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      Olaf Müller

      Herr über Leben und Tod bist du

      Eifel-Krimi

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      Es wird kommen der Tag Auf dem Krawutschketurm bei Bergstein wird ein Toter gefunden. Rentner Eugen Kaltenbach wurde offensichtlich ermordet – mit einem US-Karabiner aus dem Zweiten Weltkrieg. Wenige Tage später wird Gundula Borsche, die Schwester der ehemaligen Direktorin der Landesklinik Düren, tot aufgefunden. Ebenfalls kaltblütig ermordet. Hängen die Fälle miteinander zusammen? Kommissar Fett, Kollege Schmelzer und die neue Kommissarin Daniela Conti verfolgen mehrere Spuren in Jülich, Arnoldsweiler und Frankreich. In Düren stoßen sie schließlich auf ein Geheimnis in der Landesklinik. Das berüchtigte »Haus 5« war die forensische Abteilung, in der bis in die 1970er Jahre katastrophale Zustände herrschten. Während in Aachen auf dem Weihnachtsmarkt das Geschäft brummt, überschlagen sich die Ereignisse. In Simonskall bei Vossenack kommt es schließlich zum Showdown …

      Olaf Müller wurde 1959 in Düren geboren. Er ist gelernter Buchhändler und studierte Germanistik sowie Komparatistik an der RWTH in Aachen. Seit 2007 leitet er den Kulturbetrieb der Stadt Aachen. Sprachreisen führten ihn oft nach Frankreich, Italien, Spanien, Polen und Austauschprojekte in Aachens Partnerstädte Arlington (USA), Kostroma (Russland) und Reims (Frankreich). Als Segelflieger kennt er die Eifel aus der Luft, als Wanderer vom Boden. „Herr über Leben und Tod bist du“ ist nach „Tote Biber schlafen nicht“, „Allerseelenschlacht“, „Rurschatten“ und „Die Macht am Rhein“ (gemeinsam mit Maren Friedlaender) sein fünfter Kriminalroman im Gmeiner-Verlag.

      Impressum

      Personen und Handlung sind frei erfunden.

      Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

      sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

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      Alle Rechte vorbehalten

      Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

      Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

      Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

      unter Verwendung eines Fotos von: © SiRo / stock.adobe.com

      ISBN 978-3-8392-6918-3

      Anfang

      Von der obersten Plattform des Krawutschketurms auf dem Burgberg in Bergstein tropfte Blut. Krähen flatterten krächzend über den Turm, von dem sich bei klarem Wetter ein weiter Blick über die Nordeifel bot: im Westen das Hohe Venn, etwas nördlicher Aachen und die Kühltürme des Braunkohlekraftwerks Weisweiler; im Nordosten, fast so, als ob man hineinspringen könnte, der Stausee von Obermaubach. Burg Nideggen grüßte auf Augenhöhe im Osten, die Rur schlängelte sich von Blens über Abenden und Zerkall durch das grüne Tal. An diesem Morgen war ein Schuss gefallen. Gedämpft durch einen Schalldämpfer. Er war längst verklungen. Vor 75 Jahren war es anders. Damals folgte Einschlag auf Einschlag. Das Geknatter der Maschinengewehre, Karabiner und Pistolen nahm am Tag und in der Nacht kein Ende, Handgranaten explodierten, der Burgberg schien zu explodieren.

      Scheu trippelte ein Fuchs durch das nasse Gras zum Aufschlagpunkt der Blutstropfen auf den Pflastersteinen, leckte kurz, schaute sich suchend um, blickte hoch zu dem Treppengewirr, schlich davon. Mäuse rasten durch das dornenreiche Gestrüpp. Spatzen hüpften von Busch zu Busch. Stumm, fast etwas arrogant, blickte ein Bussard abwartend von einem Fichtenast auf den Krawutschketurm und die Reste der Bunker. Die Zeit des Bussards war noch nicht gekommen. Am Boden bildete sich eine dünne Blutlache und suchte einen Weg zwischen den betongrauen Steinen. Verkrümmt lag die Leiche auf der obersten Aussichtsplattform. Keiner hatte sie bisher entdeckt. War es zu früh für Spaziergänger und Wanderer an diesem Montagmorgen, dem 9. Dezember 2019? Im Osten, am Rhein, kroch das Morgenrot hinter Wolken empor. Gegen 8.15 Uhr würde die Sonne aufgehen. Der Tag begann windig, kalt, grau, dunkel, nass. Nieselregen benetzte Blätter und Nadeln der Bäume. Das feuchte Laub war dreckig, braun, angefault. Pfützen hier und da. Die von den Herbststürmen abgebrochenen Äste hingen leblos an den Bäumen, schaukelten im Wind. Es roch nach Fäulnis, Moder, Tod.

      Bergstein war still, nur einige Schulkinder auf dem Weg zum Unterricht. Brandenberg, Kleinhau, Großhau, Hürtgen, Vossenack und Nideggen schienen wie ausgestorben. Die Berufspendler waren längst aufgebrochen. Die Bauern mit ihren kleinen Parzellen und dem wenigen Vieh hatten die Tiere versorgt, die Nüstern der Kühe und Pferde dampften, längst war gemolken, Futter und Stroh verteilt, Mist aus den Ställen gekarrt. Nun fuhren die Nebenerwerbslandwirte zum Sägewerk nach Vossenack, zur Papierfabrik nach Düren, zum Ferienpark nach Heimbach. Von Landwirtschaft allein konnte niemand mehr leben. Die Bauern mussten früh raus, gingen spät ins Bett.

      Ein grauer und düsterer Tag. Grau auch das Stahlgestänge des Turms, die Reste der Bunkeranlagen auf Hill 400, wie ihn die Amerikaner im Dezember 1944 genannt hatten, weil er mit seiner Höhe von 400 Metern die Region überragte. Von hier aus wurde das verheerende Artilleriefeuer der Wehrmacht auf die vorrückenden US-Einheiten bei Vossenack, Schmidt, Kommerscheidt und Simonskall geleitet. Wer Hill 400 beherrschte, der kontrollierte die Rur und die Talsperren. Am 7. Dezember 1944 hatte das 2nd Ranger Battalion unter großen Verlusten den Burgberg angegriffen. Ein Sturmangriff mit aufgepflanztem Bajonett aus den Ruinen von Bergstein heraus, über den Friedhof und hinauf auf den Berg. Mann gegen Mann. Es waren dieselben Ranger, die bei der Invasion in der Normandie am Pointe du Hoc mit Strickleitern an den Klippen hochgeklettert waren, um die deutschen Gefechtsstände auszuschalten. Hill 400 war genauso blutig wie Pointe du Hoc. Für viele US-Soldaten war die Einnahme des Burgbergs in Bergstein der längste Tag, länger als der Tag der Invasion. Davon wurde nichts erzählt auf der Informationstafel am Fuß des Krawutschketurms, benannt nach dem Eifelwanderer Franz Krawutschke, der 1940 gestorben war. Er hatte die ersten Wanderwege markiert. Darum wurde der Turm nach ihm benannt. Auf der Infotafel stand die Geschichte der Burg, des Burgbergs und des Turms. Kein Wort über das Grauen kurz nach Nikolaus im Dezember 1944.

      Schlaff hingen die ockerfarbenen Blätter der wenigen Eichen an den graubraunen Ästen.

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