Das Grimmingtor. Paula Grogger

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Das Grimmingtor - Paula Grogger

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Lesung dessen bildete den Abschluß der geistlichen Audienz. Und die Öblinger empfahlen sich befriedigt. Der Abt ruhte im großen Stuhle aus, den Reitern nachblickend, die ihre Pferde losbanden, aufsaßen und alsbald über die Ennsbrücke dem Dorfe zusprengten. Dann sah er auch Raimund Winkler, zur Linken des Pfarrers schreitend; dieser schnupfte behaglich, blieb zuweilen im Gespräche stehn, während der Schulmeister mit gesenktem Kopf, das Spazierstöckchen hinter dem Rücken haltend, beharrlich seines Weges ging, aber doch so langsam und rücksichtsvoll, daß ihn der alte Herr mit ein paar Schritten immer wieder erreichte.

      Die langen Schatten, welche die Pappelbäume über die Streuwiesen und die Straße hingebreitet hatten, auch das Glitzern der Fenster und der Waldwipfel verblaßte mählich. Scharf und schneidend fegte der Wind. Und die Erde zu Füßen war wie ein kaltes, staubiges Pflaster. Es ging schon deutlich dem Winter zu. Die Blumengeschirre hatte man sorglich ins Haus geräumt. Die Gärten waren vom Reif gesengt und nahezu abgeerntet. Nur hie und da glomm noch ein Strauch voll Hagebutten. Aber nicht lang, so pflückte vielleicht ein Weiblein oder ein Kind sich fleißig die Schürze voll und putzte auf dem Gottesacker damit ein Grab.

      Beim Stralzen war die Regina dazu angestellt. Und die drei Buben halfen ihr, solang es sie freute. Sie stiegen mit ihren groben Schuhen auf dem Hügel der seligen Großeltern Johann Stralz und Maria Stralzin wacker umher, lockerten mit einer Haue die von Gras und Sinngrün verfilzte Erde, ebneten Krumen und Krümchen und streuten zuletzt einen Eimer voll Ruß darüber. Wie eine kostbare Decke aus schwarzem Sammet war es anzusehen, unheimlich und traurig. Auch gingen die meisten Leute schon aus dem Freithof fort. Die verschnörkelten Kreuze mit den breiten Kupferdächern und den wiegenden Weihbrunnkesseln glichen drohenden Geistern, welche lauernd … lauernd sich fürneigen und jählings auf ein strafwürdiges Menschlein stürzen, es umhalsen und zerfetzen. Es raschelte das dürre Laub unter den kurzen, zittrigen Windstößen. Manchmal schwang ein Laternchen irgendwo mit wimmerndem Ton. Vor dem Loch zum Totenkeller wehte ein Streif Papier … oder war’s eine arme Seel, die bittend mit der bleichen Hand herausfuhr …?

      Den drei Buben gruselte ein kaltes Gefühl den Rücken nieder. Insonders der Kleinste spähte bänglich um sich und sagte auf einmal:

      Er wolle heimgehen und das Einmaleins lernen.

      Die beiden Brüder lachten ihn aus und schreckten ihn, obschon sie sich auch vor den verwunschenen Geistern nicht sicher fühlten. Da war im fernsten Winkel das Grab von einem unselig und gnadlos verschiedenen Sünder. Der Teufel hatte sein Gebein auf der Jausengrube zerstreut. Pater Isidor jedoch, duldsam und milde wie immer, hatte es aufheben lassen und sonach in der geweihten Erde bestattet.

      Ach, die Stralzenkinder wußten nicht, wie der verdammte Kund ihre schöne goldhaarige Frau Mutter geliebet. Wohl aber wußten sie, daß der nämliche alle Buben und Dirnlein gerne in die Zehe zwickte und versuchte, sie in die brennende Hölle hinabzuziehen. Es galt für ein großes wagmutiges Kunststück, neunmal über das grüne Hüglein zu springen, und es geschah nicht selten, daß ein Kind schmerzlich aufschrie und die beinerne Kralle schon zu spüren glaubte.

      Die zwei Brüder also schreckten Lukas mit dieser unheimlichen Geschichte; sie wollten ihn zum Winkel locken und sagten mit wilden Gefrießern:

      »Traust dich hupfen? Wir traun uns wohl!«

      »Bleibets doch da«, bat Regina ein bißchen ängstlich und ein bißchen barsch. »Helfts mir lieber statt dem Geister sekkieren.«

      »Ja, Schnecken!« sagte der Älteste.

      Und der Jüngste sagte auch so. Sie blieben aber doch bei ihr stehen, betrachteten breitspurig und kommod, wie ihre harten kleinen Finger das Kot aus dem Sinngrün stringelten und Kreuz und Namenszeichen in die Rußdecke gruben. Mit der linken Hand raffte sie noch immer das Fürtuch an sich, und so sprach sie geheimnisvoll zu sich selbsten:

      »Wieder eine Perl aus dem roten toten Meer.«

      Es war fast dusend. Hinter den Kirchenfenstern schimmerte blutfarben das Ewige Licht. Zwei Eulen schwebten sanft und lautlos zwischen den Kreuzen. Draußen auf der Wiese flog in feinen Bändern der Nachtnebel. Die Kinder horchten. Es mußte noch ein Mensch im Freithof sein; das stumpfe, welke Gras dämpfte seinen Schritt. Lukas drückte den Kopf in die Schultern. Keiner rührte sich. Auf einmal sagte Markus:

      »Der Bäckenhansei.«

      »Kömmts schauen, was er tut!« sagte Matthäus.

      Da hauchte die kleine Stralzendirn einen schweren Seufzer heraus.

      »Wieder eine Perl«, sprach sie alsdann, »welche der Sterngucker Kaspar beim roten toten Meer gefunden hat. Und die Geschicht ging noch weiter …«, sprach sie.

      »Wie denn?« frug Lukas.

      »Da waren einmal drei Könige«, fing sie an, »jeder in seinem Reich, und jedes Reich so groß, daß einer den andern nie heimsuchen konnte. Trotzdem sie also keine Bekanntschaft mitsammen hatten, und trotzdem der erste weiß, der zweite braun und der dritte schwarz gewesen ist, glichen sie sich in ihrem Gebar wie Geschwister. Sie setzten sich jeden Tag zackige Goldkronen auf das Haupt und regierten das Land mit einem silbernen Staberl.«

      »Kömmts!« sagte Matthäus gähnend zu den Brüdern. Vielmehr nämlich als auf Reginen lauschte er zum Bäckenhansei hin, der leise betend durch den Freithof zaschte und auf den Gräbern, wo kein Kreuz und kein Zierat war, eine Kerze anbrannte.

      »Wart!« sagte Lukas, »die Geschicht geht noch weiter.«

      Das Mädchen kniete tiefgebückt, langte Beere um Beere aus dem Fürtuch und sprach:

      »O ja, die drei König haben gut gelebt, im Essen und Trinken nit gespart und auch dem Gesind nichts abgehn lassen. Ihr Reichtum hat sich gemehrt. Der weiße Kaspar hat so viel Gold in seiner Schatzkammer gehabt, daß die Tür nimmer zugegangen ist. Der braune Melcher hat so viel Weihrauch gehabt, daß ihn die Diener schon in aller Früh mit Wolken einhüllen mußten wie den lieben Herrgott. Der schwarze Balthauser hat das Kostbarste besessen, was unsereins gar nit zu schmecken kriegt, nämlich Myrrhe.«

      »Was ist das eigentlich?« frug Lukas.

      »Myrrhe?« sagte Regina und legte den Finger an die Lippen und tat geheimnisvoll. Item, sie wußte es selbsten nicht …»Red mir nit alleweil drunter«, sagte sie endlich. »Die Künig haben beim Tag alsdann fleißig regiert. Auf die Nacht, wenn der Schatten und die Finsternis kömmen ist, und wann die andern Leut sich gefürchtet haben, sind sie unter das Dach hinauf, um die Sternlein und den Mond zu betrachten. Es war ihnen die ganze Himmelsferne bekannt. Von jedem Lichtel wußten sie, woher es kam, wohin es reisete, und ob es bedeuten sollt Hunger, Seuchen und Krieg oder Weizbrot und Wein und pfundige Butterkugeln. Doch einmal erspähten sie zu ihrer Verwundernis einen Fixstern mit einem Kometenschwanz, so groß und so gelb, wie bevor keiner erschienen war. Da haben sie sacht die Köpfe gebeutelt und weislich gefragt, was dies für ein Zeichen wär. Es stund aber in einem alten Buch zu lesen, dies wär das Zeichen, daß unser Heiland geboren ist. Stante pede haben sich die drei Sterngucker auf die Reis’ gemacht, der weiße Kaspar mit einem Kufferl voll Gold, der braune Melcher mit einer Spatel voll Weihrauch und der schwarze Balthauser mit einem Becherl voll Myrrhe.«

      »Hienach sind s’ zum Herodes. Kenn mich schon aus«, sagte Markus, drehte sich um und ging.

      Auch bei Matthäus fand die schöne Geschichte keinen Anklang. Während Regina sich mit dem Schmücken des Grabes und mit dem Erzählen abmühte, hob er ihre braunen Zöpfe und spickte sie dick mit Hagebutten. Lukas lachte.

      »Was lachst denn so?« frug sie

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