Der Fall Griechenland. J. Köper

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Der Fall Griechenland - J. Köper

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Regelungen des Stabilitätspakts von Maastricht, der dem Euro seine Stabilität sichern soll, sondern außerdem gegen die Grundregel der Währungsunion, nämlich die Wahrung der finanzpolitischen Souveränität der Mitglieder einschließlich der Konsequenz, dass kein Land für die Schulden eines anderen haftbar gemacht werden darf, jedes für seine Kreditschöpfung geradesteht, also alles ausgeschlossen ist, was an einen Finanzausgleich zwischen Teilhabern erinnert. Oder man übt und demonstriert unerbittliche Treue zu den Prinzipien, die die Festigkeit der gemeinsamen Währung und die Autonomie der nationalen Haushaltspolitik, des Kernstücks nationaler Souveränität, festlegen; die Partner überlassen Griechenland seiner Finanzkrise – und riskieren damit nicht bloß eine Vernichtung fiktiven Kapitals, die schon wieder ihr ganzes Kreditsystem gefährden würde, sondern den Bankrott und damit die Aktionsunfähigkeit der Herrschaft über ein Stück Unionsgebiet.

      Dass die zweite Option ausscheidet, ist im Grunde klar; wie die erste zu verwirklichen ist, ohne die Geschäftsgrundlage des Währungsclubs aufzulösen, ist genauso unklar; und daran wird der unheilbare Widerspruch ganz akut praktisch wirksam, der die EU im Allgemeinen und ihre Gemeinschaftswährung im Besonderen kennzeichnet.

      – Da bewirtschaften souveräne Staaten einen gemeinsamen Binnenmarkt, also eine Konkurrenz kapitalistischer Unternehmen über alle Grenzen hinweg, in der sich die nach rein marktwirtschaftlichen Kriterien potentesten durchsetzen sollen, ungestört durch nationale Sonderkonditionen. Die siegreichen Firmen gestalten mit ihren Erfolgen und mit den Niederlagen, die sie ihren schwächeren Konkurrenten beibringen, die wirtschaftliche Landkarte der Union. Dieses gesamteuropäische Hauen und Stechen bewirtschaftet zugleich jeder Staat mit seinen autonomen Mitteln zum Nutzen seines nationalen Standorts und der Erträge, die er daraus zieht. Dass einige Teile des EU-Haushalts dem Ziel gewidmet sind, nationale und regionale Standortnachteile auszugleichen, hebt diesen Widerspruch zwischen transnationaler Konkurrenz und nationaler Bilanz nicht auf; im Endeffekt unterstützt die Union damit vielmehr die brutale Sortierung des Kontinents in erfolgreiche und erfolglose Kapitalstandorte, die das freigesetzte Konkurrenzgeschehen herbeiführt.

      – Nach demselben Muster bewirtschaften die Euro-Partner nicht bloß die länderübergreifende Konkurrenz der Kapitale, sondern ein gemeinschaftliches Kreditgeld. Für das haften sie alle, und zwar formell alle gleichermaßen, mit ihren Schulden und dem Wachstum, das sie damit in ihrem Zuständigkeitsbereich zustande bringen. In Sachen Wachstum tut nun jeder Euro-Staat, was er kann, um seinen Standort kapitalistisch ertragreich zu machen – und genau so machen alle einander die Erträge aus der Kapitalakkumulation in ihrem großen Gesamt-Euro-Land streitig, mit denen sie für ihre Schulden und das Gemeinschaftsgeld einstehen. Mit ihrer Konkurrenz gegeneinander führen sie die Prämisse ad absurdum, auf der ihr gemeinsames Kreditgeld beruht, dass nämlich jede Nation gleichrangig mit allen anderen und mit einem gleichwertigen Verhältnis zwischen Schulden und Wachstum die Stabilität dieses Geldes verbürgt.

      Die gemeinsame Finanzkrise stellt diese Fiktion auf eine harte Probe; dadurch nämlich, dass das Finanzgewerbe den unproduktiv vermehrten Euro-Kredit insgesamt einer verschärften spekulativen Überprüfung unterzieht und seine nationalen Quellen auf ihre Zuverlässigkeit testet. An Griechenland beißen sich die Spekulanten fest. Und dass sie damit die Widersprüchlichkeit der ganzen Konstruktion aufdecken, gestehen die hauptverantwortlichen Euro-Politiker faktisch ein mit ihrer offen geäußerten Befürchtung, die Zulassung des Bankrotts eines Mitglieds würde unweigerlich den einiger nächster Kandidaten nach sich ziehen. Denn das heißt ja nichts anderes, als dass etlichen Mitgliedern im Ergebnis ihrer langjährigen Konkurrenzbemühungen die Fähigkeit abhanden gekommen ist, mit ihrem Kredit das gemeinsam genutzte Kreditgeld zu untermauern.

      3.

      Um den Fortbestand und das weitere Funktionieren des Euro-Systems zu retten, dementieren die Führungsmächte der Union mit aller Gewalt den politökonomischen Inhalt der griechischen Finanzkrise: „Die Märkte“ müssen überzeugt werden, dass Griechenlands Bankrott eine isolierte Entgleisung und durch eine bessere Haushaltspolitik zu bereinigen ist. Den Griechen fällt die unlösbare Aufgabe zu, ihren Staat durch Verelendung wieder kreditwürdig zu machen.

      Mit der Gefahr eines Offenbarungseids über die zerbröckelnde Basis des gemeinschaftlichen Kreditgelds ist für die Führungsmächte der Union schon klar, in welche Richtung ihre Bemühungen um eine Bewältigung der Lage gehen müssen. Eisern bestehen sie darauf, dass Griechenland in der Krise ist, und legen allergrößten Wert auf den Nachweis, dass die ihren ganzen Grund in Versäumnissen bei der korrekten Haushaltsführung hat, die man sich in Athen hat zuschulden kommen lassen. Es darf sich nur um einen Sonder- und Ausnahmefall handeln, der aber auch gar nichts mit den innereuropäischen Konkurrenzniederlagen zu tun hat, unter denen ja nicht nur Griechenland leidet; nichts Geringeres als die Lebenslüge der Währungsunion steht da auf dem Spiel. Damit steht fürs erste fest, was zur Rettung des vor dem Bankrott stehenden Mitglieds fällig ist: Der demonstrative und „die Märkte“ ultimativ überzeugende Wille ist gefragt, in Sachen Buch- und Haushaltsführung ab sofort nichts mehr verkehrt und alles so richtig zu machen, wie es bei der Gründung der Gemeinschaftswährung vereinbart worden ist. Aus Sicht der maßgeblichen Unionspolitiker hat ja bis zur Pleite Griechenlands das sanktionsbewehrte Versprechen, beim Wirtschaften mit Schulden auf Stabilität zu achten, als glaubwürdiger Ersatz für eine hinter dem Euro-Kredit stehende Garantiemacht und als Beleg dafür funktioniert, dass der Euro im kreditfinanzierten Wachstum der Partnerländer und deswegen auch in deren Finanztiteln eine unanfechtbar solide Basis hat. Also muss mit einer glaubwürdigen Neu-Inszenierung der Stabilitätsgarantie, die dem Euro seinen zehnjährigen Erfolgskurs beschert hat, jedes Misstrauen in die Güte des Geldes wieder zu erledigen sein, das sich an „den Märkten“ bemerkbar gemacht hat. Für das entsprechende Signal an deren Adresse sorgen die Zuständigen dann: Die griechische Staatsführung wird gleichsam unter EU-Oberaufsicht gestellt, auf Sanierungsgesetze für ihren Haushalt verpflichtet und auf deren pünktliche Umsetzung und Einhaltung hin kontrolliert. „Haushaltsdisziplin“ und „Sparsamkeit“ heißen die Maximen, auf die die griechische Staatsführung festgelegt wird, „um die finanzielle Stabilität der Eurozone als ganzer zu gewährleisten.“ (Erklärung des EU-Rats vom 11.2.2010)

      Die Lösung, die die EU da anstrebt, ist einigermaßen paradox: Griechenland soll fähig werden, für die Schulden, denen es eingestandenermaßen nicht gewachsen ist, wieder einzustehen und für jeden Euro fiktiven Kapitals, den es emittiert hat, zuverlässig zu haften; und zwar ausgerechnet dadurch, dass es seinen Haushalt zusammenstreicht, also dem nationalen Wirtschaftsleben alles wegkürzt, womit der Staat bislang noch so etwas wie Geschäft und Kapitalwachstum inszeniert hat. Ihm wird die Freiheit genommen, an der mangelnden Konkurrenzfähigkeit der nationalen Ökonomie etwas zu korrigieren und dafür Mittel zu mobilisieren; das Geschäftsleben des Landes wird nach Maßgabe der staatlichen Haushaltslage auf Schrumpfung programmiert; ausgerechnet dadurch soll das Missverhältnis zwischen der finanziellen Leistungsfähigkeit des Standorts und dem angesammelten Schuldenbestand des Staates in Ordnung kommen, und das nicht bloß in einer schöneren Zukunft, sondern so, dass der ganze akkumulierte Haufen längst uneinlösbarer Kredite bis zum letzten Euro seinen Wert behält bzw. entgegen dem Misstrauen der Märkte wieder in Wert gesetzt wird – nicht durch Wachstum, sondern durch die Dezimierung der staatlichen Kreditaufnahme.

      Das ist absurd. Doch für die EU kommt es fürs Erste gar nicht so sehr auf nachzählbare Erfolge an; viel mehr auf die glaubwürdige Demonstration des absolut kompromisslosen Willens der Union, Griechenland einer denkbar brutalen Sanierungspolitik zu unterwerfen, um so jeder Spekulation gegen den Euro den Boden zu entziehen. Dazu gehört dann allerdings auch das andere klare Signal an die Spekulantengemeinde, dass die Union sich die Basis ihres Kreditgelds nicht dadurch kaputtmachen lässt, dass pure Spekulation eines ihrer Mitglieder in den Bankrott treibt, sondern gewillt und fähig ist, Griechenland mit politischen Kreditgarantien zahlungsfähig zu halten. Diese Überlebensgarantie für Griechenlands Schuldenhaushalt muss freilich wieder so gestaltet werden, dass niemand an der Unverrückbarkeit der Klausel zweifelt, wonach jedes Land auf eigene Rechnung für Stabilität zu sorgen hat und ein

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