Herr über Leben und Tod bist du. Olaf Müller

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Herr über Leben und Tod bist du - Olaf Müller

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Sie nicht Blumen bei den nächsten Demos. Je unzufriedener die Masse der Demonstranten mit den politischen Ergebnissen in Sachen Klimaschutz ist, desto schneller wächst das Aggressionspotenzial. Wenn Windradgegner als Taliban bezeichnet werden, lädt sich die Stimmung weiter auf. Und zum Schluss: Die Kolleginnen und Kollegen, die bisher mit Missbrauchsfällen beschäftigt sind, mit ungeklärten Morden, die bekommen Unterstützung. Nach bisherigen Erkenntnissen schwappt eine Welle von Missbrauchsfällen aus den gesellschaftlichen Großbereichen Sport, Karneval, Jugendfreizeit, Jugendheimen auf uns zu. Die Kirchen waren nur der Anfang. Auch bei den Pflegeeltern, den Waisenhäusern, den Erziehungsanstalten wird in die Akten geschaut. Da ist vieles verjährt, anderes nicht. Die Kommissariate werden dazu eine besondere Schulung bekommen. Wir haben Aussagen, dass gerade im Karneval und bei der Jugendbetreuung weggeschaut wurde. Auch in den Sportvereinen soll es in den 50er-, 60er- und 70er-Jahren zu zahllosen Missbrauchsfällen gekommen sein. Niemand wollte den Kindern glauben. Trainer, Priester, Prinzen und Karnevalspräsidenten waren angesehene Autoritätspersonen. Die Kleingartenanlagen mit ihren gemauerten Wochenendhäusern sollen Unterschlupf geboten haben. Mit diesen dunklen Informationen entlasse ich Sie in den Montag. Fragen?«

      Die Polizisten sprachen miteinander, wirkten nachdenklich.

      »Fellhofer, Stichwort Intensivtäter. Unsere jugendliche Klientel reist weiterhin über die Schiene oder mit Bussen ein. Wann wird die Bundespolizei zwecks Grenzcheck die Sollstärke erreichen?«

      »Keine Ahnung, Kollege. Momentan werden Kräfte in Bayern zusammengezogen, da dort über den Balkan mehr illegale Grenzübertritte vorkommen. Wir bleiben dran. Nächste Frage?«

      Zugführer Danino von der Einsatzhundertschaft meldete sich: »Wann werden wir das Camp in Hambach aufsuchen? Der Gerichtsbeschluss ist eindeutig. Camp ist nichts rechtskonform.«

      »Lieber Kollege, rufen Sie mal in der Staatskanzlei an. Die wissen mehr. Nächste Frage.« Die Polizisten lächelten resigniert. Seit Jahren Rechtsbrüche, verletzte Beamte, zunehmende Gewalt, reisende Täter. Und sie durften im Camp nicht einmal Personenfeststellungen durchführen.

      Rüschendonk bat um Ruhe. »Ich komme zum Schluss. Wir unterstützen heute Mittag und heute Nacht mit der Einsatzhundertschaft die Bundespolizei am Hauptbahnhof. Fußballfans von Red Bull Salzburg reisen bis Hauptbahnhof und von Aachen aus mit Bussen weiter nach Genk, Belgien. Spiel um 21 Uhr. Im Anschluss voraussichtlich Rückkehr und Sonderzug von Aachen nach Salzburg in der Nacht. Fragen?« Rüschendonk blickte in die Runde.

      Schmelzer schlich durch die Tür, suchte Fett, sah ihn leicht dösend und schlich zwischen den Kollegen zu seinem Chef.

      »Ein Toter in Bergstein auf dem Krawutschketurm. Soll übel aussehen«, flüsterte Schmelzer ihm ins Ohr.

      »Keine besseren Botschaften? Rüschendonk reicht mir schon«, maulte Fett.

      »Der Tote trägt keine Schuld. Wir müssen hin. Kriminaltechnik ist bereits vor Ort. Der Medizinmann hat den Tod bestätigt.«

      Rüschendonk beendete seinen Lagevortrag und entließ die Führungskräfte in einen kalten und grauen Montag, so grau wie der Himmel über dem Krawutschketurm.

      Ein Schuss und sieben Stiche

      Kurz vor 10 Uhr trafen Fett und Schmelzer an der Kirche in Bergstein ein. Sie fuhren zum Parkplatz, von dem man auf den Stausee von Obermaubach schaute. Der dunkelrote VW-Bully der Kriminaltechnik parkte kurz hinter der Schranke am Aufgang zum Burgberg. Ein Streifenwagen stand am Seitenrand. Fett zog die schwarze Dockermütze über die Ohren, Schmelzer war eingemummelt in seine Funktionsjacke.

      »Was wissen wir, Schmelzer?«

      Schmelzer schaute auf sein Handy und las die Nachricht der KTU: »Alter Mann auf der obersten Plattform des Krawutschketurms. Kopfschuss und Messerstiche. Eugen Kaltenbach, 75, alleinstehend, aus Bergstein. Besaß einen Bauernhof. Hatte alles verpachtet. Frau vor zehn Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen. Vermutlich in der Früh umgebracht worden. Keine Kinder. Gefunden von einem Rentner aus Bergstein, der morgens hier seine Runde drehte.«

      »Senile Bettflucht. Die können morgens nicht bis 8 Uhr abwarten.«

      »Der Rentner hat einen Hund. Da muss man morgens raus. Der Hund hat den Toten gefunden.«

      »Ja, oder vor der Alten flüchten.«

      »Kommt drauf an.«

      »Worauf?«

      »Auf die Alte und den Hund. Übrigens hat er eine Fahne.«

      »Wer, der Hund? Trinken die jetzt auch?«

      »Nicht der Hund, der Hundebesitzer, dieser, na, dieser Norbert Jörres.«

      »Frühtrinker. Hatte bestimmt Stress mit seiner Frau. Oder Witwer?«

      »Nein, kein Witwer. Nur kalt.«

      »Kalter Witwer?«

      »Er hat wegen der Kälte getrunken, Chef.«

      »Stimmt. Ich auch. Allerdings Kaffee.«

      »Wo müssen wir lang, Herr Fett?«

      »Hier, den kurzen und steilen Weg. Kenne ich.«

      »Woher?«

      »Damals. Segelflug in Bergstein. Manchmal sind wir hier gewesen. Wenn das Wetter nicht passte oder um die Aussicht zu genießen oder nahe am Himmel zu sein.«

      Sie stapften den mittleren Weg hinauf, der steil in Richtung Krawutschketurm führte. Das gefallene Laub roch vermodert. Überall Einbuchtungen im Boden, abgebrochene Äste. Sie passierten das Kreuz für einen gefallenen US-Soldaten. Aus den Augenwinkeln sah Fett, dass eine Kerze brannte. Schmelzer rutschte auf seinen Sommerschuhen ständig aus. »Anne hat mir die falschen Schuhe rausgestellt. Irgendwelche handgenähten Ökoschuhe aus Afrika. So ein Käse.«

      »Bestimmt sie auch Ihre Schuhe? Ich dachte, nur das Essen«, grinste Fett.

      »Das auch. Wahrscheinlich muss ich bald barfuß latschen, zur Abhärtung oder weil irgendein Jogi das so macht.« Schmelzer keuchte. Leberkäs- und Streuselbrötchen machten sich konditionell bemerkbar. Endlich erreichten sie die Höhe und begrüßten die Kollegen aus Kreuzau.

      »Kennen wir uns nicht von dem Fall in Obermaubach?«, fragte Fett.

      Holz antwortete kurz und bündig: »Moin, ne, das waren andere Kollegen. Mein Name ist Holz, und drüben steht Kollegin Dillinger bei Herrn Jörres. Der hat die Leiche gefunden. Das heißt, sein Hund Rocky, der Dobermann. Außerdem hat der ordentlich geschluckt am frühen Morgen.«

      »Der Hund?«

      »Das fehlte noch, nein, der Jörres. Glaube nicht, dass er der Täter war.«

      »Fürs Glauben ist der liebe Gott zuständig. Vielleicht weiß der Hund mehr. Fett und Schmelzer aus Aachen«, sagte Fett mit Blick auf den Kollegen aus Kreuzau.

      »Sie, mit dem Drops auf dem Kopf, sind Kommissar Fett?«

      »Drops auf dem Kopf? Das ist eine Dockermütze von New Yorker Hafenarbeitern.«

      »Passt zum Rursee. Ahoi, die Herren. Wir stehen hier, um die Massen fernzuhalten, die gleich den Krawutschketurm stürmen

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