Mit Vertrauen führen. Götz W. Werner

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Mit Vertrauen führen - Götz W. Werner

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glaubt nicht, dass die Regeln und Werte der kleinen, warmen und persönlichen Gemeinschaften – Familien, Sippe, Freundesgruppen – sich fundamental von den Regeln und Werten der abstrakten, kalten und arbeitsteiligen Systeme unterscheiden müssen. An diesem Punkt, das sei mir gestattet, bleibe ich allerdings skeptisch.

      Welche Fähigkeit braucht das Dialogische? Natürlich das „Sich-zurücknehmen“. Und welche Instrumente? Nur eins: Das Führungselement der „Empfehlung“. Eine Empfehlung im Wortsinne, die nach einem Beratungsprozess sich nicht in die scheinsichere „Vereinbarung“ flüchtet, sondern es offen lässt, wie der Empfehlungsempfänger letztlich handelt. Ein halsbrecherischer Balanceakt gelebter Freiheit. Herausfordernd, unbequem und unter den Bedingungen von Macht voller Paradoxien. Zu nahe liegen „Empfehlungen“ nach Erlkönig-Art: „Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.“ Hier hat Götz W. Werners Führungsdenken die provokative Schärfe, die er der organisierten Kleintierzüchtung in vielen Unternehmen entgegen schleudert.

      „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“ Für viele Menschen ist dieser Satz Basis ihres Menschenbildes. In einem Unternehmen, das auf die Herausforderung der kreativen Kräfte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zielt, wird eher Freiherr vom Stein zitiert: „Zutrauen veredelt den Menschen, ewige Vormundschaft hemmt sein Reifen.“ Worin kann die Aufgabe einer zutrauenden Wirtschaftsgestaltung bestehen? Die Antwort Werners: „Ein Unternehmen zu gestalten, das den Menschen von weisungsgebundener Arbeit unabhängig macht. Indem man ihnen Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet. Gelegenheit für gemeinsames unternehmerisches Handeln schafft – das ist das Ziel.“

      Nun sagt der chinesische Philosoph und Begründer des Daoismus Lao-Tse im 6. Jahrhundert v. Chr.: „Wahre Worte sind nicht schön, und schöne Worte sind nicht wahr.“ Das stimmt kaum im Falle Götz W. Werners. Das Vertrauen in den Menschen, das Ernstnehmen der Selbstbestimmung und entsprechend dialogische Führung als Praxis, nicht als Hochglanzgeraune – bei Götz W. Werner ist das erlebbar. Nichts Aufgesetztes, kein Lippenbekenntnis, keine nur oral existierende Unternehmenskultur. Zwar ein work in progress, man kommt nie an, hat es nie erreicht. Aber immer nach der Maxime: Tue das, was möglich ist, statt darüber zu klagen, dass manches unmöglich ist.

      Übertragbar? Da mischen sich in mir Wunsch und Zweifel. Kann ein Ausnahme-Unternehmer mit einem Ausnahme-Unternehmen ein Modellfall sein? Einerseits wünsche ich vielen Menschen ein solches Arbeitsklima, andererseits weist Werner immer wieder auf die langen Entwicklungslinien hin. Das ist ja gerade das Dilemma der Managementtheorie – sie ist kontextblind. Sie hat keinen Blick für die konkreten Umstände, für Traditionen, Reifegrade, Herkünfte, Lokales – im Jargon heißt das „Pfadabhängigkeit“. Irritationsfest hält sie am Mythos der Steuerbarkeit komplexer sozialer Strukturen fest. Und will nicht wissen, dass der Vorrat gemeinsamer Wertvorstellungen selbst innerhalb von sogenannten „starken“ Unternehmenskulturen eine Schimäre ist, jedenfalls erheblich kleiner, als die Fallgeschichten immer illustrieren wollen. Und dass der Transfer in andere Kontexte äußerst problematisch ist. Kurz: Es gibt sie nicht, die „Erfolgskultur“. Tatsächlich gibt es nur eine goldene Regel: Es gibt keine goldene Regel. Weder für Unternehmenskulturen noch für Führungsverhalten. Und wenn es sie gäbe, ich würde raten, ihr nicht zu folgen.

      Dass es keine Lehren gibt – kann uns das etwas lehren? Sicher dies: Es geht für den wirtschaftlichen Erfolg nicht vorrangig darum, welche Werte wir leben, ob wir diese oder jene normative Orientierung vorziehen. Sondern ob wir sie konsistent verfolgen. Stetig sind. Glaubwürdig. Ist das enttäuschend? Ja, natürlich. Aber der Philosoph und Hermeneutiker Hans-Georg Gadamer hat uns gezeigt, dass Erkenntnisgewinn immer auf Enttäuschung beruht. Erwartungen werden durchkreuzt. Um eine Erfahrung reicher heißt um eine Gewissheit ärmer. Das ist aber nicht zu betrauern, sondern ist etwas Schönes: Wir täuschen uns nicht mehr. Wir können wieder wählen. Niemand kann sich auf den „richtigen“ Weg berufen. Niemand kann uns eine Vorgehensweise als „zwingend“ verkaufen. Schon gar nicht, wie in pandemischen Zeiten, als „alternativlos“.

      Der dm-drogerie markt ist seit Jahren überaus erfolgreich. Allein in Deutschland und im Geschäftsjahr 2019/20: Über 40.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, über 2.000 Filialen, rund 8,54 Mrd. Euro Umsatz. Immer unter den größten Arbeitsplatzbeschaffern. Und keinem Unternehmen gelingt es offenbar besser, Mehrfachkundinnen und -kunden zu Stammkunden zu konvertieren. In einem Meer von Skepsis und scheinbarem Sachzwang zeigt uns Götz W. Werner, wie wir vom Gegeneinander übers Miteinander zum Füreinander kommen können. Und das Arbeit nur als Arbeit für andere als sinnvoll und motivierend erlebt wird.

      Andere Unternehmen sind auf andere Weise erfolgreich. Was immer aber die Erfolgsgeschichten uns so oder anders versprechen, was und wer immer uns zum Hinterherlaufen einlädt, und was immer auch der „one best way“ zu sein scheint – Götz W. Werners dm-drogerie markt ist ein Leuchtturm des Möglichen, das unnachgiebig erfolgreiche Gegen-Beispiel.

      Das ist Werners Geschenk an uns alle. Er kommt aus der Philosophie der Freiheit – und mit seinem Erfolg erzeugt er wiederum Freiheit. Sein wirtschaftlicher Erfolg ist ein Stachel im Fleisch des herrschenden Zynismus, des „Nur so geht es“. Nein, es geht auch anders. Werners Erfolg zeigt uns: Wir können wählen, wie wir leben wollen.

      EINLEITUNG

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      Götz W. Werner ist Gründer der erfolgreichen Drogeriemarktkette dm. Doch nicht nur das. Er ist Unternehmer, Hochschullehr und gesellschaftlicher Vordenker. In diesem Buch gibt er Auskunft über die Schlüsselbegriffe seiner Unternehmensphilosophie, berichtet von den Schlüsselmomenten seines Lebens, formuliert und beantwortet die Schlüsselfragen unserer Gegenwart.

      Im Gespräch mit Organisationsberater, Mediator und Managementtrainer Rudi Ballreich erläutert Werner die Hintergründe seines unternehmerischen Denkens, erzählt aber auch aus seinem Leben: die Geschichte von dm und die Herausforderungen der Führung eines expandierenden Unternehmens sind ebenso Themen wie die Begegnungen und Erfahrungen, die ihn zu seinen Überzeugungen inspirierten. Dieser Austausch entstand bei der Veranstaltung „Vertrauen führt!“ des Dialog-Cafés am 1. Juli 2013 im Haus der Wirtschaft Baden-Württemberg in Stuttgart. Im zweiten Teil des Gesprächs zwischen Werner und Ballreich kommt auch das Publikum zu Wort und der Dialog erweitert sich zu einer mehrstimmigen Debatte.

      Mit diesem Buch erhalten Sie auch einen Online-Zugang zu Aufnahmen des Gesprächs und einen filmischen Einblick in den Alltag in einem dm-Markt – und damit in die konkrete Praxis der Unternehmensphilosophie Götz W. Werners. Mehr dazu auf Seite 171.

      Ergänzt wird dieses Gespräch durch vier Texte von Götz W. Werner, in denen er einzelne Schlüsselthemen seines Denkens vertieft.

      Im Aufsatz „Unternehmensgestaltung: Subsidiarität und Führung“ denkt er über die Organisation von Unternehmen nach und fragt, wie durch Führung Authentizität und Selbstentwicklung möglich werden.

      Im Vortrag „Führung. Initiative wecken, Rahmenbedingungen gestalten“ geht Werner kurzweilig auf die Herausforderungen der Mitarbeiter*innenführung in einem expandierenden Unternehmen ein.

      In dem Essay „Unternehmensführung als sozial-künstlerischer Prozess im Sinne Beuys‘“ zeigt Werner, dass Führung nichts weniger als ein künstlerischer Prozess ist: ein Unternehmen ist keine Pyramide, sondern ein Organismus. Die künstlerische Gestaltung von Gesellschaft – Werner spricht mit Beuys von sozialer Plastik – ist der Bereich, in dem wir alle vor den größten Herausforderungen stehen.

      Im Interview „Kreativität und Gesellschaft“ geht Werner auf die Frage ein, was Kreativität ist und wie sie praktisch verwirklicht und gelebt werden kann.

      Das Buch endet mit einem Nachwort von Christoph

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