Die Unworte. Horst Hartleib

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Die Unworte - Horst Hartleib

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für die Fahrlässigkeit, ihn wider ungebessertes Unwissen großverzogen zu haben. Wie ein neues Parfum will seine Verunziertiere jeder haben. Ausgewachsen ist er erübrigens in der Armetei, in der Kleptokratie Unbedeutschland, hinter dem bleiernen Vorhang, im ausgeerzten Erdsgebirge, im Gau Grau. War in der Schule nicht gut, aus Unmotivation, weil es keinen Grund gab zu lernen, aber einen wichtigen Grund, um nicht zu lernen: das Nichtwissenwollen, das „Nicht zu Kenntnis nehmen wollen der Realitätlichkeiten” in der pubertierenden IgnoRanz“. Verlernen, vorlautet die unschöne VerFormulierung des Unsach(lichkeits)verhaltes. Er blieb wegen Unkonzentriertheit und (Un)Rechtschreibschwäche (orthopädigraphischer Zuwiderwort-Völlerei) in seiner Qualheimat Grau sitzen, musste einen ungeliebten Brotberuf ergreifen, begann als Jugendlicher mit seiner Untier-Unzucht als sogenanntes Hobby. Er hat zu lange das Unwissen höher geschätzt, als das Wissen. Er war (unver)schon als ganz junger Unmensch ein „Unzulänglicher“, ein körperlich und geistig Missgestaltiger. Er soll durch eine schlecht operierte Hasenscharte, schon früh eine Glatze, unrechtes und linkes Hinken, angeblich zwei Glasaugen, ein asymmetrisches Gesicht und durch diverse andere Alleinentstellungs- und Unschönheitsmerkmale, mehr aber noch durch sein Unwesen, verunstaltet gewesen sein. Daher hat ihn entstellvertretend interessiert, mit welchen Mängeln eine Kreatur trotzdem überleben kann. Gewissenlosermaßen das Existenzminimum ungeistiger Verarmung. Der Schöpfer der Unarten ist ein Erschöpfer der Indivi(eh)duen. Wie sieht er aus, der Leibhaftige? Tritt er úns nicht (unan)ständig in anderer Gestalt gegenüber? Aber bei derartiger Unschönheit kann man ihn, selbst ohne ihn zu kennen, schwer verkennen. Allein unverschon an der Unwortwahl, der neolalischen Sprachqual.

      „Er will, er ist, … das klingt ja, als ob er noch lebt oder untot ist“, unterbrach der befremdende Fremde den Hölzel ungelegentlich, der darauf nicht einging.

      An Vor(miss)bildern gebricht es durchaus nicht, hat der UnSchöne oft schwadroniert. Dafür muss man nicht einmal die lange Unmenschlichkeitsgeschichte bemühen. In Überlieferungen aus dem Mittelalter beispielsweise wimmelte es von anthropomorphen Monstern und Chimären, an Mannig(ein)fältigkeiten wie Poly- bis Azephalen, kopfreichen oder kopflosen Menschen mit Augen an den Schultern und Nase und Mund auf der Brust. Oder Androgyne, zweigeschlechtliche, die sich wie Weinbergschnecken mit Liebespfeilen duellieren um zu entscheiden, wer wen befruchten darf. Diverse perversgestaltige Anthropoide wie die Astomoren, Mundlose, die nur von Gerüchen oder nur von oder in Gerüchten leben sollen. Unferner die zweiköpfigen (Bicepalen); Ponkier mit knielosen Beinen, einem Penis auf der Brust und Pferdehufen, denen man als Zentauren bei Arno Schmidt unbegegnen kann. Phytier mit überlangen Hälsen und Armen wie Sägen. Skiapoden, die mit ihrem einzigen Bein blitzschnell laufen können und das sie beim Liegen über sich halten, um im Schatten ihres einzigen riesigen Fußes auszuruhen. Oder das Einhorn mit dem Nar(ren)walhorn auf der Stirn, das vom Duft der Jungfräulichkeit angelockt und in der Befangenheit gefangen werden könne. Und lebe nicht auch er vorwiegend von den Gerüchten? Oder die diversen perversen Physica curiosa, Missgeburten, Obskuritäten und Obszönitäten? Oder die Gemälde beispielsweise von Hieronymus Bosch oder Salvator (Erlöser) Dali, die einem UnSchöne ungeradezu Unzuchtvorlagen oder -vorlügen sein könnten. Er begann, durch diverse Vor(miss)bilder aus derunartigen Büchern inspiriert, mit seinen perversen Unzuchten, nachdem er einen kleinen Bauernhof von seinen Eltern geerbt hatte; unter dubiosen Umständen erübrigens. Die Leute munkeln, er habe seine Eltern in den Wahnsinn und in den Suizid getrieben, und das nicht nur versehentlich. Dann konnte er auf dem Hof ungehindert mit Untieren experimentieren. Er wurde von der Bevölkerung angefeindet und von seinen Hofhunden, einer Hundertschaft vereidigter Nahkampfhunde, verteidigt. Gegenüber Verdächtigungen rechtfertigte er sich damit, dass er in seinem „Tierheim“ (von der Dorfbevölkerung „Untierheim“ genannt) missgebildete Tiere aufnehme und pflege. Das Ganze spulte sich wie versagt ab in der östlichen Armetei im ausgeerzten Erdsgebirge im Dorfe Grau, hinter der G’auf-Grenze, in der (ver)zwei(fel)ten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, nach unverschon zuwider einem verlorenen Krieg nun im Selbstbekrieg (SchildBürgerkrieg) einer Unperson. Die G’auf-Grenze is(s)t eine Unart WerWeißwurst-Äquator. Die Erinnerung an den UnSchöne ungleicht einer ungeistigen UnzuchtZimmerreise an seinen Selbstverwurstungsäquator. Oder sind die Unzuchten eine Unart (Ent)Stellvertreterkrieg? Ein Selbstentstell-Stellvertreterkrieg, nach dem Motto, was du nicht selbst aushalten kannst, das tu wenigstens anderen an.

      In meiner damals noch engen, betörend nach Hundekuchen duftenden Zoohandlungen in der für Grau zu(an)ständigen Gauhauptstadt Densche hat er seine ersten Qualzuchten vermarktet. Da ist er eines Tages in der Tür gestanden, hat das Glöckchen über der Ladentür noch mal gezogen und gefragt, ob er die Fischmumien unter den Aquarien-Stellagen zusammenkehren darf. Dann hat er mir seine ersten Ballonmollys angeboten. Wie ein fieser Elvis, der seine erste (Schlachter)Platte unrein für den Hausmissbrauch für seine aller(un)dings tote Mutter besingen will, ist er mir eines schönen Tagen in den Umwegen unverstanden und hat genervt. Obwohl das alles Krüppel und Verrecker waren habe ich einige in Kommission genommen. Aus Mitleid mit den Viechern und mit ihm und weil er mir immer den Ausschuß abgekauft hat, die Federfresser und Bauchrutscher, die siamesischen Zwillinge. UnTiere mit Defekten, die sonst niemand auch nur um sonst haben wollte. Ma®terialbeschaffung hat er das blasphemisch genannt. Das war das Ausgangsmaterial für seine Qualzuchten. Was andere Züchter ausgemerzt haben, das waren seine ersten Zuchtziele. Aber die Kunden fanden die Ballonmollys „einfach süß“ und kaufen das Ausstellungsbecken in kurzer Zeit leer. Das Kindchen-Schema, welches Pflegeinstinkte auslöst. Erst war ich erstaunt und zugegeben auch verunsichert, als versierter Händler den Kundengeschmack so falsch eingeschätzt zu haben. Aber bald war mir klar, ich verkaufe Mitleid oder das ist eine (Un)Art Ablasshandel. Der UnSchöne hat am Geschmack der Leute vorbei gezielt, nur auf den Gewinn geschielt, aber ihn trotzdem getroffen, den schlechten Geschmack. Das macht betroffen, lässt aber auch hoffen. Durch Danebentreffen Betroffenheit erzeugen, das ist auch das Geschäftsprinzip des Messerwerfers. Das war ja eine regel(un)rechte Kaufhi®sterie! Die Leute übelwollen etwas Absonderliches haben, mit dem sie die eigene (enteignete) Normalidiät kaschieren können? Wenn eine einzelne dieser Missgeburten unter vielen gesunden Fischen gewesen wäre, dann hätte den nie jemand gekauft. Nun ist es so, dass in einem Becken mit lauter Ballonmollys ein versehentlich hinein geratenes normales, gesundes Tier als abweichend abgelehnt wird. Unter Missratenen ist der Krüppel kein Krüppel mehr. Wenn das Missratene Normalität ist, dann erkennt offensichtlich niemand seine Entartung. Das gibt zu denken! Wenn alle nuscheln würden, wäre es eine Behinderung, nicht zu nuscheln. Wenn alle wie der UnSchöne wären, was Gott verhindern möge, wäre der UnSchöne normal! Das kann nicht normal sein! Zum seinem Leid(un)wesen kann man gezüchtete Tiere nicht zum Patent anmelden, und nicht einmal wie Neuzüchtungen von Pflanzen als Sorten, weder Zucht- noch Unzuchtformen. Und ich habe mich dabei in Verdacht gehabt, dass es mir weniger um den Umsatz ging, sondern dass ich beim Verkauf seiner Unzuchten viel über die Abgründe in den Seelen der Menschen und vielleicht auch in meiner lernen könnte. Und über Entartung. Dazu habe ich die simplen Fachsimpeleien des neuunzeitlichen Simplizissimus UnSchöne über mich ergehen lassen müssen. So untauglich die kruden Theorien dieses Kleinungeistes auch erschienen, er hatte das, was man in der Pflanzenzucht den „grünen Daumen“ nennt, auf die Qualzucht übertragen den „blutigen Daumen“. Ich habe mir dieses Geschwätz oft genug anhören müssen, um es mit seinen Worten zuwidergeben zu können. Die sogenannten Gebrauchszuchten seien oft Anfangs noch klug genug, um nicht zu verkennen, dass sie Missbrauchszuchten sind, dass die Sklaverei in die Sklavenzucht auszuarten droht und stellten sozuversagen aus Protest ihre Reproduktion ein. Erst mit der Domestikation (der Fachmissbegriff in der zuungehörigen UnSchöne’schen Untätersprache lautet Käfickung) lassen sie alle Hüllen und Hemmschwellen fallen, werden hemmungslos reproduzierbar und bastard/tierbar. Domestikation ist Demoralisation, ein Verlust des Stolzes, der Wildheit. Mit der Entbindung des Zwanges zur Freiheit können sich die Unarten ungehemmt entfalten und vermehren. Verwicklungsgeschichtliche UnzuMutationen, Unarten die unter dem Zwang zur Freiheit gnadenlos unterdrückt und ausgemerzt, ausselek(un)tiert (un)würden, pflanzen sich fort und fort, immer weiter weg von der Ausgangsspezies. Die Art domestiziert und zivilisiert sich zur Unart, zur Dekadenz, zum Nieder(ver)gang, von (De)Generation zu (De)Generation. Fähigkeiten, wie die zur Freiheit werden gegen Unfähigkeiten, gegen Ab(un)artiges eingetauscht, Natürlichkeit gegen (Un)Kunst. Die Unzucht sei eine

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