Gefangen in Frankreich 1870. Theodor Fontane

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Gefangen in Frankreich 1870 - Theodor Fontane

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Zweifel ein Revolver!“), während andere dazwischen riefen: „Où est-il? Où sont ses effets? Cherchez! Apportez!“ („Wo ist er? Wo sind seine Reisesachen? Bringt sie her!“) Man brachte alsbald meine Reisedecke und bestand seltsamerweise darauf, daß ich sie selber öffnen solle. Es war, als hätt’ ich sie mit Torpedos geladen. Ich konnte mich selbst in diesem Augenblick eines Lächelns nicht erwehren, löste die Riemen, wickelte die Decke auseinander und überreichte meinen Revolver. Er ging von Hand zu Hand; ich konnte wahrnehmen, daß er mit sehr verschiedenen Gefühlen betrachtet wurde.

      Die Situation war bereits heikel genug; aber schlimme Momente kommen nie allein; so auch hier. In eben diesem Augenblick, wo die Stimmung gegen mich ziemlich hoch ging, drängte sich durch den dichten Haufen ein wüst aussehender Geselle, der, gedunsen und kurzhalsig, seiner apoplektischen Anlage zum Schlagfluß durch sechs Liter Wein täglich zu Hilfe zu kommen schien, stellte sich sperrbeinig vor mich hin, schlug mit der Faust auf seine Brust und erklärte mit lallender Zunge; „Je suis le maire“ („Ich bin der Bürgermeister“). Dies kam mir sehr ungelegen. Ich griff zu einem verzweifelten Mittel und sagte ihm unter Verbeugung, „daß ich erfreut sei, ihn zu sehen,“ was bei einzelnen (ich hatte also richtig gerechnet) sofort eine gewisse Heiterkeit zu meinen Gunsten erweckte und die Gebildeteren veranlaßte, die Dorfobrigkeit, die noch allerhand faselte, beiseite zu schieben. Dies war sehr wichtig für mich. Solch trunkener Imbecile (Tölpel), an dem alles, was Vernunft und Wahrheit ist, notwendig scheiern mußte, war das Schlimmste, was mir in solchem Moment begegnen konnte.

      Einer aus dem Kreise der Minorität trat jetzt an mich heran und fragte ruhig, ob ich damit einverstanden sei, daß man mich nach Neufchateau auf die Souspräfektur führe. Ich mußte lächeln; ebenso hätte er mich fragen können, ob ich damit einverstanden sei, gehängt zu werden. Ich mußte eben tragen, was über mich beschlossen wurde.

      Meine Einwilligung war kaum ausgesprochen, als man meinen Kutscher, der mich übrigens nicht verraten hatte, antrieb, seinen Braunen wieder einzuspannen. Ich bezahlte meine Zehrung; die Wirtin nahm das Geld und sah mich teilnahmsvoll an. Sie schien sagen zu wollen: die Welt ist toll geworden. Im Moment, wo ich auf dem Flur hinaustrat, legte ein hübsch aussehender, rotblonder Mann seine Hand auf meine Schulter und flüsterte mir zu: „Monsieur, encore un moment!“ („Einen Augenblick noch, mein Herr“) Er wies auf ein großes Hinterzimmer, in das er voranschritt; ich folgte. Als wir allein waren, zeigte er mir ein Papier, das an seine Spitze ein umstrahlendes Dreieck und in dem Dreieck, soviel ich ersehen konnte, einige hebräische Zeichen trug. „Connaissez-vous cela?“ („Kennen Sie das?“) Es schien mir ein Freimaurerpapier. Ich antwortete: „Nein“, hinzusetzend, daß ich die Bedeutung allerdings zu kennen glaubte. „Ah! c’est bon!“ („Gut.“) Er steckte sein Papier wieder ein, und ich war entlassen. Ob er wirklich meine Freilassung durchsetzen wollte, oder ob das Ganze umgekehrt nur eine Falle war, darüber kann ich bloß Vermutungen hegen. Das eine ist so gut möglich wie das andere.

      Wir stiegen auf. Rechts der Kutscher, links ein Franktireur (Freischärler), ich eingeklemmt zwischen beiden; hinter uns, auf einem Strohbündel, lagen zwei Blusenmänner. Die Sonne war im Niedergehen, der Abend klar und schön; so ging es auf Neufchateau zu.

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