Dunkle Seite - Mangfall ermittelt. Harry Kämmerer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Dunkle Seite - Mangfall ermittelt - Harry Kämmerer страница 2
„Papiere?“, fragt Christine.
Josef greift in die Jackentaschen des Toten. Keine Papiere, keine Geldbörse, nur ein Schlüsselbund. Und ein Autoschlüssel. Der ist alt, keiner von denen, die man nur drücken muss und schon blinkt einen der eigene Wagen an.
„Vermutlich wohnt er in einem der Häuser“, murmelt Josef. „Also, vielleicht hat er da gewohnt.“ Missmutig lässt er seinen Blick durch die Wohnanlage streifen. „Sind ja nur sechs große Wohnblöcke, jeder mit mindestens 15 Stockwerken.“
Josef nimmt das Fahndungsbild und geht zu der Menschentraube vor der Absperrung, hält das Bild hoch. „Kennt jemand von Ihnen diesen Mann?“
Interessiert betrachten die Leute das Bild.
„Das ist der Typ bei uns im siebten Stock“, meldet sich ein Mann mit alkoholgerötetem Gesicht. „Der Krämer. Der Bart ist allerdings neu.“
„Wie heißen Sie bitte?“
„Schlater. Herbert Schlater.“
„Wo wohnen Sie?“
Der Mann deutet zu einem der Hochbunker. „In der 4. Im achten Stock.“
Josef nickt, überlegt. Seine Gedanken rotieren. Ausgerechnet Hausnummer 4 – wo auch Peter Bruckner gewohnt hat, das erste Opfer des Schubsers. Vielleicht ist seine Witwe jetzt an einem der Fenster? Was ist das hier – ein Racheakt? Von ihr? Nein, sicher nicht, das war eine nette, empathische Frau. Sie war betroffen. Nicht voller Groll. Erstaunlich genug. Naja, ihr Mann war Sozialpädagoge. Und auch sie ist im sozialen Bereich tätig. Soll er ihr einen Besuch abstatten? Noch wissen sie ja nichts Näheres über den Täter. Der jetzt selbst ein Opfer ist.
Er sieht wieder zu dem Nachbarn, der wegen Josefs geistiger Abwesenheit ein wenig irritiert ist. Josef lächelt ihn an. „Ah, Herr …?“
„Schlater, Herbert Schlater. Ist der Mann von dem Foto der Tote da drüben?“
„Kommen Sie!“ Josef führt den Mann zu dem Toten und lässt ihn einen Blick auf dessen Gesicht werfen. Schlater nickt.
„Herr Schlater, was wissen Sie über Ihren Nachbarn?“
„Ich hab oft Ärger mit dem Typen. Der hat die Stereoanlage immer ewig laut aufgedreht. Ich mein, das geht ja nicht, in einem Haus mit so vielen Mietparteien. Richtig laut. Bässe voll aufgedreht. Bumm, bumm, bumm! Die ganze Nacht.“
„Herr Schlater, kommen Sie bitte mit. Karl, Christine, ihr auch. Harry, du bleibst bitte unten. Schau, ob du das Auto findest.“ Er gibt Harry die Autoschlüssel.
Sie fahren mit Schlater in den siebten Stock hoch und lassen sich die Wohnungstür zeigen. Vinzenz Krämer steht auf dem Klingelschild.
„Jetzt bin ich aber gespannt“, sagt Schlater. „Also, das war ja voll der Assi, der Krämer. Der hat bestimmt eine Riesensauerei in seiner Bude.“
„Ja, dann bleiben Sie bitte weiterhin gespannt“, sagt Christine und deutet zum Lift. „Ab hier kommen wir alleine zurecht.“
Beleidigt zieht Schlater ab. Josef probiert die Schlüssel aus der Jackentasche des Toten. Einer passt, er sperrt auf. Sie schalten das Licht an. Eine kleine, zugemüllte Zweizimmerwohnung. Pizzakartons stapeln sich in der Küche, unter der Spüle befinden sich jede Menge leere Dosen und Gurkengläser, zum Teil mit flauschigen Schimmelkulturen. Das Wohnzimmer bietet neben einem riesigen Fernseher vor allem strenge Gerüche, die ein überquellender Aschenbecher auf dem Couchtisch und eine Batterie Flaschen mit Restflüssigkeiten absondern. Auffällig sind die großen Boxen, das Mischpult und die zwei Plattenspieler.
„Wer braucht so was, ein DJ?“, fragt Karl.
Christine zuckt die Achseln und öffnet die Balkontür, tritt raus, atmet tief durch, sieht nach unten: das Sichtschutzzelt auf dem Parkplatz, die Schaulustigen, die Polizeifahrzeuge. Hinter dem Parkplatz erstreckt sich der Ostpark. Hinter dem Park liegen das Michaelibad und die U-Bahnstation. Das ist alles nicht weit.
„Kommt ihr mal ins Schlafzimmer?“, ruft Karl.
Sie betreten das kleine Schlafzimmer. Neben dem großen Schrank steht in der Ecke ein schmaler Schreibtisch. Darauf ein Laptop. An der Pinnwand Fotos. Von Andrea. Selbst geschossen und aus dem Internet.
„Das ist ein Stalker, ein Irrer“, sagt Christine und sieht Josef an. „Wo ist Andrea?“
„Das frag ich mich langsam auch“, murmelt Josef und greift zum Handy. Er hat ein ungutes Gefühl, erinnert sich an Pauls panischen Anruf von gestern. Hat er Paul nicht ernst genug genommen? Er wählt Andreas Nummer. Nichts. Das Handy ist immer noch ausgestellt. Er probiert es auf dem Festnetz. Jetzt klappt es. „Paul, ist Andrea zu Hause?“
„Nein, sie ist heute Nacht nicht heimgekommen. Bei Tom kann sie ja nicht sein … Ich mach mir Sorgen …“ – „Paul, hör zu“, unterbricht ihn Josef. „Wir haben den U-Bahnschubser gefunden.“
„Was habt ihr?“
„Den Attentäter. Der auch Tom geschubst hat. Er ist tot.“
„Was, Tom ist tot?“
„Nein, der Attentäter. Und jetzt hör zu: Der hatte Andrea im Visier. Wir haben Fotos von ihr in seiner Wohnung gefunden. Auch von dir. Er hat euch zu Hause beobachtet und fotografiert. Offenbar von einem Haus gegenüber oder nebenan. Ich erreiche Andrea nicht, ihr Handy ist aus.“
„Scheiße! Wo seid ihr?“
„Neuperlach.“
„Wo genau?“
„Quiddestraße 4.“
„Wohnt er da, der U-Bahn-Heini?“
„Wohnte. Er ist tot.“
„Ich komme sofort.“
„Paul …!“
Die Leitung ist tot. Josef flucht. War das richtig, Paul zu informieren? Aber was hätte er sagen sollen? Dass alles okay ist? Dass er zu Hause bleiben und das den Profis überlassen soll? Unsinn. Profis! Sie haben nicht die geringste Spur von Andrea. Vielleicht hat Paul ja eine Idee. Er kennt sie von ihnen allen am besten.
Krank
Paul ist in Panik. Der Typ, der die Leute vor die U-Bahn gestoßen hat, ist tot und Andrea verschwunden. Wenn er sie in seiner Gewalt hat, nein, hatte – was ist jetzt mit ihr, wo ist sie? Wo hat er sie versteckt? Auf Autopilot fährt er zu der Adresse, die ihm Josef genannt hat. Viel zu schnell, über zwei rote Ampeln. Ist ihm egal.
Harry hat auf dem Parkdeck in der Quiddestraße nach zahlreichen Versuchen bei verschiedensten älteren Autos endlich die Fahrertür eines alten Fiesta geöffnet, der offenbar dem Toten gehört hat, als Josef ihn am Handy erreicht und von Pauls Kommen unterrichtet. „Kümmerst du dich bitte? Damit uns Paul die ganzen Schaulustigen da unten nicht aufstachelt.“
Pauls Ankunft ist dank kreischender