Der Fall Griechenland. J. Köper

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Der Fall Griechenland - J. Köper

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deren exemplarische Härte die Finanzmärkte davon überzeugt, dass die irgendwann und irgendwie doch unausweichliche Rettung des griechischen Kredits durch die Partner die Härte des Euro nicht beeinträchtigt.

      Die praktische Umsetzung dieses komplexen Programms zur Abwehr jeder Anti-Euro-Spekulation aus Anlass Griechenlands gestaltet sich dann so banal wie brutal: Alles, womit Land und Leute in diesem Staat bislang überlebt haben, ist zu opfern, um den Staatsschulden den Schein zweifelsfreier Haltbarkeit zu verschaffen und dadurch Schaden vom gemeinsamen Kreditgeld abzuwenden.

      An der Aufgabe hat die griechische Regierung sich zu bewähren, und da sind manche Zweifel laut geworden, ob sie das hinkriegt. Gar nicht ihren Willen betreffend: Die Regierenden in Athen haben sich alles, was sie in übergeordnetem EU-Interesse zu tun haben, schon auch als in ihrem eigenen liegend einleuchten lassen. Aber über das Volk macht man sich Sorgen. Das hat sich bei seiner Einrichtung im landestypischen Elend nicht jede Zumutung so einfach bieten lassen, die seine Herrschaft ihm auch längst vor ihrer Pleite und ganz ohne ausdrücklichen EU-Befehl auferlegt hat. Starke Gewerkschaften soll es da geben, die auch einen Generalstreik hinkriegen, der das Land für ein paar Tage lahmlegt; sogar – man denke nur! – Kommunisten treiben dort noch ihr Unwesen. Und nicht zuletzt unter linker Anleitung protestiert eine Menge Volk gegen Spekulanten und EU-Politiker, die das Land erpressen. Es ist nur so:

      Erstens hat eben dieses Land sich selbst „erpressbar“ gemacht. Der Staat hat sich die Spekulation auf seine Euro-Schulden für die Finanzierung seines Haushalts zunutze gemacht; er hat auf die Macht der EU als Mittel neuer ökonomischer und politischer Potenz gesetzt. Mit seinem Nationalismus, der Europa als Chance für den nationalen Aufstieg wahrgenommen hat, hat Griechenland sich von denen abhängig gemacht, von denen es sich jetzt so schlecht behandelt sieht.

      Zweitens lässt der Staat sich „erpressen“, weil seine Sachwalter jetzt erst recht genau darin ihre nationale Chance sehen: in den Diktaten der EU-Sparkommissare, die seinen Kredit retten sollen; und in Finanzmärkten, deren Akteure gerade demonstrieren, aus welchem Holz sie geschnitzt sind: Die riskieren mit ihrer Spekulation eher den Ruin ihrer eigenen Geschäftsgrundlage, als dass sie auf ein Geschäft verzichten – weil sie davon ausgehen und auch ganz locker davon ausgehen können, dass die Regierungen, mit denen sie ihr spekulatives Geschäft treiben, eher die Überlebensmittel ihres Volkes dezimieren als eine Gefährdung der Geschäftsgrundlagen des Finanzkapitals zulassen.

      Drittens nämlich lässt eine moderne demokratische Staatsmacht sich von allen Interessen „erpressen“, denen sie den Rang eines Sachzwangs zugesteht, sie also dazu macht; aber von ihrem Volk ganz sicher nicht. Schon deswegen nicht, weil ein demokratisch gefestigtes Volk alles andere im Sinn hat, als seine Obrigkeit zu erpressen – geschweige denn mit der Skrupellosigkeit, die die wahren Nutznießer des wahren hoheitlichen Nationalismus an den Tag legen. Das gilt auch für die protestierenden Griechen: Der Politik die Geschäftsgrundlage zu kündigen, kommt ihnen nicht in den Sinn. Sie protestieren im Gegenteil für ihre Nation, die sich von der EU und der Euro-Spekulation so schön abhängig gemacht hat. Zwischen die Notlage, in der das Land sich befindet, und die Nöte, die die Regierenden ihrem Volk vermehrt in Aussicht stellen, setzen sie ein ganz großes Gleichheitszeichen: Als Griechen sollen alle, seien sie Rentner, Tagelöhner oder Regierungschef, gegen die auswärtigen Erpresser zusammenstehen. Ein solcher Volksprotest ist eine einzige patriotische Bereitschaftserklärung: Wenn es dem großen Ganzen dient, ist man zu Opfern bereit.

      Da brauchen die Zuständigen ihrem Volk die programmierten Notstands- und Verelendungsmaßnahmen bloß noch richtig zu verdolmetschen.

      PS

      Dem deutschen Volk braucht man anscheinend gar nichts groß zu verdolmetschen. Den freischaffenden Wortführern der demokratischen Öffentlichkeit des Landes reichen jedenfalls ein paar Hetztiraden über mediterrane Faulheit, und schon ergreift das Publikum Partei. In der Sache für die Sache seiner Chefs, Wirtschaftsführer, Spekulanten, Politiker, EU-Machthaber. In der Vorstellung gegen „die Griechen“, die nichts Besseres als eine ordentliche Verelendung verdienen. Mit so einer Mischung aus Gemeinheit und Ignoranz hält ein braves Volk offenbar besser aus, was seine Chefs mit ihm so alles anstellen, damit es gar nicht erst so weit kommt wie in Griechenland.

      © GegenStandpunkt 2015

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