Lasst uns Paradiese pflanzen!. Timm Koch

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Lasst uns Paradiese pflanzen! - Timm Koch

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werden wir uns auch auf Mittel bewerben, um unsere Projekte weiter zu stärken und breiter aufzustellen.

      Wie steht ihr zu der Idee, dass Biodiversität ein »Preisschild« bekommt? Produkte, die schädlich für unsere Artenvielfalt sind, werden dann teurer. Mit den Einnahmen könnten dann Projekte und Produktionsweisen gefördert werden, die der Artenvielfalt zuträglich sind.

      Lukas Küttner: Ähnlich wie eine CO2-Steuer würde die Einpreisung der negativen Auswirkungen auf die Biodiversität von Produkten eine unmittelbare Veränderung des Konsumverhaltens nach sich ziehen. Hin zu Produkten, die weniger, keine oder besser noch: positive Auswirkungen auf Biodiversität haben. Das wäre sehr zu begrüßen und ist unserer Meinung nach eine faire Maßnahme, die Hersteller und Konsumenten gleichermaßen fordert und für gutes Verhalten belohnt. Leider ist die Bemessung von Biodiversität bzw. der Einfluss einzelner Produkte auf die Biodiversität extrem schwierig. Wir selbst haben seit längerem den Plan, ein Label ins Leben zu rufen, das Produkte aus Streuobst kennzeichnet und Konsument*innen so zeigt, dass dieses Produkt einen positiven Effekt auf Biodiversität hat.

      Wie kann es gelingen, dass Investoren Gefallen am Erhalt der globalen Biodiversität finden?

      Lukas Küttner: Die Frage ist, ob es rechtzeitig gelingen kann. Es gibt bereits einige Investoren und auch schon Fonds, die gezielt nach grünen Start-ups suchen, um sich dort zu beteiligen. Aber der Großteil des Investmentbankings ist sicherlich rein (monetär) profitgetrieben, um so schnell wie möglich so viel Profit wie möglich aus ihrem Investment zu ziehen. Bei dem Erhalt von Biodiversität geht es aber um langfristige Pläne und Projekte, die diesem Gedankengang komplett konträr gegenüberstehen. Sofern von politischer Seite dahingehend keine Anreize geschaffen werden, zum Beispiel durch die Einpreisung von positivem beziehungsweise negativem Verhalten von Unternehmen auf die Biodiversität, und weiterhin negatives Verhalten kostenlos ist, werden Investments weiterhin zu den kurzfristig profitabelsten Unternehmen fließen. Früher oder später wird sich die gesamte Wirtschaft, und somit auch das Investmentbanking, verändern müssen, oder das Ökosystem Erde – die Lebensgrundlage von uns allen – geht zugrunde. Es ist nur eine Frage der Zeit.

      Inwiefern spielt Weidewirtschaft eine Rolle in euren Planungen? Obstwiesen müssen ja einerseits freigehalten werden, andererseits ist Weidehaltung die natürlichste und beste Form, mit unserem Nutzvieh umzugehen. Mit anderen Worten: Wie haltet ihr es mit der Diversifizierung?

      Jakob Schuckall: Die Beweidung von Streuobstwiesen, vor allem mit Schafen, spielt eine große Rolle in unserer Planung – es ist ja auch die traditionelle Doppelnutzung der Obstwiesen und bietet viele Vorteile. Zum Beispiel wird durch die Beweidung der Wühlmausdruck erheblich reduziert, im Sommer, wenn die Tiere Schatten suchen, werden die Nährstoffe direkt zu den Bäumen transportiert, und nicht zuletzt spart es natürlich den Einsatz von Maschinen. Momentan wagen wir uns sogar an ein Projekt, bei dem eine Beweidung durch Wasserbüffel geplant ist. Wir sehen uns als Botschafter für Biodiversität und planen Streuobstwiesen als Biotope – dies gelingt nur mit Diversifizierung. Außerdem setzen wir uns für eine vielfältige, moderne und nachhaltige Streuobst- und Agroforstwirtschaft ein, Diversifizierung kann eigentlich nur der Albtraum von sehr dummen oder sehr kurzsichtigen BWL-ern sein.

      Wie steht ihr zu anderen Ansätzen zum Schutz der Artenvielfalt wie Paludikultur, Waldgartensystemen, Feld-Wald-Wirtschaft, Obst- und Nusswäldern, Essbaren Städten, Permakulturen und anderen?

      Jakob Schuckall: Jeder dieser extensiven Ansätze Nahrungsmittel und andere Rohstoffe zu produzieren, bei denen gleichzeitig die Artenvielfalt geschützt werden soll, ist grundsätzlich sinnvoll! Die Permakultur orientiert sich bei der Planung von landwirtschaftlichen Systemen an der Funktionsweise von natürlichen Ökosystemen. Meistens ist ein Ökosystem umso stabiler, je vielfältiger und komplexer es ist, also je mehr Lebewesen mit ihm in Wechselwirkung treten. Wenn man sich auf ein Produkt spezialisiert und die Vielfalt und Nachhaltigkeit der Gewinnmaximierung opfert, dann hat man ein extrem energieaufwendiges und maximal störungsanfälliges System, wie wir es etwa aus dem konventionellen Obstanbau kennen. Die Streuobstwiese mit Beweidung ist doch eigentlich ein tolles Beispiel dafür, wie der Spagat zwischen Produktivität und Naturverträglichkeit gelingen kann. Leider werden diese Ansätze meist immer noch als unwirtschaftlich betrachtet, weil immer in viel zu kleinen Zeitfenstern gedacht wird, dabei sind sie auf lange Sicht hochproduktiv und speichern CO2 durch stetigen Humusaufbau.

      Habt ihr euch schon Gedanken darüber gemacht, die Äpfel eurer Hochstämme als Tafelobst auf den Markt zu bringen?

      Jakob Schuckall: Darüber denken wir sogar sehr viel nach! Ich denke, da steckt ein riesiges Potenzial drin. Die wenigen Sorten, die wir aus den Supermärkten und leider auch aus den Bioläden kennen, wurden alle paar Tage mit Spritzmitteln übergossen. Auf der Streuobstwiese kann Obst ohne jeglichen Einsatz von synthetischen Fungiziden, Pestiziden und Düngemitteln angebaut werden und viele der alten Apfelsorten sind durch ihren hohen Gehalt an Polyphenolen für Allergiker viel besser verträglich. Der Marktanteil von ungespritztem Obst liegt in Deutschland nur bei etwa 0,5 Prozent. Die Nachfrage danach ist groß und wächst ständig.

      Streuobstwiesen sind sehr oft nicht biozertifiziert. Wie geht ihr damit um? Stammen die Quitten, Birnen, Pflaumen, Kirschen etcetera in den Ostmost-Schorlen in Wahrheit von Plantagen, die zwar bio, aber trotzdem artenarme Monokulturen sind?

      Jakob Schuckall: So ganz stimmt das inzwischen nicht mehr. Laut dem NABU Streuobstrundbrief ist der Anteil von biozertifizierten Streuobstwiesen in vielen Anbauregionen, wie zum Beispiel Baden-Württemberg, auf etwa 50 Prozent gestiegen. Grund dafür ist der deutlich höhere Erzeugerpreis. In den Ostmost-Schorlen ist drin, was drauf steht, die Pflaumen, Mirabellen und Sauerkirschen kommen von ehemaligen Plantagen aus Thüringen, die inzwischen extensiv bewirtschaftet werden – genau wie Streuobstwiesen.

      Später im Jahr kommt Jakob Schuckall mich bei uns zu Hause besuchen. Er ist von kerniger Statur und gut drauf. Der Job als Baumhirte scheint nicht nur ihm gutzutun: Er berichtet von dem erfolgreichen jungen Unternehmer in seinem Team, der dem großen Geld, dem damit verbundenen Stress und der Sinnentleertheit den Rücken gekehrt hat, um bei Ostmost einzusteigen. Vor allem Baumschnittarbeiten bereiten ihm Vergnügen. Ich zeige Jakob meine kleine Landwirtschaft, inklusive des Kakibaums (laut Jakob der neue Geheimtrend) und der Bienenkästen, und wir unternehmen bei strahlendem Sonnenschein einen Spaziergang durch den Rheinbreitbacher Obstwald, der bis hinunter an den Rhein reicht.

      In vielen Weißdornbüschen tummeln sich Schwärme von Singdrosseln und laben sich an den roten Beeren. Es sind Zugvögel, die im milden Klima des Rheintals überwintern und das reichhaltige Nahrungsangebot des Obstwaldes für sich nutzen. So sparen sie sich den gefährlichen Flug in den Mittelmeerraum, wo die Art in der Regel überwintert. Hier laufen sie keine Gefahr, Opfer von Schrotflinten, Schlingen, Netzen oder Leimruten zu werden. Was für ein Gegensatz zu den ausgeräumten Agrarlandschaften, wo der Hunger zu einer weiteren großen Gefahr für den Vogelzug geworden ist. Jakob weist mich auf die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten des Weißdorns hin. Vor allem wegen der herzstärkenden, natürlichen Substanzen, die in Blüten, Blättern und Früchten schlummern, ist er in der alternativen Heilkunde äußerst beliebt und somit auch wirtschaftlich interessant.

      Jakob versucht, Streuobstwiesenbesitzer aus der Eifel für Ostmost zu gewinnen. Die Eifel grenzt an die Umgebung von Meckenheim, dem Obstkorb des Rheinlands, wo vor allem Äpfel im Intensivanbau gedeihen. Jakob berichtet von einem Treffen mit Plantagenbesitzern, die ihre Ernte loswerden wollten. Als sie merkten, dass Plantagenobst nicht ins Geschäftsmodell von Ostmost passt, verlangten sie lautstark, dass Streuobstwiesen nicht gegen Plantagen »ausgespielt« werden sollen.

      Die Forderung zeigt, das beide Ansätze grundsätzlich nur schwer vereinbar sind. Zu einem Konsens ist es dann letztlich nicht gekommen.

      Mein

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