

       Andere Anwendungen

      Die Lotka-Volterra-Gleichungen dienten auch der Erforschung der Dynamik von Nahrungsketten und Nahrungsnetzen, bei denen eine Art der Räuber einer anderen Art, gleichzeitig aber die Beute einer dritten Art ist. Auch das Verhältnis zwischen Parasiten und Wirtsorganismen ähnelt in mancher Hinsicht Räuber-Beute-Beziehungen. Parasiten spezialisieren sich oft auf eine Wirtsart, was einer Annahme der Lotka-Volterra-Gleichungen entspricht. Doch in der Praxis bringen evolutionäre Vorgänge das Modell ins Wanken. Ein Parasit tötet den Wirt gewöhnlich nicht (die, die es tun, nennt man Parasitoide oder Raubparasiten), kann aber seine »evolutionäre Fitness« beschädigen. Die Rote-Königin-Hypothese der Evolution, die in den 1970er-Jahren von Leigh Van Valen aufgebracht wurde, beschreibt, wie einige Individuen der Wirtspopulation dank günstiger Gene trotz der Belastung durch Parasiten ihre Fitness behalten. Die Parasiten entwickeln sich ständig weiter, um diese scheinbar immunen Individuen auszunutzen, sodass die günstigen Gene in der Wirtspopulation sich ebenfalls verändern. So läuft die Evolution, der Wettbewerb zwischen Parasit und Wirt, ständig ab, obwohl von außen scheinbar alles gleich bleibt. image

      »Volterra interessierte sich für eine mathematische Theorie für das ›Überleben des Bestangepassten‹.«

      Alexander Weinstein Russischer Mathematiker Vito Volterra: Opere mathematiche, in: Bull. Am. Math. Soc., 1964

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      Eine parasitische Wespe legt Eier in Blattläuse (die kleinen, gelben Insekten). Wespenarten mit diesem Verhalten gelten als Parasitoide, weil ihre Larven später die Blattläuse fressen.

       Vito Volterra

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      Der 1860 in Ancona (Italien) als Sohn eines jüdischen Stoffhändlers geborene Vito Volterra wuchs in Armut auf. Dennoch erlangte er 1883 im Alter von nur 23 Jahren eine Professur für Mechanik an der Universität Pisa und begann eine Karriere als Mathematiker. Weitere Professuren in Turin und Rom folgten. Im Jahr 1900 heiratete Volterra; er hatte sechs Kinder, doch nur vier lebten bis ins Erwachsenenalter. 1905 wurde er zum Senator des Königreichs Italien ernannt und im Ersten Weltkrieg arbeitete er an der Entwicklung militärischer Luftschiffe. Volterra weigerte sich, dem faschistischen Diktator Benito Mussolini die Treue zu schwören, und wurde von der Universität Rom entlassen. Er musste im Ausland arbeiten und kehrte nur für kurze Zeit vor seinem Tod 1940 nach Italien zurück.

       Hauptwerke

      1926 Fluctuations in the Abundance of a Species Considered Mathematically, in: Nature

      1935 Les associations biologiques au point de vue mathématique

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      EXISTENZ WIRD VON EINIGEN WENIGEN UMSTÄNDEN BESTIMMT

      ÖKOLOGISCHE NISCHEN

       IM KONTEXT

      SCHLÜSSELFIGUR

      Joseph Grinnell (1877–1939)

      FRÜHER

      1910 In einem Artikel über Käfer verwendet der US-Biologe Roswell Hill Johnson erstmals das Wort niche (Nische) in einem biologischen Kontext.

      SPÄTER

      1927 Der Brite Charles Elton hebt in seiner Definition der ökologischen Nische im Buch Animal Ecology die Bedeutung der Rolle eines Organismus in seinem Lebensraum hervor.

      1957 In dem Fachartikel Concluding Remarks erweitert der Brite George Evelyn Hutchinson die Theorie der ökologischen Nischen auf die gesamte Umwelt eines Organismus.

      1968 Der Australier David R. Klein analysiert die Einführung, die Vermehrung und das Aussterben von Rentieren auf St. Matthew Island (Alaska) als ein Beispiel für Nischenzerstörung.

      Die Nische eines Lebewesens umfasst sowohl seinen Lebensraum als auch seine Rolle in dieser Umwelt. Dazu gehört, wie es Nahrung und Unterschlupf findet, aber auch, wie es Fressfeinde vermeidet, mit anderen Arten konkurriert und sich fortpflanzt. Alle Wechselwirkungen mit anderen Organismen und der unbelebten Umwelt zählen ebenfalls dazu. Eine eigene Nische ist von Vorteil, weil sich dadurch die Konkurrenz mit anderen Arten verringert. Das Wissen über die Nische eines Lebewesens hilft Ökologen, auf sinnvolle Weise einzugreifen, um Veränderungen wie der Vernichtung von Lebensräumen oder dem Klimawandel entgegenzuwirken.

      Ein Pionier des Nischenkonzepts war der US-amerikanische Biologe Joseph Grinnell. Er studierte die Kalifornienspottdrossel und veröffentlichte seine Ergebnisse im Jahr 1917. Dieser Vogel frisst und brütet im Gestrüpp des Chaparrals, einer kalifornischen Buschlandvegetation, und entkommt Räubern, indem er durch das Unterholz läuft. Seine Tarnung, die kurzen Flügel und starken Beine sind perfekt für diesen Lebensraum. Grinnell sah den Chaparral als die »Nische« der Spottdrossel. Das Konzept berücksichtigte auch »ökologische Äquivalenz«, nach der sich kaum verwandte und weit entfernt lebende Tier- und Pflanzenarten ähnlich anpassen, etwa bei Nahrungsgewohnheiten, wenn sie ähnliche Nischen belegen. So ernähren sich die Australsäbler in Australien ähnlich wie die nicht mit ihnen verwandten Kalifornienspottdrosseln. Grinnell identifizierte auch »leere« Nischen, die Lebewesen potenziell besetzen könnten, doch sie tun es nicht.

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       Erweitertes Nischenkonzept

      In den 1920er-Jahren dachte der britische Ökologe Charles Elton über eine einfache Habitatdefinition der Nische hinaus. Was ein Tier frisst und wodurch sein Leben bedroht wird, waren für ihn die Hauptfaktoren. 30 Jahre später erweiterte George Evelyn Hutchinson das Konzept. Für ihn umfasste der Begriff Nische alle Wechselwirkungen eines Lebewesens mit anderen und mit der unbelebten Umwelt, etwa der Geologie, der Boden- und Wasserchemie, den Nährstoffströmen und dem Klima. Nach Hutchinson erforschten andere die Vielfalt der von einem Lebewesen genutzten Ressourcen (Nischenbreite), die Wege, wie konkurrierende Arten koexistieren (ökologische Sonderung oder Nischensonderung), und die Nutzung der gleichen Ressourcen durch mehrere Arten (Nischenüberlappung).

      »[Eine Nische] ist ein hochabstrakter mehrdimensionaler Hyperraum. «

       George Evelyn Hutchinson

       Der Lebensraum

      Ökologische Nischen beruhen auf stabilen Habitaten, selbst kleine Änderungen können sie zerstören. So entwickeln sich Libellenlarven nur in Wasser,

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