Sprachgewalt. Группа авторов
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2Das Handwörterbuch der griechischen Sprache übersetzt patriotes als »der aus dem nämlichen Lande ist, Landsmann, Mitbürger, aber […] nur von Barbaren […] u. von Sklaven« (‹https://books.google.ch/books?id=PkQyAAAAQAAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r#v=onepage&q&f=false›). Der griechische Mitbürger hingegen wurde polites genannt. Die Loyalität galt der Polis, nicht Griechenland.
3Res Publica im doppelten Wortsinn – wenn man also keine Römische Republik und keine öffentlichen Belange mehr hat, für die man sich verantwortlich fühlen kann. Der Sinnspruch ist eine Verkürzung des Cicero-Zitats »patria est, ubicumque est bene« (Cicero: Gespräche in Tusculum: Beeinträchtigen äußere Mängel das glückselige Leben? 108.3 – 109.5, ‹https://www.gottwein.de/Lat/Cic-Tusc/tusc5097.php›). In Aristophanes’ Theaterstück Plutus (Der Reichtum) erscheint der Spruch ins Negative gewendet, wenn der Götterbote Hermes bereit ist, die Götter zu verraten und die Götterwelt zu verlassen, nur um wieder von den Menschen mit Opfergaben gefüttert zu werden, ‹http://www.online-literature.com/aristophanes/plutus/1/›.
4Horaz: Carmen 3.2: Tapferkeit im Kampf, ‹https://www.gottwein.de/Lat/hor/horc302.php›.
5Giorgio Agamben: Homo Sacer. Die souveräne Macht und das nackte Leben, Frankfurt a. M. 2002.
6‹https://de.pons.com/%C3%Bcbersetzung/latein-deutsch/bonus›.
7Peter Sprengel: Rudolf Borchardt. Der Herr der Worte, München 2015.
8Carl von Ossietzky: Der Weltbühnen-Prozeß, in: Weltbühne, 1.12.1931.
9Walter Hasenclever an Kurt Wolff und Helene Mosel, 1.12.1931, Kurt Wolff Archive, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, YCGL MSS 3, Box 4, Folder 125.
10Dolf Sternberger: Das Vaterland, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.9.1959, abgedruckt in: Günter C. Behrmann/Siegfried Schiele (Hg.), Verfassungspatriotismus als Ziel politischer Bildung? Didaktische Reihe der Landeszentrale für Politische Bildung Württemberg, Schwalbach/Ts. 1993, S. 1-2.
11Dolf Sternberger: Verfassungspatriotismus, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.5.1979; abgedruckt in ebd., S. 2-4.
12Jürgen Habermas: Staatsbürgerschaft und nationale Identität, in: ders., Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats, Frankfurt a. M. 1990, S. 632-660.
13Ebd., S. 639, 640, 650.
14Jan-Werner Müller: Verfassungspatriotismus, Eine systematische Verteidigung, in: Vorgänge 3/2010, S. 111-118, hier S. 114.
15Ebd., S. 111.
16Kanzlerin Merkel in der Generaldebatte im Deutschen Bundestag: »Andere einbeziehen – im deutschen Interesse«, 21.11.2018, ‹https://www.bundeskanzlerin.de/bkin-de/aktuelles/andere-einbeziehen-im-deutschen-interesse-1552674›.
17Robert Rossmann: Wenn Bilder stören, in: Süddeutsche Zeitung, 14.12.2016, ‹https://www.sueddeutsche.de/politik/politiker-videos-wenn-bilder-taeuschen-1.3293415›.
18Stephan Lessenich: Die Linke entdeckt die Nation – mal wieder, in: Deutschlandfunk Kultur, Politisches Feuilleton, 20.6.2018, ‹https://www.deutschlandfunkkultur.de/spd-und-patriotismus-die-linke-entdeckt-die-nation-mal.1005.de.html?dram:article_id=420770›.
19Judith N. Shklar: Verpflichtung, Loyalität, Exil, hg. und übersetzt von Hannes Bajohr, Berlin 2019. Der amerikanische Originaltext erschien 1998.
20Ebd., S. 20.
21Ebd., S. 45/46.
22Ebd., S. 46.
23Ebd., S. 49/50.
Volk
Jörn Retterath
Wenige Tage vor Weihnachten 1916 montierten Handwerker die Worte »DEM DEUTSCHEN VOLKE« über dem Westportal des Berliner Reichstagsgebäudes. Diesem Schritt waren über 20 Jahre Diskussion vorausgegangen. Die Anbringung des Schriftzugs, den der Reichstagsarchitekt Paul Wallot bereits in den 1890er-Jahren vorgeschlagen hatte, war zunächst am Widerstand Kaiser Wilhelms II. gescheitert. Erst während des Ersten Weltkriegs gab der Monarch sein Veto auf – allerdings ohne den Weihespruch ausdrücklich gutzuheißen. Mit der Installation der drei Wörter wollte die Reichsregierung die Stimmung in der Bevölkerung zugunsten des kriegführenden wilhelminischen Kaiserreichs heben. Den siebzehn jeweils sechzig Zentimeter hohen, aus französischen Geschützen der Freiheitskriege von 1813 gegossenen Großbuchstaben kam damit eine hohe symbolische und propagandistische Bedeutung zu.
War die vorgeschlagene Widmung seit der Errichtung des Reichstagsgebäudes 1894 ein Politikum gewesen, so konnte ihre Realisierung 1916 als ein Zugeständnis an die Kräfte verstanden werden, die auf Parlamentarisierung und Demokratisierung im Deutschen Reich drängten. Doch waren die angebrachten Worte bei näherer Betrachtung überaus heikel. Nicht nur, weil den Demokraten der Gestus, wonach der Kaiser dem Volk ein nur über begrenzte Macht verfügendes Parlament »schenke«, geradezu grotesk und anachronistisch anmutete. Auch blieb die Frage ungeklärt, wer oder was mit »DEM DEUTSCHEN VOLKE« überhaupt gemeint war. So verhinderte zum einen die Großschreibung aller Buchstaben Klarheit darüber, ob es sich hierbei um das deutsche oder um das Deutsche Volk handle, zum anderen ließ sich der Begriff Volk keineswegs nur im Sinne eines gleichberechtigten Staatsvolkes (demos) lesen. Ebenso konnte es als eine minderprivilegierte Schicht (plebs) oder eine Abstammungs- oder gar Rassengemeinschaft (ethnos) verstanden werden.
Das Beispiel der Aufschrift am Reichstag zeigt, dass der Volksbegriff definitionsbedürftig war und – wie im Weiteren dargelegt werden soll – noch immer ist. Unbestimmt oder ohne Kontext gebraucht, bleibt er vieldeutig. Nur auf den ersten Blick scheint klar, was gemeint ist, doch ergeben sich bei näherer Betrachtung unterschiedliche Bedeutungen, die zueinander in einem zumindest latenten Widerspruch stehen können. Spätestens seit dem frühen 19. Jahrhundert ist Volk ein interpretierbarer sowie – aufgrund der Diskrepanz zwischen seiner normativen Aufladung und seiner unklaren Bedeutung – schillernder Begriff. Ausgehend von diesem Befund soll im Folgenden danach gefragt werden, wie sich die Bedeutung des Wortes im Laufe der Zeit veränderte, ob es als ein »missbrauchter« Begriff gelten kann und welche Alternativen es zu seiner Verwendung gibt.
Ursprünglich wurde mit Volk eine konkrete Ansammlung beziehungsweise eine kleinere Gruppe von Menschen bezeichnet, die durch eine gemeinsame Tätigkeit oder Lebenssituation eine Gemeinschaft bilden. So wurden zum Beispiel eine Einheit Soldaten »Kriegsvolk« und die Besatzung eines Bootes »Schiffsvolk« genannt. Zugleich diente das Wort zur Bezeichnung von Personen aus den »unteren Schichten« und war