Eine Theorie des selektiven Bezugs. Kai Pege

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Eine Theorie des selektiven Bezugs - Kai Pege

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in ähnlicher Weise. Dass ein Hund bei der menschlichen Äußerung „Fritz“ aufhorcht, bemerkt, dass er gemeint ist, obgleich er die menschliche Sprache nicht versteht noch spricht, sich also angesprochen fühlt, weil man ihn zuvor über einen Zeitraum auf diesen Lautkomplex konditioniert hat, kann deutlich machen, dass ein praktisch angemessenes Verhalten auch ohne relevante konkrete Sprachkenntnisse möglich ist. Ein Angesprochenwerden und ein Ansprechen von Individuen überfordert Hunde keineswegs. Es handelt sich um rudimentäres Verhalten, das noch gar nichts mit Sprache zu tun haben muss und sich auch deutlich von der menschlichen Sprache abhebt: „Hund“, solange dieser Ausdruck nicht als Rufname etabliert wird, kann, je nach Kontext, ein allgemeines oder konkretes Wort sein. Rufnamen hingegen stehen ausschließlich mit Individuen in Verbindung. Wenn in einer Spielstraße z.B. „Peter“ oder „Mohammed“ erschallt, kann dieser Vorgang zu Verwirrung führen, weil solche Namen in Deutschland nicht selten sind. Quine hat von ‚singulären Termini‘ gesprochen (vgl. Quine, Willard v. Orman, 1974, S. 262); ich bleibe bei ‚Namen‘, halte aber eine Differenzierung von Ruf- und Eigennamen für empirisch relevant. In diesem Essay bezieht sich ‚Rufnamen‘ auf Lautkomplexe oder Buchstabenfolgen, die es ermöglichen, Individuen anzusprechen und Bedingung für eine Konditionierung sind. ‚Eigennamen‘ sind hingegen das Resultat einer solchen Konditionierung, vielleicht nicht unähnlich einem Brandzeichen, sähe man davon ab, dass solche Zeichen primär massenhaft vergebene Eigentumsmarken anderer sind. Namen müssen sich erst einprägen, bevor sie Eigennamen werden können, für das jeweilige Individuum wie auch für andere, die einem Individuum einen Eigennamen zuerkennen.

      Dass Namen Bezug haben, zumindest in den meisten Fällen, wird von Kripke vorausgesetzt, obgleich er etwas kokett fragt, ob überhaupt referiert wird (vgl. Kripke, Saul A., 2014., S.38/39). Kripke erhöht sogar die Namensgebung und Weiterreichung, indem der vergebene Eigenname als starrer Bezeichnungsausdruck (‚regider Designator‘) in allen möglichen Welten Geltung habe (vgl. ebd., S.59). Doch eine Namensgebung ist ein empirischer Vorgang, der durch ein Belieben der Namensgeber geprägt wird und durchaus unterschiedlichen Konventionen und Moden unterworfen sein kann. Nicht Bezug, sondern soziale Geltung scheint mir der relevante Begriff im Hinblick auf Namen zu sein, und zwar in mehrfacher Hinsicht: für diejenigen, die Namen als Rufnamen nutzen und auch als Eigennamen anderer anerkennen, ebenso für die Angesprochenen und die mit oder gar unter einem Namen Agierenden.

      Eine Diskussion von Eigennamen verführt dazu, sich auf bekannte Namen zu konzentrieren und eine Gewichtung hineinzulegen, die ihnen gesellschaftlich zukommt. In der Literatur ist z.B. von Aristoteles und Gödel (wie bei Kripke) die Rede, von Beethoven und von Goethe. Wie würden jedoch Fälle zu interpretieren sein, die gesellschaftlich weniger auffällig und im Hinblick auf das Leben von Individuen relativ ereignislos geblieben sind? Möglicherweise ließen sich Weitergaben von Namen verwechseln?

      Zu solchen Fällen könnten gesellschaftlich bedingte Namenswechsel gehören: Übernimmt ein Ehepartner bei der Heirat den Namen des anderen, wie dies bei Frauen lange Zeit üblich war, würde sich die Frage nach einem ‚regiden Designator‘ kaum stellen, der über Zeiten und Welten gleich bliebe, es sei denn in satirischer Weise. Vorkommnisse können sogar noch vielfältiger ausfallen, wenn nicht nur zu verschiedene Lebensabschnitten eines Menschen verschiedene Eigennamen treten, sondern auch verschiedene Funktionen einen solchen Eigennamen erhalten. Pseudonyme werden in der Regel in dieser Weise gebraucht, ob unter Schriftstellern, Musikern oder … Die umgangssprachliche Phrase ‚Pseudo-‘ deutet eine gesellschaftlich ideologische Abhängigkeit in Bezug auf Namen an, die primär eine praktisch orientierte ist, in der es um eine, umgangssprachlich formuliert, Identifizierbarkeit von Menschen geht, was immer auch amtlich oder auf der Straße darunter konkret verstanden wird.

      Eine Konzentration auf bekannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens hilft nicht weiter, wenn es darum geht, Namen und ihre Verwendung zu erläutern, weil der Bezugsrahmen viel zu klein wäre. Ohne die gesellschaftlichen Vorgänge zu berücksichtigen, die alltäglich sind, blieben die Ansätze eventuell hübsch und nett, doch vor allem unrelevant.

      Ich halte es für aussichtlos, Ruf- und Eigennamen in allgemeiner Weise sprachliche Bedeutungen und Bezüge zukommen zu lassen. Man könnte über gesellschaftliche Relevanz und Bekannheit sprechen, der Namen als auch der assoziierten Personen oder Sachen, doch als Bezug würde ich diese möglichen Assoziationen und deren gesellschaftliche Vielheit nicht ausgeben wollen. Eine Frage nach Namen ist nach meinem Ermessen überhaupt keine sprachtheoretische, sondern eine soziologische und psychologische, die z.B. statistisch aufzubereiten wären.

      Mir persönlich, dies sei eingestanden, bedeutet ‚Kai Pege‘ bezugsrelevant nichts. Mir kann lediglich deutlich werden, dass ich innerhalb eines konkreten Umfelds angesprochen werde, nicht ein anderer Mensch. Diese differenzierte Ansprechmöglichkeit, vergleichbar mit einem Stupser, ist jedoch primär einem Verhalten zuzuordnen, nicht Sprachlichem.

      Mit dem Ausscheiden von Symbolen, Zeichen und Namen als bezugsrelevante Parameter gewinnt die Sprache hinzu. Der praktische Nutzen, eventuell ein poetischer, der allerdings separat zu erläutern wäre, ebenso der theoretische im Fall mathematisch logischer Zeichen, schmälert sich dadurch nicht. Im Hinblick auf sprachliche Bezüge sind Symbole, Zeichen und Namen in der Regel ohne Relevanz.

      (1.3) Definite Beschreibungen und Bezüge

      Namensgebungen unter Menschen, obgleich sie in kleinen Rahmen gesellschaftliche Ereignisse sind, auch soziologisch untersucht werden können, entziehen sich der gesellschaftlichen Sprache. Gerade weil Namensgebungen im Hinblick auf Menschen überwiegend private Angelegenheiten sind, auch wenn gesellschaftliche Ansprüche und Moden eine gewichtige Rolle spielen, sind sie sprachlich ohne Relevanz.

      Dieses Engagement bei Namengebungen kann erläutern helfen, weshalb es schwierig sein kann, Eigennamen gesellschaftlich durchzusetzen, ihnen Geltung zu verschaffen: besonders in religiösen, politischen und wirtschaftlichen Zusammenhängen. Es bedarf Kampagnen oder breiter medialer Unterstützung, damit einige Namen in aller Munde landen, ebenso das, womit sie jeweils assoziativ verbunden sein sollen. Sprache ist ein gesellschaftliches Unterfangen. Die Eigennamen fließen durch ein solches Engagement in die Sprache ein, obgleich sie nicht dazugehören. Vielen Eigennamen ist jedoch eine Abkunft aus der Sprache anzumerken, weil sie, historisch weit zurückliegend, aus beruflichen oder örtlichen Zusammenhängen entstanden sind: ‚Müller‘ z.B., oder ‚von der Mühlen‘. Diese jedoch in einen Zusammenhang mit Individuen zu stellen, waren lokale Hilfskonstrukte, die, je weiter die Zeit und Weitergabe fortschreitete, waghalsiger, durch ein Zusammenwachsen von Orten, Regionen und durch die Verfielfältigung bei der Weitergabe nichtssagender wurden.

      Einen weiteren Schritt auf der Suche, was sprachlicher Bezug bedeuten könnte, komme ich vielleicht mit Formulierungen, die aus der philosophischen Tradition als sogenannte Kennzeichnungen bekannt sind, Beschreibungen, die unbestimmt (einer, eine, ein …) oder bestimmt (der, die, das …) sein können: als Beispiele führt Russel u.a. „the present King of France “ an (vgl. Russel, 1905, S.479) und fügt hinzu, dass eine solche Phrase erst eine Bedeutung durch den Kontext erhält (vgl. ebd., S.480).

      Eine definite Beschreibung, auch wenn sie einem Individuum zugeordnet ist, lässt sich nicht leichter als ein Eigenname wie z.B. ‚Peter Müller‘ erfassen, doch sie enthält Worte, die zumindest einen Beginn ermöglichen können. Zwar ließe sich auch ‚Peter Müller‘ in einen Kontext stellen, der Eigenname würde selber jedoch kaum etwas zur Auffindung einer bezugsrelevanten Bedeutung beitragen können, weil er gesellschaftlich zu weit zurückreicht, zu unspezifisch, zu unauffällig ist und zusätzlich noch zu häufig vorkommt.

      Aber es gibt Eigennamen, die als definite Beschreibungen fungieren können, ‚das Ruhrgebiet‘ ist so eine. Doch es fehlt, um die Unvollständigkeit für einen Bezug hervorzuheben, in dieser sprachlichen Form eine Angabe der relevanten Zeit bzw. der Zeitspanne. Auch wird keine Existenz behauptet, noch eine örtliche Orientierung gegeben, noch eine Eigenschaft angeführt. ‚Das Ruhrgebiet‘ könnte, würde man es bei der

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