Otto mit dem Pfeil im Kopf. Horst Bosetzky

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Otto mit dem Pfeil im Kopf - Horst Bosetzky

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lachte. »Dann nimm meines!«

      So versuchte es also der Knappe mit dem Schwert seines Herrn, während Ulric selbst seine Lanze benutzte, um eine Grube auszuheben, die tief genug war, um Cuntz’ Leichnam davor zu bewahren, von Bären, Wölfen und Luchsen gefressen zu werden. Sie schufteten im Schweiße ihres Angesichts, immer in Gefahr, vom nächsten Pfeil erwischt zu werden. Aber Ulric hatte ihre beiden Pferde so angebunden, dass sie einen lebenden Wall zwischen dem Grab und der Nuthe bildeten. Nachdem sie ihre Hände als Schaufeln eingesetzt hatten, war es endlich so weit, dass sie den armen Cuntz in die Grube hinablassen konnten.

      Sie sahen auf den Toten hinab und falteten die Hände.

      Ulric von Huysburg sprach die letzten Worte: »Dein Leben war kurz, und du wärst ein gefeierter Sänger geworden, aber wer sein Leben erhalten will, der wird’s verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s finden. So steht es bei Markus. Und du, lieber Cuntz, bist gestorben, weil du die Worte des Herrn ins Land zwischen Elbe und Oder tragen wolltest. Der Herr segne und behüte dich, Friede deiner Asche!«

      Während nun Bogdan-Otto die aufgeworfene Erde in die Grube schob und einen Grabhügel aufhäufte, zimmerte Ulric mit Hilfe seines Schwertes und seines Dolches ein Kreuz und schnitzte den Namen Cuntz und die beiden Jahreszahlen ins weiche Holz: * 1134 † 1157.

      Als das erledigt war, setzten sie schweigend und in gedrückter Stimmung ihren Ritt nach Spandow fort.

      Im Refektorium des Benediktinerklosters zu Ballenstedt saß im Frühjahr 1157 Albrecht der Bär mit seinen Söhnen und Töchtern beisammen, um Rat zu halten.

      »Wir sind umgeben von Feinden«, klagte er. »In Magdeburg hat der Erzbischof großen Hunger auf neue Ländereien, in Braunschweig ist es Heinrich der Löwe, in Meißen der Markgraf, in Thüringen der Landgraf, in Polen sind es die Piasten und in Böhmen die Přemysliden …«

      »Was höre ich da?«, rief Gertrud, die seit 1153 mit einem Přemysliden verheiratet war. »Mein Mann wird die Kreise seines Schwiegervaters ganz sicher nicht stören. Und außerdem will er im nächsten Jahr mit dem Barbarossa nach Italien ziehen.«

      »Ja, auf deine Töchter kannst du bauen!«, stimmte Hedwig ihr bei. Sie hatte mit fünfzehn Jahren Otto den Reichen aus dem Geschlecht der Wettiner zum Manne genommen. »Wenn Otto Markgraf wird, und das ist in Kürze der Fall, dann werde ich ihn schon davon abzuhalten wissen, einem Askanier in die Quere zu kommen.«

      Albrechts Sohn Otto mischte sich ein: »Schön wär’s! Die Wettiner drängen zur Ostsee, und daran kann sie auch keine Hedwig von Ballenstedt hindern. Unser Vater möge noch lange leben, aber eines Tages werde ich seine Lasten zu tragen haben, und da weiß ich schon, was auf mich zukommen wird.«

      Sein Bruder Siegfried, der vor zehn Jahren ins Kloster Unser Lieben Frauen in Magdeburg eingetreten war und seine Zukunft als Geistlicher sah, ging beschwichtigend dazwischen. »Alles, was ihr bittet im Gebet, wenn ihr es glaubet, werdet ihr’s empfangen.«

      »Na fein«, murmelte Albrecht, »dann bete ich nachher, dass sich meine Nordmark in den nächsten Jahren von ihrer Größe her mindestens verdoppelt, wenn nicht gar verdreifacht.«

      »Wie schön, dass sie uns wenigstens noch die magerste Sau im kaiserlichen Stall gegönnt haben«, sagte Otto.

      Bernhard war noch zu jung, als dass er sich zu Wort gemeldet hätte, und Dietrich wie Adalbert hatten sich längst damit abgefunden, über die Region hinaus keine Bedeutung zu haben. Sie sollten Graf von Werben beziehungsweise von Ballenstedt werden.

      Im Weiteren drehte sich das Gespräch um Familiäres, vor allem darum, wann die beiden Töchter wohl ihr erstes Kind zur Welt bringen würden. Alle hätten darauf schwören können, dass es im Jahre 1158 sein würde.

      »Auf alle Fälle sollte sich vor dem nächsten Kreuzzug Nachwuchs einstellen«, lästerte Siegfried. »Denn wenn eure Männer da mit nach Süden ziehen, dann …«

      »Morgen brechen wir nach Spandow auf«, verkündete Albrecht. Es sei an der Zeit, sich mehr um den östlichsten Außenposten der Askanier zu kümmern.

      Im 4. Jahrtausend v. Chr. hatten sich im Gebiet um Spree und Havel Kulturen mit Ackerbau und Viehzucht herausgebildet, seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. siedelten sich verstärkt Germanen an, nach alten Quellen waren es die Semnonen, die zu den Sueben gehörten, und die Burgunden. Im 4. und 5. Jahrhundert n. Chr. verließen sie – bis auf einige Restgruppen – das Land der späteren Mark Brandenburg und wanderten Richtung Oberrhein und Schwaben. Ab dem 6. Jahrhundert strömten dann Slawenstämme in die Gegend um die Lausitz und um das Jahr 720 auch in den Berliner Raum. Sie übernahmen die alten germanischen Standorte, siedelten sich aber auch in noch unbewohnten Landstrichen an. Etwa seit dem 7. Jahrhundert wurde das Havelland von den slawischen Hevellern besiedelt. Einer ihrer wichtigsten Orte war Spandow, wo sie am Zusammenfluss von Havel und Spree einen Burgwall errichteten. Aus dieser Anlage war bis Ende des 10. Jahrhunderts eine befestigte Burganlage entstanden, die nun zu einem wichtigen Stützpunkt der Askanier ausgebaut werden sollte.

      Ulric von Huysburg und Bogdan-Otto hatten sich mühsam ihren Weg durch Sumpf und Heide gebahnt und hofften, noch im Laufe des Nachmittags in Spandow anzukommen.

      »Wenn sie wenigstens schon einen Kirchturm hätten, an dem man sich orientieren könnte«, klagte Ulric von Huysburg.

      »Na szczęście, na dłuższą metę tylko w stanie«, sagte Bogdan-Otto. Ulric musste nur kurz überlegen, dann hatte er es übersetzt: »Glück hat auf Dauer nur der Tüchtige.«

      Und Glück hatten sie in der Tat, denn als sie am Spreeufer angekommen waren, fanden sie ein Floß aus Kiefernstämmen, das tragfähig genug war, sie und ihre beiden Pferde zum Zeltlager der Askanier zu bringen. Das Wappen des Grafen von Ballenstedt grüßte herüber.

      Als sie auf der Burgwallinsel an Land gegangen waren und ihre Pferde am Zügel führten, kam ihnen ein Mann entgegen, der Ulric auf den ersten Blick herzlich unsympathisch war. Alle Ritter, die nichts weiter waren als ein aufgeblasenes Etwas, die hasste er.

      »Was wollt Ihr hier?«, herrschte der Mann Ulric von Huysburg an.

      »Den Markgrafen sprechen.«

      »Und wer seid Ihr?«

      »Ulric von Huysburg. Vom Himmel geschickt, die Nordmark sichern zu helfen. Und mit wem habe ich die Ehre?«

      »Du kennst mich nicht?«

      Diese Arroganz reizte Ulric nun doch. »Nein. Etwa Gottfried von Bouillon?« Das war eine Beleidigung, denn der große Heerführer des Ersten Kreuzzugs war schon im Jahre 1100 in Jerusalem verstorben.

      Der askanische Verwalter Spandows riss seinen Dolch aus dem Gürtel. »Du wagst es?«

      »Ja.« Im Nu hatte Ulric mit einem Tritt seines rechten Fußes dem anderen die Waffe aus der Hand geschlagen und sie wieder aufgefangen, nachdem sie in hohem Bogen durch die Luft gesegelt war. »Wenn ich dir nicht deinen fetten Bauch aufschlitzen soll, dann nenne mir doch bitte deinen Namen, damit ich dich höflich anreden kann.«

      »Wiprecht von Wandsleben«, presste der andere hervor.

      Ulric dachte an Wanze, unterdrückte aber eine entsprechende Äußerung, um Wiprecht nicht weiter gegen sich aufzubringen. Schließlich waren sie Waffenbrüder und sollten alle Kraft einsetzen, ihr gemeinsames

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