Eine Theorie des selektiven Bezugs. Kai Pege
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Vom Kontext und Umfeld kann allerdings auch abhängen, wie exzessiv oder / und formalisiert man die Ansprüche an eine ein- und abgrenzende Beschreibung betreiben möchte. Sogar im Hinblick auf Eigennamen. Dass z.B. Bertrand Russel lebte, wann und wo, würde im vorliegenden Kontext allenfalls lustig klingen, nicht nur weil er relativ bekannt ist, sondern weil der vorliegende Kontext ein philosophischer ist, kein biografischer.
Sprachliche Bezüge, ob zur Empirie oder zu empirisch oder logisch mögliche, ja sogar zu empirisch oder logisch unmögliche Welten, allesamt als Bestandteile von Wirklichkeit, sind nicht einfach da, sie müssen erst geschaffen werden. Aus Texten führt kein Fingerzeig hinaus; alles ist sprachlich zu leisten. Ein anfängliches Sprachlernen, das vergleichsweise behavioristisch geschieht, kann, wie Quine hervorhebt, nur demonstrieren, dass ein Kind Gegenstände unterscheidet, jedoch nicht, dass es auch Bezugnahmen versteht (vgl. Quine, Willard v. Orman, 1976, S.119). Quine ist freilich einseitig auf (Natur-)Wissenschaften ausgerichtet. Doch über Gegenstände zu sprechen, ich spreche im vorliegenden Kontext lieber über Sachen und Sachverhalte, ist weitaus komplizierter, als mit Lautfolgen und Fingerzeigen umzugehen.
Bezüge sind entstanden, sobald deutlich geworden ist, worüber gesprochen wird. Dies gilt für die Wissenschaften und die Philosophie ebenso wie für Poetiken. Die Mittel differieren, eine poetisch imaginäre Welt kann sich von einer empirischen unterscheiden, z.B. wenn Worte in ungewöhnlicher Weise genutzt werden; eventuell wird durch den Einsatz von poetischen Mitteln zunächst nur eine Oberfläche erfahrbar, doch dass diese erfahrbar wird, ist Resultat der Sprache. Ein logisches Kalkül kann hingegen ganz in sich ruhen, völlig bezugslos. Erst im Fall einer Integration von mathematisch logischen Verfahren in einen bezugshaften Kontext, bereits die theoretische Physik nutzt ein solches Vorgehen, werden Aussagen über etwas getroffen, wie z.B. in der allgemeinen Relativitätstheorie.
Der Weg von definiten Beschreibungen hin zu Kontexten, durch die erst Bezüge entstehen können, lässt die Frage aufwerfen, wie umfangreich diese sein müssen, damit derartiges geschehen kann. Eine Antwort auf die Frage hängt davon ab, was im jeweiligen Fall vorausgesetzt werden kann. Es eröffnet sich ein pragmatisches Problem, das allgemein gar nicht eingrenzbar und lösbar ist. Eine wissenschaftliche Hypothese kann das Wissen eines gesamten Fachs voraussetzen, Quine spricht in diesem Kontext von wissenschaftlichem Holismus (vgl. Quine, Willard v. Orman, 1995, S.18 ff.), doch damit nicht genug, manche Probleme lassen sich nur lösen, wenn man über Fächergrenzen hinausschaut. Dies geschieht ohnehin, doch nicht immer zum Vorteil: Die physikalisch orientierte Modellökonomie ist spätestens im Zuge der weltweiten Finanzkrisen ersichtlich an Grenzen gestoßen. Mit ihr lassen sich die Entwicklungen nicht erklären. Und eine pragmatisch durchaus verständliche Abschwächung der Krisen als Sonderfälle, um zu einer sogenannten Normalität zurückkehren zu können, macht fraglich, ob überhaupt ein Interesse an Wissenschaft besteht. Relevante Kontexte reichen aber noch viel weiter: Wissenschaften, Philosophie und Poetik setzen Sprache und ein sprachliches Differenzierungsvermögen voraus.
Quine spricht über Gegenstände, weil die Worte der Sprache überwiegend von Gegenständen handeln. Dies ist leicht nachzuvollziehen, berücksichtigt man die Menge an alltäglichen Dingen, mit denen Menschen umgehen und auf die man sich beziehen kann (vgl. Quine, Willard v. Orman, 1980, S. 17 ff.).
Es wäre aber zu kurz gefasst, lediglich alltägliche Dinge wie Schreibtisch und Kühlschrank zu berücksichtigen. Auch Abstaktes wie Zahlen, Attribute und Klassen spielen eine Rolle. Deshalb spricht Quine allgemein von einem Sprechen über Gegenstände (vgl. Quine, Willard v. Orman, 1975, S. 7 ff.).
Von menschlichen Sinnen erfasst werden biologischen Beobachtungen nach jedoch nicht Gegenstände, sondern Qualitäten wie Farben und Klänge (vgl. z.B. Maturana, Humberto R., 1985). Die menschliche Wahrnehmung entsteht erst im Gehirn.
Sprachlich ändert sich dadurch jedoch wenig: dass die menschliche Wahrnehmung von Wahrnehmungsbedingungen abhängig ist, haben bereits Hume und nach ihm auch Kant formuliert. Was außerhalb solcher Bedingungen liegt, ist unzugänglich. Dass zu diesen Bedingungen gehört, neuronal eine äußere Welt in komplexer Weise entstehen zu lassen, ändert zunächst nicht viel, philosophisch betrachtet. Die physiologisch entstehende Innen-Außen-Relation ist ein Produkt des Gehirns, gehört zu den Wahrnehmungsbedingungen. Was außerhalb dieser Bedingungen geschieht, bleibt weiterhin unzugänglich. Doch der biologische als auch neurologische Gewinn ist kaum zu unterschätzen.
Die philosophische Tradition bietet den Grund, weshalb ich eine Formulierung ‚Konstruktivismus‘ für die Philosophie ablehne, es sei denn man verfolgt eine solipsistische Ausrichtung, in der eine Existenz von Außenwelt bestritten wird oder als erfunden gilt. Mit solchen solipsistischen Einschätzungen würde man sich jedoch außerhalb der Wahrnehmungsbedingungen bewegen. Dass bei Menschen etwas hineingelangt, dass Sinnesreizungen zu beobachten sind, lässt sich kaum leugnen. Und wenn sich ‚Erfindung‘ nicht mehr abgrenzen lässt, weil alles erfunden ist, dann sagt dies Wort nichts mehr aus. Ein solcher Überschwang wäre nicht zu rechtfertigen. Auf eine Diskussion dieser „Kognitionswissenschaft“ (vgl. Schmidt, Siegried, J., 1987, S.13) verzichte ich im vorliegenden Kontext.
Es ist philosophisch nicht unüblich, allgemein von Gegenständen der Wahrnehmung, der Erkenntnis oder der Erfahrung zu reden; Kant hatte dies in exzessiver Weise betrieben. Über Sachen und Sachverhalte zu sprechen, anstatt über Gegenstände, ist ein Resutat sprachlicher Erwägungen. Im Englischen, dessen bin ich mir bewusst, gibt es für diese Worte kaum adäquate Übersetzungen. ‚Sache‘ wird zumeist mit ‚thing‘ (Ding), ‚Sachverhalt‘ mit ‚facts‘ (Fakten, Tatbestand) übertragen. Der Grund ergab sich aus einer speziellen Einbeziehung der deutschen Umgangssprache: Worte ‚Sache‘ sind in dieser allgemeiner als Worte ‚Ding‘ oder ‚Gegenstand‘, die sich in der Regel auf abgrenzbare physikalische Gebilde wie Tisch und Stuhl beziehen können, weniger auf konzeptionelle Gegenstände, ob logische oder poetische. Darüberhinaus weist ‚Sachverhalt‘ auf eine, allerdings unbestimmte, komplexere Gestalt hin; dies kann bei Beschreibungen hilfreich sein.
Ist man bereit, zu den biologischen Wahrnehmungsbedingungen von Menschen auch die neuronal aufwendig produzierte Innen-Außen-Relation zu zählen, ohne angeben zu können, was außerhalb dieser geschieht, sind Sachen als auch Sachverhalte nur innerhalb dieser Relation lokalisier- als auch erfassbar. Wie neuronale Prozesse in anderen Tieren vorgehen, ob dort Sinnesreize, wie sie die Biologen beobachten, anders verarbeitet werden, eventuell ohne Produktion einer aufwendigen Innen-Außen-Relation, die man scherzhaft als Heimkino beschreiben könnte, vermag ich nicht zu beurteilen, ist im Kontext dieser Studie jedoch auch nicht erforderlich.
Wie aber wäre eine Reizbedeutung von Worten unter den angeführten physiologischen Bedingungen aufzufassen, die Quine wie eine empirische Absicherung sprachlicher Bedeutungen und Übersetzungen einführt und als eine „Klasse aller Reizeinflüsse“ fasst (vgl. Quine, Willard v. Orman, 1980, S. 69)? Solange man Reizeinflüsse unter die physiologischen Wahrnehmungsbedingungen stellt, würde sich wenig ändern. Es wäre lediglich darauf hinzuweisen, dass zur Voraussetzung nicht nur Reize, sondern auch eine vergleichbare Reizverarbeitung verschiedener Menschen gehört, damit eine solche Absicherung überhaupt in Erwägung gezogen werden kann. Im experimentellen Beispiel, in dem der Reizbedeutung eine besondere Rolle zukommt, ein aufmerksamer Ethnologe herauszufinden sucht, worauf sich der Lautkomplex ‚Gavagai‘ von Einheimischen bezieht, dient letztlich dieselbe Reizbedeutung als Maßstab (vgl. ebd., S.70). Mit dieser formalen Fassung ist das Übersetzungsproblem jedoch nicht behoben. Quine führt Gründe an, weshalb dieser Behaviorismus scheitert: ob eine identische Reizbedeutung vorliegt, lässt sich im Kommunikationsprozess zwischen Ethnologe und Einheimischen nicht ermitteln, sogar eine Unbestimmtheit bleibt letztlich unzugänglich (vgl. ebd., S.137-147). Sein Urteil fällt in später entstandenen Schriften im Hinblick auf Übersetzungsvorgänge noch düsterer aus: „Es besteht noch nicht einmal Hoffnung, so etwas wie eine Kodifizierung der einschlägigen Prodzeduren erreichen zu können, um dann vielleicht durch Angabe