Otto mit dem Pfeil im Kopf. Horst Bosetzky

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Otto mit dem Pfeil im Kopf - Horst Bosetzky

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werden musste. Ein Knappe trat ein und bat ihn, das Frühstück gemeinsam mit Lynhardt von Schleibnitz einzunehmen.

      »Aber gern, ich bin in wenigen Augenblicken zur Stelle.«

      Albrechts Burgverwalter hatte Radogost den Ritter Ulric von Huysburg sofort abgenommen. Zum einen war er ohnehin nicht sonderlich helle, zum anderen fiel es Radogost nicht schwer, die Rolle eines deutschen Ritters so perfekt zu spielen, dass auch andere auf ihn hereingefallen wären. Bei den polnischen Fürsten hatte er gelernt, sich höfisch zu benehmen, und die deutsche Sprache beherrschte er so gut, weil er ein paar Jahre bei den Wettinern zugebracht hatte.

      »Was gibt es Neues in der Welt?«, fragte Lynhardt von Schleibnitz, als sie sich an einer kleinen Tafel niedergelassen hatten und auf ihre Mehlsuppe warteten.

      Radogost gab sich weltmännisch. »Der Kaiser und der Papst bekriegen sich mächtig, und auf dem Reichstag von Besançon werden die Fetzen fliegen.«

      Lynhardt von Schleibnitz winkte ab. »Das ist mir doch reichlich egal. Wichtig für mich ist nur, dass wir mit diesem Slawenpack endlich fertig werden.«

      Radogost hatte Mühe, ruhig zu bleiben. Seine rechte Hand krampfte sich derart um seinen Becher, dass er befürchten musste, den Verdacht des Burgverwalters zu wecken, so einfältig der auch schien. Darum lachte er schrill und setzte noch einen drauf: »Das kann ja kein Zufall sein, dass wir im Deutschen für Slawe und Sklave fast dasselbe Wort haben. Und daran sollten wir uns halten und die Slawen zu unseren Sklaven machen.«

      »Ganz meiner Meinung!«, rief Lynhardt von Schleibnitz und wollte schon zu einer längeren Suada ausholen, als ihm einfiel, dass er vergessen hatte, nach dem Wichtigsten zu fragen. »Du warst doch, hört man, auf der Cöpenicker Burg, um für den Markgrafen herauszubringen, ob dieser Jaxa irgendwann nach Westen ziehen will.«

      »Das hat er nicht vor. Ich habe ihn mehrmals belauschen können. Sein Interesse richtet sich gen Süden, den Meißenern und den Thüringern will er an den Kragen.«

      Radogost hätte dem Burgverwalter noch einige weitere Ammenmärchen aufgetischt, da erschien ein anderer askanischer Ritter in der Tür und grüßte kurz, ehe er sich wieder entfernte.

      »Wer war denn das?«, fragte Radogost.

      »Der Mertin von Freckleben.« Der Burgverwalter beugte sich vor, damit die Mägde in der Nähe nicht mithören konnten. »Der ist so geldgierig, dass man ihn schon nicht mehr in die Kirche lässt, weil man Angst hat, dass er den Opferstock aufbricht und plündert.«

      Diese Mitteilung war für Radogost Gold wert, und er hatte Mühe, sich seine Freude nicht anmerken zu lassen. Nachdem ihr Mahl beendet war und Lynhardt von Schleibnitz sich auf den Abtritt zurückgezogen hatte, machte er sich sofort auf die Suche nach Mertin von Freckleben. Der Erste, den er fragte, war ein hochaufgeschossener Mann, der vor der Rüstkammer saß und Schach mit sich selber spielte. Das war Hayntz von Helsungen, mit dem er schon am Abend zuvor ein paar Worte gewechselt hatte.

      »Wie schaffst du es, dir nicht selbst zu verraten, was Weiß im Schilde führt, wenn du mit deinen schwarzen Figuren vorrückst?«

      Hayntz von Helsungen grinste. »Wo andere nur ein Gehirn im Kopf haben, da habe ich zwei – und das eine weiß nicht, was das andere denkt.«

      »Wie auch immer – ein jedes Mal, wenn du spielst, bist du der Gewinner.«

      »Und zugleich auch der Verlierer. Man müsste einmal die Herren Platon, Sokrates und Aristoteles fragen, wie das von der Philosophie her zu bewerten wäre.« Er fixierte Radogost. »Ulric von Huysburg, es heißt, du seist ein vortrefflicher Schachspieler.«

      Radogost zuckte zusammen, denn er kannte nicht einmal den Unterschied zwischen einem Läufer und einem Springer. »Heute Abend gerne und stundenlang, jetzt aber nicht, wo ich mich noch halb im Tiefschlaf befinde.«

      »Komm, setz dich einen Augenblick zu mir, ich wollte dich kurz etwas fragen …«

      Radogost war misstrauisch geworden, konnte aber die Einladung schlecht ausschlagen. »Ja, bitte?«

      »Du erinnerst dich doch noch an Cuntz …«

      Der Sprewane geriet ins Schwitzen. »An welchen Cuntz?«

      »Na, deinen Knappen, den sie an der Nuthe aus dem Hinterhalt erschossen haben. Das war mein Neffe!«

      Radogost stöhnte auf. »Gott, ja … schrecklich!« Er war bleich geworden, und seine Lippen zitterten vor Erregung, denn er war es selber, der Cuntz getötet hatte. Eigentlich hatte er Ulric von Huysburg treffen wollen, aber im Augenblick des Abschusses hatte ihn ein auffliegender Vogel erschreckt, und der Pfeil hatte sein vorgesehenes Ziel verfehlt.

      Hayntz von Helsungen tat der andere leid. »Entschuldige bitte, dass ich das alles wieder aufgerührt habe.«

      Radogost schloss die Augen. »Wir haben deinen Neffen am Ufer des Flusses ehrenvoll bestattet und ein Kreuz auf seinen Grabhügel gesteckt.« Das hatte er vom anderen Flussufer aus beobachtet. »Es war furchtbar, und es schmerzt auch jetzt noch. Mein herzliches Beileid!«

      »Das habe ich dir auszusprechen!«, rief Hayntz von Helsungen.

      Sie redeten noch eine Weile über die Sprewanen und Heveller, dann verabschiedete sich Radogost unter dem Vorwand, nach seinem Pferd sehen zu müssen, und suchte weiter nach Mertin von Freckleben. Er fand ihn in der Nähe der Küche, wo er mit einer Schar von Mägden scherzte, und fragte ihn, ob er einen Augenblick stören dürfe.

      »Eigentlich habe ich keine Zeit …« Als die Mädchen davongerannt waren, nahm er sich aber Zeit für Radogost. »Ulric von Huysburg. Ich habe schon von dir gehört. Du warst in Cöpenick, um Jaxa auszuforschen. Was plant er denn so?«

      »Er plant eine ganze Menge …« Radogost machte eine kleine Pause, um die Spannung zu erhöhen. »Vor allem will er viel Geld einsetzen.«

      »Viel Geld?« Mertin von Frecklebens Körper spannte sich.

      »Ja, wer von Albrecht abfällt und zu ihm überläuft, der soll reich belohnt werden, mit Gold wie mit Lehen, die viel Geld einbringen.«

      In Mertin von Freckleben begann es zu arbeiten. »Wie stellt er sich das im Einzelnen vor?«

      »Dass sich der, der für ihn ist, im Kampf zurückhält, wenn er zum Sturm auf die Brandenburg bläst.«

      Mertin von Freckleben lachte. »Ach, du bist nur gekommen, um unsere Treue zu Albrecht zu prüfen.«

      Radogost musste jetzt Farbe bekennen, auch wenn das Risiko hoch war. »Ich bin schon zu Jaxa übergelaufen«, flüsterte er und griff in sein Wams, um seinen Geldbeutel hervorzuholen. »Der hier ist für dich, wenn du auch …«

      Mertin von Freckleben sah sich nach allen Seiten um, dann griff er zu.

      Radogost konnte triumphieren. »Und wenn du noch jemanden weißt, der die Zeichen der Zeit erkennt …«

      Innerhalb der nächsten Stunde hatte er noch zwei weitere Ritter Albrechts bestochen. Das reichte aber nicht, denn die Deutschen und Slawen, die zum Markgrafen hielten, waren noch immer weitaus in der Überzahl, und Jaxa hätte sich bei einem Angriff auf die Burg nur eine blutige Nase geholt. Radogost musste also zu einem anderen Mittel greifen, und das war der Sud aus giftigen Kräutern,

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