Hochsensibilität und Depression. Reinhold Ruthe
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Nichts muss bleiben, wie es ist
Wenn der Hochsensible und Depressive unter seiner Dünnhäutigkeit und seiner extremen Hellhörig- und Hellfühligkeit leidet, dann darf er wissen, dass alles im Leben korrigierbar und veränderbar ist. Wer sich erkennt, wer sich besser versteht, kann das eigene Leben besser organisieren, verändern und muss sich mit seiner Lebenseinstellung nicht resigniert abfinden.
Wir Christen reden nicht umsonst
vom „neuen Menschen“,
von der „neuen Geburt“,
von einer Gesinnungsänderung,
von einer Denk- und Lebensstiländerung.
Altes und Belastendes kann abgelegt werden. Eintrainierte Erfahrungen, unbewusste Prägungen und Erkenntnisse, die wir uns angeeignet und angewöhnt haben, können wir mit Gottes Hilfe umpolen.
Besonders die Hirnforschung macht heute darauf aufmerksam, dass Anlage und Vererbung etwa nur ein Drittel unserer Persönlichkeit bestimmen. Wichtiger sind spätere Einflüsse und Erfahrungen, Veränderungen des Denkens, Veränderung der Lebenseinstellung, Entdeckerfreude und Gestaltungslust, die neue Hirnzellen wachsen lassen.
Von daher ist eine Veränderung von kritischen Lebenseinstellungen jederzeit und in jedem Alter möglich. Wo wird das deutlich? Ob ein Kind als Inuit geboren wird, im Regenwald Amazoniens, als Kind eines Arbeitslosen Europäers oder als Kind eines wohlangesehenen Akademikers – aus allen wird etwas. Aber aus jedem etwas anderes. Die Umstände bestimmen, nicht die Veranlagung. Jedes entwickelt daher auch ein anderes Gehirn.
Unzählige Gaben, die Gott in uns Menschen angelegt hat, werden nicht genutzt. Sie werden ganz unterschiedlich beansprucht und können neu entfaltet werden.
Es ist hochinteressant, dass keine unserer kulturspezifischen Leistungen angeboren ist. Alles, worauf Menschen später stolz sind, was sie denken, fühlen, wünschen und träumen, verdanken sie dem Umstand, dass andere Menschen ihnen das gezeigt, gesagt und vermittelt haben. In den letzten Kapiteln werden diese Veränderungsmöglichkeiten genauer beschrieben.
Der Hirnforscher Gerald Hüter drückt diese neue Gestaltungsmöglichkeit so aus:
„Das, was wir heute sind, was in den letzten 100 000 Jahren aus uns geworden ist, hat also nichts mit unseren genetischen Anlagen zu tun. Es ist vielmehr Ausdruck des Umstandes, dass es in diesem langen Zeitraum unseren Vorfahren von Generation zu Generation gelungen ist, dieses genetische Potenzial so zu nutzen, dass schließlich das aus uns werden konnte, was wir heute sind.“3
Immer geht es darum:
– Unser Gehirn spiegelt wider, was in uns gefördert und geweckt wurde,
– Begeisterung kann neue Ideen wecken,
– wir können negative und eingefahrene Geleise verlassen,
– in jedem Alter sind neue Verschaltungen im Gehirn möglich,
– brachliegende Potenziale können neu entfaltet werden,
– weil wir lebendig sind, sind wir entwicklungsfähig, lernfähig und anpassungsfähig,
– weil wir alles lernen müssen und können, sind ständig neue Verschaltungen im Gehirn möglich.
Für alle Menschen – und für uns Christen – sind diese Erkenntnisse hilfreich und nützlich. Wir können neue Wege, neue Verhaltensmuster, neue Lebenseinstellungen und Praktiken ausprobieren und einüben, um mit Hochsensitivität und Depression besser umgehen zu können.
Kapitel 2
Was verstehen wir unter einer depressiven Gemütsverfassung?
Wissenschaft und Forschung sprechen von affektiven Störungen, unter denen folgende Bereiche zusammengefasst sind:
Die Major Depression
Sie beinhaltet
– eine etwa zweiwöchige depressive Stimmung,
– den Verlust des Interesses oder der Freude an fast allen Aktivitäten,
– eine reizbare und traurige Grundstimmung,
– das Erfülltsein von mindestens vier der folgenden Symptome:
Veränderung in Appetit und Gewicht,
Veränderungen im Schlaf, Energiemangel und Müdigkeit,
Gefühle von Wertlosigkeit oder Schuld, Schuldgefühle und Selbstvorwürfe,
Schwierigkeiten beim Denken, bei der Konzentration und der Entscheidungsfindung,
Gedanken an den Tod, Selbstmordabsichten, Selbstmordpläne und Selbstmordversuche.
Bei der Major Depression sind vier der genannten Störungen mehr oder weniger stark vorhanden.
Dysthyme Störung
Der Begriff ist aus der griechischen Sprache abgeleitet (gr. dys= übel, schlecht, miss …). Es geht hier um eine depressive Verstimmung, die mindestens zwei Jahre anhält. Damit verbunden sind: schlechte Laune, Missstimmung und Verstimmtsein.
Die Symptome sind insgesamt nicht so schwer, aber sie dauern länger.
Experten gehen davon aus, dass etwa drei Prozent aller an einer Depression Erkrankten unter Dysthymie leiden. Die Krankheit tritt oft im frühen Erwachsenenalter auf. Frauen sind etwa zweimal häufiger betroffen als Männer. Auch Unverheiratete und Menschen mit einem geringen Einkommen leiden häufiger unter Dysthymie.
Die Zyklothymie oder Bipolare Störung
Es geht um den Wechsel von manischen und depressiven Phasen. Die „Major Depression“ und die „Dysthyme Störung“ sind die beiden Störfelder, die in diesem Buch eine große Rolle spielen. Die manische Störebene bzw. die „Zyklothyme Störung“ lasse ich außen vor.