JENSEITS VON OSCHERSLEBEN. Jürgen Böttcher

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JENSEITS VON OSCHERSLEBEN - Jürgen Böttcher

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liefen frontal in seinen Kühler, sie starben noch am Unfallort. Die letzten Worte von Detta waren.

      „Wir müssen doch bei Murat noch den Tisch abbestellen.“

      Als ich am Marktplatz vorbeikam, sah ich Murat vor dem Laden stehen, der Tisch draußen war leer und auch sonst waren keine Gäste da. Murat schaute traurig auf die Straße, ich wusste sofort, er hat ein Problem. Eins war klar, jetzt brauchte er meine Hilfe. Ich überlegte in alle Richtungen, wie man Murat und sein Geschäft retten könnte. Nach einer unruhigen Nacht hatte ich plötzlich die Idee, ich fand sie bahnbrechend.

      Ich machte mich sofort auf den Weg, nahm allen Mut zusammen und ging direkt zu Murat in den Laden. Der Laden war leer, nur Murat stand mit noch leereren Augen hinter dem Tresen.

      Ich wusste, jetzt geht es um alles, ich muss ihn sofort jetzt und hier überzeugen. Murat schaute mich fragend an, dann sagte ich:

      „Murat, alter Frittenschlechter, vor Dir steht Deine Rettung. Du brauchst ein ganz neues Konzept, ich habe es, und Du wirst aus dem Dispo kommen, falls Du einen hast.“ Murat schaute mich verständnislos an und erwiderte: „Mir helfen kann nur Allah und Du bist balla, balla.“

      Ich blieb ruhig und sagte: „Murat, komm mal zur Tür, ich werde Dir zeigen, Allah ist balla, balla.“

      Murat kam langsam zur Tür, ich fasste ihn sanft am Arm, zeigte nach oben auf seine Speisetafel und sagte: „Murat, das muss alles ab, es hat keinen Sinn mehr. Du fängst jetzt neu an, Du wirst Bestattungsdiscounter.

      Deine Kundschaft hat keine hohe Lebenserwartung, das ist ein riesiger Markt.“

      Murat war immer noch verkrampft, er schaute verständnislos.

      Ich fuhr fort: „Murat, ab morgen bist Du nicht mehr Frittenschlechter, sondern Discounter, gut, nur für Bestattungen, aber immerhin Discounter.

      Du machst jetzt sofort die Schilder mit dem Essen ab, das ist nicht mehr zeitgemäß. Weißt Du, was da oben stehen muss?

      Da oben wird nicht mehr halbes Hähnchen und Döner Kebab stehen, sondern: Happy Hour für Familien, sterben zum halben Preis.

      Mit dem Sarg in den Park

      Lebenspause ohne Brause

      Gestatten von Tatten, Fachmann für Sterbeplatten

      Tod preiswerter als Doppelkorn. Geh nicht fort, stirb im Ort.

      Ich sah in Murats Augen, es war alles etwas schnell für ihn, er wünschte sich Manni zurück, da hatte sein Leben noch gesellschaftliche Leitplanken.

      Die Situation spitzte sich zu, jetzt war Handeln gefragt.

      Ich zeigte in den Innenraum der Gaststube und sagte: „Murat, Du hast hier alle Möglichkeiten.

      Schau auf den großen Kühlschrank, wenn da keine Getränke mehr drin sind, können die Leute probesitzen oder Du nimmst noch einen Obolus, wenn ein Toter über Nacht bleiben soll. Dann hättest Du noch ungeahnte Möglichkeiten mit Merchandising. Du könntest Totenkopf-Bettwäsche verkaufen oder T-Shirts mit einem Sarg-Logo, Ich bin der letzte Kunde. Natürlich kannst Du Dir noch ein zweites Standbein mit Organspende aufbauen, Material ist ja genug da.“

      Langsam begann Murat zu verstehen. Ich fasste ihm um die Schulter, an dem das Frittenfett klebte, und holte zum großen Schlag aus, zog ihn fast zärtlich vor den Laden, dort hatte ich nämlich schon etwas vorbereitet.

      In einer Seitenstraße hatte ich ein Schild von der LBS abmontiert, nun lag es vor Murats Schaufenster.

      Schnell übermalte ich mit einem Edding die Buchstaben der LBS und brachte das Schild direkt über dem Schaufenster an.

      WIR GEBEN IHRER ZUKUNFT EIN ZUHAUSE!

      Murat lächelte jetzt. Dann zeigte ich ihm das Logo für seinen Discounter. STIRB GÜNSTIG 2.0!

      Murat hatte jetzt ganz weiche Züge, er schmeckte das Glück. Er drehte sich zu mir um, dann lagen wir uns minutenlang in den Armen und weinten vor Glück. Meine Mission war erfüllt, Murat war glücklich und er dachte auch nicht mehr an Mannis Bein und dass es für die Organspende nicht taugte. Beim Abschied umarmte ich ihn noch einmal und flüsterte ihm ins Ohr. „Das alles hier funktioniert natürlich nur, wenn Du Vorkasse nimmst. Denk nur an Detta und Matze, von beiden ist auch noch ein Deckel offen. Außerdem brauchst Du auch Investitionskapital für die Merchandising-Artikel.“ Murat nickte, er hatte verstanden.

      Einige Tage später kam Manni nach einem halben Jahr zum ersten Mal wieder aus seiner Wohnung.

      Es ging ihm immer noch nicht gut, sein Bein war inzwischen fast vollständig schwarz, aber er hatte von einem Nachbarn einen Gutschein für eine Flasche Wodka bekommen, den er nur persönlich einlösen konnte. Das war Grund genug.

      Er musste sehr langsam gehen, die Schmerzen in seinem Bein waren unerträglich. Dann sah er Murats Laden. Er nahm alle Kraft zusammen und humpelte quer über die Straße. Mit Mühe hatte er den Gehweg erreicht, er winkte Murat schon zu.

      Doch drei Meter vor Murat brach Manni plötzlich zusammen, er starb friedlich vor Murats Laden, nur sein Bein lebte noch ein bisschen weiter.

      Murat stand da wie erstarrt, er verstand nur, dass ihn wohl die Vergangenheit eingeholt hatte.

      Er stand noch ein paar Minuten regungslos da, dann schaute er nach links und rechts, beugte sich langsam vor und nahm Manni das Portemonnaie aus der Tasche und sagte leise: „Wir hatten doch Vorkasse vereinbart.“

      Als ich eine Stunde später vorbeikam, saß Murat auf der Treppe vor seinem Laden, neben ihm lag Mannis leeres Portemonnaie.

      Ich setzte mich zu Murat und fragte, wie es ihm geht. „Was hat das alles für einen Sinn mit der Vorkasse, wenn die Leute gar kein Geld dabeihaben, vielleicht hätte ich doch mehr auf Lastschrift setzen sollen“, antwortete Murat.

      Ich sah ihn an und dachte, Du naiver Türke, Lastschrift ist doch wie aus der Zeit gefallen, heute braucht man für so was eine Sterbe-App, aber ich sagte ihm nichts. Ich machte einen großen Schritt, stieg über Manni und ging nach Hause, ich musste erst mal zur Ruhe kommen.

      Dann war ich einige Wochen nicht in der Stadt. Als ich endlich wieder am Markt vorbeikam, stand der Tisch noch vor dem Laden, aber es standen keine Stühle mehr da. Auf dem Tisch stand jetzt, aus dem Nachlass von Manni, ein großes rosafarbenes Sparschwein, davor war ein Mini-Sarg drapiert.

      Auf dem Schwein stand,

      KASSE DES VERTRAUENS, BITTE VOR DEM TOD BEZAHLEN!

      Ich ging zu Murat in den Laden und sagte. „Das mit der Kasse des Vertrauens haben wir vor dreißig Jahren schon mit der BZ am Abend versucht.

      Die Zeitungen waren alle, bevor das Geld in der Box lag.“ Murat schaute traurig nach unten und murmelte: „Die Menschen haben nicht mal den Tod verdient.“

      Kapitel 2 - Corona-Muttiladen

      Zwei Sommer und zwei Winter machte Murat noch weiter. Die Kasse des Vertrauens wurde die Kasse des Grauens. Am Ende stellte er den kleinen Tisch gar nicht mehr raus.

      Dann kam Corona.

      Am

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