Otto mit dem Pfeil im Kopf. Horst Bosetzky

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Otto mit dem Pfeil im Kopf - Horst Bosetzky

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Kienspäne an der Wand. Der Kellermeister musste gerade noch im Keller zu tun gehabt haben.

      Mickel betete zu Triglaw. Und der alte Slawengott ließ den Seinen nicht im Stich. Denn er ließ ihn an das denken, was sein Vater, der lange auf der Brandenburg gedient hatte, ihm des Öfteren erzählt hatte: dass nämlich vom Weinkeller aus ein geheimer Gang zum Ufer der Havel hinunterführte. Mickel begann die Wände abzuklopfen, ob es wohl irgendwo hohl klang.

      Wer von Cöpenick aus zur Brandenburg reisen wollte, brauchte im Jahre 1157 mehrere Tage dafür, man hatte unberührte märkische Urwälder und Sümpfe zu durchqueren, wie sie nur ein Urstromtal zu bieten hatte. Jedenfalls kam Jaxa äußerst langsam voran, denn sein kleines Heer bestand nur zum geringeren Teil aus Reitern, in der Mehrzahl aber aus polnischen Bogenschützen und Lanzenträgern, die zu Fuß unterwegs waren.

      Jaxa und Radogost ritten an der Spitze des Zuges und waren nicht bei allerbester Laune, da es seit Stunden regnete.

      »Wenn es so weitergeht, versinken wir alle noch im Schlamm«, sagte Radogost.

      Jaxa reagierte unwirsch. »Du weißt doch selber, dass wir nicht länger warten konnten. Die Welfen, die Askanier, die Sachsen, die Wettiner – alle sind sie gierig, neues Land in Besitz zu nehmen, unser Land, Slawenland.«

      Radogost drehte sich nach hinten. »Mit diesem Haufen, mit dem wir gen Westen ziehen, wirst du ihnen keine Angst einjagen. Mit dem können wir die Brandenburg nie und nimmer zurückerobern.«

      »Damit könntest du recht haben – aber warten wir’s ab. Die Erinnerung an 983 sollte uns zuversichtlich stimmen.«

      In diesem Jahre hatte es den sogenannten Slawenaufstand gegeben. Heinrich I. und Otto I. hatten mit ihren Kriegszügen bis 955 die Elb- und Ostsee-Slawen unterworfen und von Magdeburg aus christianisiert. Als aber ein Streit um die Nachfolge des Kaisers und des Magdeburger Erzbischofs entbrannt war, hatten die Liutizen und Obotriten die Schwächung des Reiches genutzt und dessen politische und kirchliche Vertreter vertrieben. Die Bischofssitze Brandenburg und Havelberg waren besetzt, das Kloster Kalbe geplündert worden. Für die nächsten 150 Jahre hatte die Expansion des Heiligen Römischen Reiches nach Osten ein Ende gefunden.

      »Hast du schon einen Plan?«, fragte Radogost den Fürsten.

      Jaxa lachte. »Nein, denn mach nur einen Plan, sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch ’nen zweiten Plan, geh’n tun sie beide nicht.«

      Wortlos ritten sie weiter, mit Rücksicht auf ihre Fußtruppen nur im Schritt. Um den Burgwall von Poztupimi machten sie einen weiten Bogen, denn den Hevellern trauten sie nicht. Die Landkarte, die sie in den Händen hielten, war die Kohlezeichnung eines Mönchs, und auf der war die Seenkette südlich Potsdams nur als ein etwas größerer Teich eingezeichnet, so dass sie lange brauchten, um auf Höhe des heutigen Ferch wieder Richtung Westen reiten zu können. Jetzt ging es weithin über trockenes Gelände, und erst die Sümpfe um den Rietzer See machten ihnen wieder zu schaffen. Als sie auch dieses Hindernis glücklich überwunden hatten, kamen sie auf eine höher gelegene Waldfläche und rasteten dort, wo heute auf den Karten der Galgenberg verzeichnet ist. Von hier aus waren Burg und Siedlung Brandenburg zwar noch nicht zu sehen, aber schon zu erahnen.

      Sie hatten sich gerade auf dem Boden ausgestreckt und sich über ihre kargen Vorräte hergemacht, da waren in ihrer Nähe Schritte zu vernehmen.

      Radogost sprang auf und griff sich eine der herumliegenden Lanzen. »Halt! Wer da?«

      Aus dem Gebüsch trat ein Slawe, der erklärte, er sei der Jäger Mickel aus einem der Dörfer nebenan und aus der Brandenburg geflohen, weil man dort gedroht habe, ihn aufzuhängen. »Und hätte ich den geheimen Gang nicht gefunden, der vom Weinkeller der Burg bis ans Havelufer führt, dann würde ich jetzt am Galgen baumeln.«

      Jaxa begriff schnell, dass dieser Mann ein Geschenk des Himmels war. »Bei mir bist du gut aufgehoben«, versicherte er dem Bedrohten. »Und du sollst der oberste Jäger meines Hofes werden, wenn ich erst Herr über die neue Mark geworden bin, die es geben wird, die Mark Brandenburg.«

      Mickel fiel ihm zu Füßen und dankte ihm.

      »Nichts zu danken.« Jaxa hob Mickel vom Boden auf und ließ den Mundschenk zwei Becher seines besten Weines holen. »Komm, labe dich und erzähle uns, was es auf der Brandenburg an Neuigkeiten gibt.«

      »Albrechts Verwalter ist jetzt der Ritter Lynhardt von Schleibnitz, ein Fettsack, der so dumm ist, dass ihn die Schweine beißen.«

      Jaxa hörte das gern. »Also werden wir auf wenig Gegenwehr stoßen, wenn wir die Brandenburg erstürmen?«

      »Das wohl nicht, denn es gibt wackere Kämpfer. Unter den Rittern ist einer, der Hayntz von Helsungen, der wird sich nicht ergeben, bis dass der letzte Pfeil verschossen ist. Und die Askanier haben wesentlich mehr Männer auf der Burg, als ich hier in Eurem Lager sehe.« Da fiel Mickel noch etwas ein, das er bis jetzt vergessen hatte. »Ah ja, und außerdem hat Albrecht einen Ritter zu Euch nach Cöpenick geschickt, den Ulric von Huysburg. Der sollte sich als Sohn des Obotritenfürsten Niklot ausgeben und bei Euch einschleichen, um von Euren Plänen zu erfahren.« Er sah sich um. »Wo steckt er denn?«

      Jaxa lachte. »Bei uns in Cöpenick im Verlies.«

      »Das ist gut so.«

      Nachdem er von Mickel alles erfahren hatte, was ihm wichtig schien, setzte sich der Sprewanenfürst mit Radogost zusammen, um ihm mitzuteilen, dass er nun doch einen Plan entwickelt habe. »Du kleidest dich um und reitest als Askanier durch die Tore der Brandenburg, als der Ritter Ulric von Huysburg.« Er gab weiter, was er von Mickel erfahren hatte. »Du erzählst vom Leben in Cöpenick, wiegst diesen Lynhardt von Schleibnitz, der ein Schwachkopf sein soll, in Sicherheit und machst ihm klar, dass die Sprewanen nicht daran denken, die Brandenburg anzugreifen. Ich sei mit den Meinen gerade nach Norden zu den Obotriten aufgebrochen, um Niklot gegen Heinrich den Löwen beizustehen.« Dann zog er einen Beutel mit Goldstücken aus seinem Wams. »Und hiermit versuchst du, so viele Askanier wie möglich zu kaufen.«

      Radogost grinste. »Gut. Und wer mir widersteht, der bekommt denselben Trunk aufgetischt wie dieser komische Ulric von Huysburg.«

      Jaxa nickte. »Wenn das erledigt ist, dann lässt du vom Wall oben eine Fanfare ertönen. Das ist für mich das Zeichen loszuschlagen. Eine kleine Schar lasse ich das Tor stürmen. Aber das nur zum Schein, um die zu binden, die vielleicht nichts von deinem Schlaftrunk genossen haben, aus welchem Grund auch immer. Während des Gefechts am Burgtor komme ich mit meiner Schar durch den geheimen Gang, dessen Eingang uns dieser Mickel zeigen wird, und besetze die Burg. Kein Tropfen Blut wird fließen, denn die Christen haben uns ja gelehrt: Du sollst nicht töten.«

      Ulric von Huysburg versuchte, den Ratten, die um ihn herumwuselten, klarzumachen, dass er noch am Leben war. Dazu schnellte er mit seinem Körper, sofern es die Hände, die hinter seinem Rücken zusammengebunden waren, und die ebenfalls gefesselten Füße zuließen, mal nach links, mal nach rechts. »Wartet doch, ihr verdammten Viecher, bis ich tot bin und in Verwesung übergehe, dann schmecke ich euch viel besser!«

      Dass er in seinem Cöpenicker Gefängnis ein jämmerliches Bild abgab, wie er da nicht gegen edle Ritter kämpfte, sondern gegen abgemagerte Ratten, war ihm schon bewusst. Aber sosehr Ulric auch an seinen Fesseln zog und zerrte, sie hielten ihm stand.

      So ergab er sich auch an diesem Tage wieder in sein Schicksal und schloss die Augen, um seine Gabe zu nutzen, große Ereignisse der Weltgeschichte in Gedanken so zu erleben, als wäre er selbst dabei gewesen.

      Da

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