Vom Müller-Hannes. Clara Viebig
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Der Zufall wollte es, daß das Häuschen des Landscheid zu Maarfelden leer wurde. Der Alte hatte schon lange an der Gicht gelegen und verstarb, als die Märzstürme übers Maar sausten. Nun wollte die Seph das Erbe, das einzige, was sie hatte, gern zu Gelde machen, um mit den Geschwistern auswärts sich auseinanderzusetzen. So war sie eines Tages selber auf die Mühle gekommen und hatte gefragt: wenn es denn wahr sei, was sie reden gehört, daß der Sohn zum Mai heirate und der Müller eine andere »Gelegenheit« suche, ob er dann nicht ihr Anwesen kaufen wolle? Groß sei das freilich nicht, denn Reichtum sei nicht bei ihnen zu Hause gewesen.
Sie hatte das letztere mit einem bitteren Auflachen, recht unnötigerweise, zugesetzt – wie es bei Landscheids stand, wußte doch jeder im Dorf – und ihre schwarzen Augen waren dabei wild in der Stube umhergefahren mit einem suchenden Blick. Aber der Hannes ließ sich nicht finden. Und als sie nachher draußen vor der Tür stand und zögerte, ob sie ihn nicht vielleicht über den Hof schreiten oder beim Säckeladen hantieren sähe, war auch kein Hannes da. Mit gesenktem Kopf war sie von dannen gegangen, ihre hohe Gestalt schien um einen Fuß kleiner. Dort, wo der Mühlenweg zum Maar einwendet, beim Steinkreuz, war sie stehengeblieben und hatte starren Auges in die dunkle Flut gestiert.
Der scharfe Wind des kommenden Frühlings zerrte ihr am Haar, daß einzelne Strähnen sich lösten und ihr ums Gesicht schlugen.Und sie dachte daran, wie sie manche Nacht bei Sturm und Unwetter auf den Hannes gewartet und nicht gemerkt hatte, daß es kalt und rauh war. Und nun war alles zergangen zu gar nichts, wie der Schaum da, den der Wind auf dem Maar zusammmenpeitscht, und der dann am Ufer trüb und schmutzig in den toten Binsen zerfließt. Sie weinte nicht, aber ihre Fäuste ballten sich in den Falten des Rockes.
Daß der Müller-Hannes sie nicht heiraten würde, hatte Landscheids Seph immer gewußt – reiche Söhne heiraten keine armen Dirnen – nachgedacht hatte sie freilich weiter nicht darüber. Er war ihr gut und sie ihm, sonst was scherte sie nicht. Sie hatten miteinander geschäkert schon als Halbwüchsige; der herbe Eifelwind hatte sie beide groß und kräftig gemacht, war’s da nicht natürlich, daß sie sein Mädchen geworden war?! All die Jahre, die er beim Militär gewesen, hatte sie sich keinen anderen angeschafft, und als er dann endlich wiedergekommen war, hübscher denn je, männlich und dreist, da war sie ihm an die Brust gestürzt wie eine Bergquelle, die sich ergießen will. Nein, sie wäre ihm nicht böse gewesen, hätte er einmal eine Reiche geheiratet, die der Müller ihm ausgesucht! Aber daß er’s so getan hatte, so mir nichts dir nichts, ihr’s nicht einmal vorher angefragt, ihr einfach den Laufpaß gegeben, als er es an der Zeit fand, das verzieh sie ihm nicht.
»Dän Deiwel soll hän holen, dän schandlusen Kerl! Dau – dau – vermaledeit seiste!« Sie hob die Faust und drohte nach der Mühle zurück mit einer wütenden Gebärde. –
Jetzt suchte Landscheids Seph eine Unterkunft. Oben zu Manderscheid hätte sie wohl ankommen können, im Gasthof dort brauchten sie eine mit starken Armen und eine Hübsche, die den Gästen gefiel; aber das war ihr zu weit, sie wollte nicht weg aus ihrem Dorf, jetzt erst recht nicht, dem Hannes zum Possen. Die Burschen hatte ihr zwar in des Hannes Hochzeitsnacht einen Strohmann vor die Tür gesetzt und eine Katzenmusik gebracht, die ihr noch in den Ohren gellte; aber sie hatte ihnen aus der Dachluke schmutziges Wasser auf die Köpfe gegossen und war doch geblieben.
In dem kleinen erbärmlichen Dorfwirtshaus hatte sie einen dürftigen Dienst angenommen und schuftete vom frühen Morgen an hart, und lag spät nach Feierabend noch auf den Knien am Bach, der ohne Einfaß mitten durchs Dorf rinnt, und klopfte die vergraute Wäsche mit Steinen.
So sah sie den Hannes zum ersten Male wieder, ganz von der Nähe. Sonst hatte sie nur immer flüchtig aus der Ferne einen Blick auf seinen breiten Rücken erhascht: den drehte er ihr vielleicht nicht gerade mit Absicht zu, aber es hatte sich eben immer nicht anders gemacht.
Es war Holzversteigerung gewesen in dem großen Forst, der sich hinter Maarfelden über Höhen und Mulden, riesenhoch und riesenweit, bis hinab ins grüne Salmtal streckt.
Da hatte der junge Müller tüchtig gekauft, grün noch, auf dem Stamm. Seine Holzfäller sollten schlagen; einen ganzen Trupp hatte er gedungen, er betrieb gern alles im großen und hielt sich nicht lange kleinlich bei einer Sache auf. Seiner Tina hatte er heute zeigen wollen, wie man so ein Geschäft beschickt, zwei Pferde wurden angespannt – nur ein Gäulchen paßte dem Hannes schon lange nicht mehr – und so waren sie davongefahren im Chaischen, am hellichten Nachmittag, am ganz gewöhnlichen Werkeltag.
Jetzt kamen sie zurück; rasch rollten die Räder von der Höhe zum Dorf hinab, Staub wirbelte hinter dem Chaischen drein, und die struppigen Köter kläfften. Wer in der Hütte war, eilte neugierig vor die Tür, den reichen Müller zu grüßen.
Die Seph hatte den gebückten Rücken aufgerichtet. Ihre Blicke brannten. Ja, nun konnte er ihr nicht mehr den Buckel zudrehen, jetzt kanm er im Wägelchen direkt auf sie zugefahren, gerad’ auf sie los – Angesicht gegen Angesicht! Wild klopfte ihr das Herz.
Müller-Hannes knallte mit der Peitsche: »Hä, gäwt Obacht, Ihr elao!«
Aber sie rührte sich nicht. Sie blieb auf den Knien und richtete das erblaßte Gesicht steif gegen ihn. In der einen Hand hielt sie das verschmutzte zerissene Arbeitshemd, in der anderen den Stein, womit sie es geklopft hatte. Der dünne Rock klebte ihr am Körper, sie war durchnäßt bis auf die Haut und lag im Schmutz. Die Räder streiften sie und rissen ihr im Vorbeirollen einen Fetzen vom Rock ab, eine ganze Wolke von Staub fiel über sie her; aber sie sah Hannes starr an. »Kennste mich?« schien ihr Blick zu fragen.
»O je, ich kennen Dich,« schien sein Blick zu antworten. Müller-Hannes nickte, lässig zwar nur und leichthin, aber er grüßte doch: »Dag, Seph!«
Sie grüßte nicht wieder, sie war wie erstarrt. Mit offenem Munde sah sie ihm nach. Und sie hörte die junge Frau fragen:
»Wer is die?«
Und ihn antworten:
»Dat Landscheids Seph, hei aus’m Dorf! Dat es ehs mei Mädche gewest!«
Er sagte es recht laut; die Frau neben ihm zuckte, unangenehm berührt, heimlich zusammen. Und das Mädchen hinter ihm zuckte auch; Seph hätte aufschreien mögen vor Schmerz, Wut, Empörung und zugleich doch vor Freude, ja vor Freude: verleugnet hatte er sie wenigstens nicht, seiner Frau es ins Gesicht gesagt!«
»Dat Seph es ehs mei Mädche gewest« – das hörte sie die ganze Nacht. Das war doch wie eine Genugtuung. Aber dann durchfuhr es sie plötzlich schmerzhaft, gleich einem Stich: sie hatte es wohl gesehen, wie kurz auch die Begegnung gewesen war, sie hatte es gesehen, mit dem einen, alles unfassenden Blick – seine Frau war in Hoffnung!
Aber nicht nur Landscheids Seph warf sich diese Nacht hin und her auf ihrem harten Laubsack, auch die junge Müllerin fand keinen Schlaf in dem hochgetürmten Ehebett. Hannes schnarchte schon längst, da drehte und wendete sie sich noch in Herzensangst. Was war das für ein schwarzes Weibsbild gewesen mit bösen Augen?! Die war einmal ihres Mannes Schatz gewesen?!
»Och Jesus!« Sie stützte sich auf den Ellbogen und beugte sich so, halb aufgerichtet, fragenden Blickes über den Schlafenden. Der Mond warf ein falbes Licht in die Stube. Wenn sie doch jetzt in seinem Gesicht lesen könnte! Was war gewesen, was würde noch alles sein?! Sie seufzte. Ihn am Tage zu fragen, wagte sie nicht. Nicht, daß sie nicht zufrieden mit ihm gewesen wäre – o nein, es ging ihr ja sehr gut, das konnte sie ihrem Vater versichern in jedem Brief, das konnte sie sich selber versichern, und auch der lieben Mutter Gottes dort überm Weihwasserkesselchen – ihren Hannes wollte sie nicht verklagen, nein, der war nun mal so! Und doch machte ihr manches Sorge. Wenn der Hannes nur nicht so leicht mit dem Geld wäre! Neulich war er zur Dauner