Betreuung und Pflege geistig behinderter und chronisch psychisch kranker Menschen im Alter. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Betreuung und Pflege geistig behinderter und chronisch psychisch kranker Menschen im Alter - Группа авторов страница 17

Жанр:
Серия:
Издательство:
Betreuung und Pflege geistig behinderter und chronisch psychisch kranker Menschen im Alter - Группа авторов

Скачать книгу

Mitarbeiter dieser Einrichtungen nannten in den Fokusgruppen weit weniger körperliche Veränderungen, die sie dem Alternsprozess zuschreiben, als jene Mitarbeiter, die geistig behinderte Menschen betreuen. Das Ergebnis der Befragung zeigte Verluste im Bereich der Gesundheit, der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit und daraus sich entwickelnde Einschränkungen der Selbstständigkeit. Als Auslöser eines prozesshaft verlaufenden Verlusts an körperlicher Leistungsfähigkeit wurden häufig Erkrankungen oder belastende Ereignisse genannt, der Verlauf war jeweils unterschiedlich. Erfolgte der Abbau körperlicher Funktionen langsam, so überraschte er häufig beide, den Bewohner und den Mitarbeiter, wenn sie plötzlich feststellten, dass der Bewohner beim Waschen Unterstützung brauchte. Körperliche Veränderungen, die auf den Alternsprozess zurückgeführt wurden, sind das Auftreten einer Inkontinenz und eine veränderte Schmerzempfindung, die möglicherweise beide auch auf Medikamente zurückzuführen sind. Einige Patienten klagten häufiger über körperliche Symptome wie z. B. Schmerzen. Es ist auch für den erfahrenen Mitarbeiter schwer zu beurteilen, was hinter den geklagten Schmerzen steht: Ein Appell für mehr Zuwendung? Ein sich Drücken vor bestimmten Arbeiten? Die ersten Zeichen einer Krankheit? Die Schmerzempfindlichkeit ist unterschiedlich, viele Bewohner äußern keine Schmerzen, manche werden bei Schmerzen aggressiv und wieder andere scheinen keine Schmerzen zu empfinden und beachten auch blutende Verletzungen nicht.

      Ein Teil der Mitarbeiter schätzte die Bewohner ihrer Einrichtung jünger und gesünder ein im Vergleich zu psychisch kranken Menschen, die außerhalb einer stationären Einrichtung leben. Als Begründung gaben sie an, dass man ihnen vieles abnimmt und sie geschont werden, und dass sie nicht den Schwierigkeiten des Alltags ausgesetzt sind. »Die Bewohner sind noch sehr aktiv und für ihr Alter noch sehr fit. Sie leben sorglos im Haus, werden gut gepflegt, und das erhält jung.«

      Es wurde des Weiteren auf eine allgemeine Verlangsamung im körperlichen und im psychischen Bereich hingewiesen. Das, was besprochen wurde, wird nun langsamer umgesetzt, die alltäglichen Verrichtungen brauchen mehr Zeit, und es kommt bei einem sehr hohen Anteil psychisch kranker Bewohner zu einer zunehmenden Vernachlässigung der körperlichen Hygiene. Der Hilfebedarf im Alltag, wie z. B. Unterstützung bei der Körperpflege, nimmt deutlich zu. Es findet sich generell eine raschere Ermüdbarkeit, die Bewohner wünschen sich längere und häufigere Pausen bei allen Aktivitäten, und sie sprechen das Bedürfnis aus, sich zurückziehen zu können. Der Mitarbeiter wird den Rückzug des Bewohners beobachten, um den Zeitpunkt nicht unbemerkt verstreichen zu lassen, an dem der Bewohner allmählich in seine eigene Welt entgleitet. Die soziale Integration wird brüchig, soziale Beziehungen und auch die sozial-kommunikativen Fähigkeiten der Bewohner gehen häufig verloren. Wie viel Rückzug darf zugelassen werden? Wann muss der Mitarbeiter eingreifen und auf welche Weise? Ein solches Eingreifen geschieht nicht immer auf Wunsch des Bewohners, und es bedarf fundierter fachlicher Kenntnisse und Erfahrung, dem Patienten Hilfestellung zu geben.

      Die Bewohner werden zunehmend vergesslich, sie zeigen häufig eine Konzentrationsschwäche und machen mehr Fehler auch bei Routinetätigkeiten. Eine häufiger auftretende Desorientiertheit in Ort, Zeit und Person macht sich bemerkbar, eine Differenzierung jedoch zwischen einer altersbedingten Vergesslichkeit und einer demenziellen Entwicklung ist für den Mitarbeiter oft nicht möglich. Einsamkeit und Isolation nehmen zu, es ist für psychisch Kranke ohnehin schwierig, Kontakte zu knüpfen, und häufig ist auch die verbale Kommunikation erschwert. In dieser Zeit des Umbruchs, die immer schwierig zu bewältigen ist, gewinnen vertraute Dinge und Aktivitäten an Bedeutung, und die eigene Vergangenheit rückt wieder mehr in den Vordergrund, Bekanntes gibt Sicherheit. Einschränkungen durch den Alternsprozess, die vom Bewohner wahrgenommen werden, führen zu vermehrter Unsicherheit. Zwischenmenschliche Beziehungen gewinnen an Bedeutung, denn sie vermitteln in dieser Phase einer zunehmenden Verunsicherung dem Patienten Sicherheit und Schutz.

      Die Akzeptanz und der Umgang mit körperlichen Einschränkungen sind für psychisch Erkrankte schwieriger als für Gesunde. Die Selbsteinschätzung lässt sich oft schwer an den aktuellen körperlichen Zustand anpassen, die alternsbedingten Einschränkungen werden häufig nicht wahrgenommen, und das kann sich in einer Überschätzung eigener Möglichkeiten äußern, die wiederum den Patienten gefährden. Die Patienten sind häufig unzufrieden mit sich und ihrem Zustand, dies wirkt sich auch auf die Umwelt aus. Manche Bewohner überspielen den Alternsprozess, wollen ihn nicht wahrhaben: »Es vergeht wieder.« Sie lehnen Hilfe ab, bauen eine Fassade auf: »Ich kann es, ich weiß es« – sie wissen und können es aber nicht mehr. Und wenn sie spüren, dass bestimmte Dinge gar nicht mehr gehen, werden manche Bewohner aggressiv, andere lassen sich gehen. Wenn vor Beginn dieser Entwicklung schon ein Hilfe- oder Pflegebedarf bestanden hat, dann ist allerdings der Einschnitt nicht so groß und wird besser bewältigt.

      Die Fähigkeit, Aufgaben und Belastungen zu bewältigen, die Lebensphase Alter selbstständig zu gestalten und ein individuelles Ausmaß an Zufriedenheit zu entwickeln, ist seltener vorhanden als bei älteren geistig behinderten Menschen. Nach Aussagen der Mitarbeiter wird die aktuelle Lebensphase nur von etwa einem Drittel psychisch kranker Menschen als nützlich empfunden, und nur für etwa die Hälfte der Patienten hat das Leben einen Sinn. Die persönliche Lebenseinstellung ist im Gegensatz zu älteren geistig behinderten Menschen nur selten hoffnungsvoll und selten optimistisch.

      Alternsbedingte Veränderungen anzunehmen ist ein langwieriger Prozess und dauert beim psychisch kranken Menschen sehr viel länger als beim demenziell Erkrankten oder geistig behinderten Menschen. Die Befindlichkeit wechselt laufend, eine Akzeptanz wird immer nur für einen kurzen Zeitraum erreicht, dann aber erfolgt wieder eine Rebellion gegen die Last des Älterwerdens, und es braucht Zeit, bis erneut eine gewisse Anpassung erfolgt ist. Der Prozess wiederholt sich, die Bewohner kommen nicht zur Ruhe.

      Der Umgang mit Tod und Sterben erfolgt in sehr unterschiedlicher Weise: Manche begegnen der Thematik mit viel Offenheit, andere entwickeln Ängste oder – wie ein Mitarbeiter es ausdrückt – »sie flüchten in den Wahn.« Da die Bewohner jedoch meistens bis zu ihrem Tod in den Einrichtungen bleiben können, ist das Problem für viele nicht so gravierend, da das Sterben nicht mit einem weiteren Ortswechsel verbunden ist. Die Thematik wird auf der Wohngruppe nur beim Tod eines Bewohners angesprochen. Wenn das Bedürfnis da ist, sprechen die Mitarbeiter mit den Bewohnern über Sterben und Tod, es wird auch ein Seelsorger hinzugezogen, denn die Bewohner gehen eher streng mit sich um »und es ist wichtig, sie auf Barmherzigkeit und Vergebung hinzuweisen.« Nur etwa ein Drittel der Mitarbeiter geben an, das Leben des Bewohners sei stark von religiösen und moralischen Grundsätzen bestimmt. Abschließend fügen sie hinzu: »Es ist schwerer zu sterben ohne religiöse Bindung.«

      Der Ablauf von Alternsprozessen bei psychisch kranken Menschen entspricht grundsätzlich jenem in der Gesamtbevölkerung (image Teil I: Kap. 1.3). Alternsprozesse werden allerdings häufig beschleunigt durch einen ungesunden Lebensstil, der sich oft bei psychisch erkrankten Menschen findet. Rauchen, Nebenwirkungen von Medikamenten, Alkoholabusus, eine unausgewogene Ernährung, Bewegungsmangel und Übergewicht, ein oft nicht erkannter und nicht behandelter erhöhter Blutdruck, erhöhter Blutzucker und erhöhte Blutfette führen zur Entwicklung einer Arteriosklerose und zur Ausbildung von Herz-Kreislauferkrankungen.

      Patienten mit einer Schizophrenie sind in vielfacher Weise gesundheitlich gefährdet. Die medizinische Versorgung ist unzureichend, da internistische Erkrankungen häufig nicht diagnostiziert werden. Die Patienten tragen ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen durch einen erhöhten Alkohol- und Nikotinkonsum, einen ungesunden Lebensstil, eine zusätzliche Gefährdung entsteht durch Nebenwirkungen antipsychotischer Medikamente und deren Auswirkungen auf das Herz-Kreislaufsystem. Nach Fontaine et al. (2001) ist das Mortalitätsrisiko für Erkrankungen

Скачать книгу