Betreuung und Pflege geistig behinderter und chronisch psychisch kranker Menschen im Alter. Группа авторов

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      Abb. 6: Prävalenz der Demenz Typ Alzheimer in der Gesamtbevölkerung und bei geistiger Behinderung (RKI 2005; Coppus 2006)

      Menschen mit geistiger Behinderung ohne Down-Syndrom. Das für APP (Amyloid-Precursor-Protein) codierende Gen befindet sich auf Chromosom 21, und die Entstehung von Beta-Amyloid aus dem APP erklärt die Tatsache, dass bei überdurchschnittlich vielen Menschen mit Trisomie 21 eine Demenz vom Typ Alzheimer vorliegt.

      Die Inzidenz demenzieller Erkrankungen ist bei Menschen mit geistiger Behinderung ohne Down-Syndrom ebenfalls deutlich erhöht und beträgt das Fünffache im Vergleich zur Gesamtbevölkerung (Strydom 2013). Die Inzidenz ist am höchsten in der Altersgruppe der 70- bis 74-Jährigen mit 34,6 %, bei 75-Jährigen und Älteren beträgt sie 16,7 %. Die Autoren gehen davon aus, dass eine reduziere Gehirnreserve, wie sie bei geistiger Behinderung angenommen wird, bei neuropathologischen Prozessen im höheren Lebensalter die Ursache für eine erhöhte Vulnerabilität ist.

      Bei demenziell Erkrankten in der Gesamtbevölkerung kann vorausgesetzt werden, dass vor Ausbruch der Erkrankung eine kognitive Leistungsfähigkeit auf vergleichbarem Niveau und mit entsprechendem Allgemeinwissen vorhanden war. Dies trifft für Menschen mit geistiger Behinderung nicht zu, daher ist es nicht möglich, kognitive und Fähigkeitsverluste auf der Grundlage der Entwicklung einer demenziellen Erkrankung mit den üblichen Messinstrumenten zu dokumentieren.

      Bei Menschen mit geistiger Behinderung sind die Leistungsprofile sehr unterschiedlich geprägt, daher kann ein möglicher Verlust von Leistung oder von Fähigkeiten nur in einem Vergleich mit der angenommenen maximalen Leistungsfähigkeit im frühen Erwachsenenalter beurteilt werden. Aus diesem Grund sollten frühzeitig Basisdaten erhoben werden, auf die zu einem späteren Zeitpunkt zurückgegriffen werden kann, um die Erhebung und Beurteilung von Vergleichsdaten zu ermöglichen, die Hinweise auf eine demenzielle Entwicklung geben könnten.

      Genauso wie in der Gesamtbevölkerung können bei Menschen mit geistiger Behinderung gefäßbedingte, degenerative oder sekundäre Demenzen auftreten, daher sollte stets bei Verdacht auf eine demenzielle Entwicklung eine Untersuchung der Risikofaktoren und ein Ausschluss jener Erkrankungen erfolgen, die zu psychischen Veränderungen führen und das Bild einer Demenz entstehen lassen können.

      Häufig werden demenzielle Erkrankungen bei Menschen mit einer geistigen Behinderung nicht als solche erkannt, da die Symptomatik dem Alter oder der geistigen Behinderung zugeschrieben wird. Mittels einer differenzierten Untersuchung lässt sich jedoch auch bei Menschen mit geistiger Behinderung die spezifische Symptomatik einer demenziellen Entwicklung feststellen. Der Ablauf der demenziellen Erkrankung scheint sich in ähnlicher Weise zu vollziehen wie in der Gesamtbevölkerung, allerdings trifft der demenzielle Abbau auf andere Voraussetzungen: Die kognitive Leistungsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen sowie die Lernfähigkeit sind reduziert, psychische und körperliche Einschränkungen und Erkrankungen beschleunigen den Verlauf. Eine demenzielle Erkrankung bei geistig behinderten Menschen führt zu Veränderungen der Persönlichkeit, zum Verlust von Gedächtnis, Orientierung und Selbstständigkeit im Bereich der Aktivitäten des täglichen Lebens. Der Abbau der kognitiven und körperlichen Leistungsfähigkeit erfolgt rascher als in der Gesamtbevölkerung. Während in der Gesamtbevölkerung im Durchschnitt mit einem Verlauf von 6–12 Jahren gerechnet werden kann, ist dieses Zeitfenster bei Menschen mit geistiger Behinderung häufig auf 1–2 Jahre reduziert (Holland 2000, Deb et al. 2007).

      Wahrgenommene Verluste und eine verminderte kognitive Leistungsfähigkeit führen zu problematischem Verhalten durch Reaktion auf die eigene Hilflosigkeit, durch Fehldeutung einer Situation, durch Überforderung; Hunger, Durst, Schmerzen können nicht mehr adäquat ausgedrückt werden; die Patienten reagieren mit Angst oder Unsicherheit, mit Unruhe und Aggression, mit Apathie oder dem wiederholten Versuch »nach Hause zu gehen.« Fundierte Kenntnisse des Verlaufs einer demenziellen Erkrankung, deren Ursachen und der Biografie des Betroffenen ermöglichen einen adäquaten Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten, sie führen zu einem besseren Verständnis der Situation des Patienten und zu einer Veränderung des Verhaltens der Pflegefachkräfte.

      Anlässlich einer internationalen Tagung der Edinburgh Working Group on Dementia Care Practices wurden sieben Leitsätze (Edinburgh Principles) zur Unterstützung und Gleichstellung von an Demenz erkrankten geistig behinderten Menschen entwickelt. Diese Leitsätze wurden von der IASSID (International Association for the Scientific Study of Intellectual Disabilities) 2001 angenommen und die Umsetzung zum Schutz von demenziell erkrankten Menschen mit geistiger Behinderung empfohlen (Wilkinson 2002).

      1. Die Grundversorgung und Betreuung von demenziell erkrankten Menschen mit geistiger Behinderung soll auf personzentrierter Grundlage mit dem Ziel einer Optimierung der Lebenszufriedenheit erfolgen.

      2. Jede Entscheidung, die für oder von demenziell erkrankten Menschen mit geistiger Behinderung getroffen wird, soll vorrangig ihre individuellen Stärken, Fähigkeiten, Fertigkeiten und ihre Wünsche berücksichtigen.

      3. Entscheidungen, die Assessments, Planung von Pflege und Betreuung betreffen, sollen stets den betroffenen demenziell erkrankten Menschen mit geistiger Behinderung, seine Angehörigen oder ihm nahestehende Menschen einbeziehen.

      4. Mittel zur fachgerechten Untersuchung, Diagnostik, Therapie und Pflege sollen sichergestellt werden, um die individuellen Bedarfe und Bedürfnisse von demenziell erkrankten Menschen mit geistiger Behinderung zu befriedigen und ein gesundes Altern zu fördern.

      5. Demenziell erkrankte Menschen mit geistiger Behinderung sollen mit allen Mitteln darin unterstützt werden, dass sie am Ort ihrer Wahl – im ambulanten oder stationären Bereich – verbleiben können.

      6. Demenziell erkrankte Menschen mit geistiger Behinderung sollen demenziell erkrankten Menschen ohne geistige Behinderung gleichgestellt werden und denselben Zugang zu den benötigten medizinischen und pflegerischen Diensten haben.

      7. Die aktuell vorhandenen und die zukünftigen Bedarfe und Bedürfnisse von demenziell erkrankten Menschen mit geistiger Behinderung sollen jeweils in die Gesundheitsplanung der Regierung, der zuständigen Behörden und Einrichtungen einbezogen werden.

      Der Zugang zum Gesundheitssystem ist für geistig behinderte Menschen in unserer Gesellschaft in mehrfacher Weise erschwert. Es bestehen Barrieren auf der räumlichen, der kommunikativen und der Wissensebene. Der Zugang zur stationären oder ambulanten ärztlichen Versorgung ist für Menschen mit geistiger Behinderung häufig wegen räumlicher Barrieren schwierig. Da bisher geistig behinderte Menschen überwiegend in stationären Einrichtungen untergebracht waren, haben niedergelassene Ärzte in den meisten Fällen keine Erfahrung und kein Spezialwissen erwerben können mit Bezug auf (a) Erkrankungen, die in dieser Personengruppe häufiger anzutreffen sind, (b) eine häufig ungewöhnliche Präsentation von Symptomen, (c) Formen der Kommunikation bei verbalen Defiziten der Patienten, (d) den Umgang mit Ängsten vor der Untersuchung, vor diagnostischen Maßnahmen und Eingriffen bei dieser Personengruppe.

      Einen Verbesserungsbedarf in der Gesundheitsversorgung von geistig behinderten Menschen beschreibt Seidel (2017) und führt folgende Problembereiche auf:

      • Haltung und Einstellung zu Menschen mit Behinderung: Wertschätzung und Respekt

      • Haltung zu »Behinderung«

      • Fachwissen

      • Handlungskompetenz

      • Kommunikationskompetenz

      •

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