Otto mit dem Pfeil im Kopf. Horst Bosetzky

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Otto mit dem Pfeil im Kopf - Horst Bosetzky

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antwortete der mit der Hasenscharte.

      Die beiden Posten musterten ihn mit dem größtmöglichen Misstrauen. Ulric von Huysburg erschrak. Hatte sein bestes Slawisch in ihren Ohren nur geklungen wie eine Ansammlung von Phantasielauten? Sollte er vergeblich tagelang mit Bogdan-Otto geübt haben?

      Nein, die beiden Sprewanen hatten ihn wohl verstanden. Aber dass ein Königssohn ohne Tross durch die Lande zog, das erschien ihnen verwunderlich.

      Ulric stöhnte auf, als er ihre Bedenken vernommen hatte. »Meine Begleiter sind alle ums Leben gekommen, als wir beim Übergang über den Rhin von einer Gruppe der Zamzizi angegriffen wurden. Ich bin der Einzige, der entkommen konnte.«

      Das war mit derartig großer Schauspielkunst vorgetragen worden, dass ihm die beiden Posten Glauben schenkten und ihn in die Burg führten, wo sie einen Knecht anwiesen, sein Pferd zu versorgen und ihn zu Jaxa zu führen.

      Er möge warten, hieß es vor dessen »Palast«. Ulric von Huysburg nutzte die Zeit, sich unauffällig umzusehen. Auf dem Rand des Brunnens lag eine Münze. Sie zeigte Jaxa mit Palmenzweig und Doppelkreuz, also mit christlichen Symbolen. Ulric machte sich noch einmal klar, dass Jaxa erstens Christ war und zweitens polnischer Fürst, ein Vasall der Piasten. Deren Königreich befand sich zwar in der Krise, man war aber noch immer darauf aus, nach Westen zu expandieren.

      Ulric setzte sich auf den Brunnenrand, schloss die Augen und genoss die Frühlingssonne. Als er Stimmen hörte, öffnete er sie wieder. Zwei Frauen kamen aus einem der Nebengebäude, hölzerne Eimer in der Hand. Offenbar wollten sie Wasser holen, schreckten aber zurück, als sie ihn, einen Fremden, sahen.

      Er sprang auf, schnellte ein paar Meter zurück und machte eine einladende Handbewegung. »Bitte sehr, die Damen, tretet doch näher, vor mir braucht niemand Angst zu haben.«

      Die beiden Frauen berieten sich kurz.

      »Miluša, geh du voran«, hörte er die Ältere flüstern.

      Ulric von Huysburg war im Nu entflammt. Es erschien ihm, als würde das Blut heiß durch seinen Körper strömen, und wäre sein Gemächt nicht so eng eingeschnürt gewesen, hätte er seine Erektion nicht verbergen können. Miluša. Eine Schönheit wie sie in einem Sprewanennest zu finden, hätte er nicht für möglich gehalten. Sie tat zwar schüchtern, doch als sich ihre Blicke trafen, zögerte sie eine Sekunde zu lange, den ihren zu senken. Ulric wusste, das konnte was werden, aber hier in der engen Burg gab es mit Sicherheit kein Plätzchen, wo man ungestört der Minne frönen konnte. Wenn er sie nun auf sein Pferd hob und mit ihr davonsprengte? Sein Pflichtbewusstsein verbot es ihm. Aber vielleicht gab es doch noch eine Möglichkeit?

      »Du bist die Tochter des Fürsten?«, fragte er.

      Sie lächelte. »Weiß man’s?«

      Die Ältere verbot ihr, so zu reden. »Das lass nicht deinen guten Vater hören.« Sie fixierte Ulric von Huysburg. »Wer seid Ihr eigentlich, wo kommt Ihr her?«

      Ulric verbeugte sich. »Ich bin Wertislaw, ein Sohn Niklots.«

      Miluša staunte. »Du bist von den Obotriten zu uns an die Spree gekommen?«

      Er nickte. »So ist es.«

      In diesem Augenblick kam ein grimmig dreinschauender Slawe aus der Waffenkammer und herrschte Miluša und ihre Begleiterin an, sie mögen hier nicht müßig herumstehen, sondern endlich Wasser holen und sich wieder in die Küche begeben.

      »Ja, Radogost, ja!«

      Ulric von Huysburg hatte einen sicheren Instinkt in solchen Angelegenheiten und wusste sofort, dass er in diesem Radogost keinen Freund fürs Leben finden würde. Offenbar sah der Miluša als seine Beute an und wollte sie sich von keinem entreißen lassen.

      Endlich wurde er zu Jaxa geführt. Dessen Residenz war ein großer Blockbau, über dessen Tür eine Art Banner angebracht war, das einen Palmzweig und ein Doppelkreuz zeigte.

      Der Sprewanenfürst empfing ihn freundlich und mit ausgesuchter Höflichkeit. »Sei mir herzlich willkommen! Wenn dein Vater an ein Bündnis aller Slawenstämme gegen Heinrich den Löwen und Albrecht den Bären, aber auch die Wettiner denkt, dann hat er Großes im Sinne. Bolesław IV. wird uns jede Unterstützung zuteilwerden lassen.«

      »Der Kraushaarige«, murmelte Ulric von Huysburg. Wenn der Fürst so genannt wurde, hatte er es weit besser als sein Vater, denn Bolesław III. hatte den Beinamen Schiefmund getragen.

      Jaxa bat Ulric von Huysburg, von dem zu berichten, was sich oben im Obotritenland in letzter Zeit ereignet hatte.

      »Da hätten wir vor allem die Auseinandersetzungen mit den Wagriern, gefürchteten Piraten, die unter anderem die dänischen Inseln drangsaliert haben. Und nun erwartet mein Vater einen Angriff der Dänen und der Sachsen auf unser Reich.«

      Dann kam er auf Heinrich den Löwen zu sprechen. Ulric von Huysburg wusste genau, dass der Welfe und Albrecht der Bär alles daransetzen würden, ihre Herrschaftsgebiete auszudehnen und sich weite slawische Gebiete anzueignen. Hatte Jaxa das Format, den beiden Männern standzuhalten?

      Immer wieder musterte Ulric den Sprewanenfürsten. Sein Gesicht war lang und asketisch. Ein sauber gestutzter dunkler Bart umrahmte den Mund und bedeckte das Kinn. Die dunkelbraunen Augen blickten ernst. An diesem Mann war nichts Weichliches zu entdecken. War er wirklich ein geborener Sprewane? Oder war er, wie manche munkelten, vielmehr ein gewisser Jaxa von Miechow, ein Pole, den die Piasten nach Cöpenick geschickt hatten, um die Burg gegen Askanier und Wettiner zu halten? Ulric wagte es, dem anderen diese Frage zu stellen.

      Jaxa lächelte. »Nehmt an, was Ihr annehmen wollt. Geben wir den späteren Geschichtsschreibern eine harte Nuss zu knacken.«

      Nun, listig schien dieser Mann auch noch zu sein. Und damit doppelt gefährlich. War er wirklich dieser Jaxa von Miechow, hatte er sicher den geheimen Auftrag, nach Westen zu ziehen. Doch auch wenn er ein autochthoner Sprewane war, blieb ihm nichts anderes übrig. Aber hatte dieser Mann wirklich Mut, Kraft und Feuer genug, die Brandenburg anzugreifen und die Askanier in ihre Stammlande zurückzutreiben? Da war sich Ulric nicht sicher. Zu neugierig durfte er nicht wirken, das wäre verräterisch gewesen, dennoch kam er auf die Nachfolge Pribislaw-Heinrichs zu sprechen.

      »Ihr seid verwandt mit ihm, und da …«

      Wieder hielt sich Jaxa bedeckt. »Heute ist heute, und morgen ist morgen, warten wir’s ab.«

      »Und wann erfahre ich, ob Ihr an eine Unterstützung meines Vaters denkt?« Das war eine Frage, mit der er hoffte, Jaxa aufs Glatteis zu führen. Denn für beide Unternehmungen, die Obotriten zu unterstützen und den Askaniern die Brandenburg zu entreißen, fehlten ihm vermutlich die Kräfte.

      Aber Jaxa ließ sich nicht aus der Reserve locken. »Wir werden sehen, ich muss alles erst mit meinen Beratern besprechen.« Damit erhob er sich, um Ulric von Huysburg anzuzeigen, dass er ihr Gespräch für beendet hielt. »Ihr werdet ja einige Tage bei uns bleiben und rechtzeitig erfahren, was wir beschlossen haben.« Dann winkte er einen Knappen herbei. »Führe unseren Gast zu seiner Lagerstatt!«

      Die befand sich in einer Art Gästehaus im hinteren Bereich der Burg. Ulric streckte sich auf seinen Fellen aus und sang Verse des provenzalischen Troubadours Bernart de Ventadorn: »Non es meravelha s’eu chan/​Chantars no pot gaire valer …« Dabei träumte er von Miluša.

      Der Gedanke

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