Medientraining. Juliane Hielscher
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Forschungsergebnisse der angewandten positiven Psychologie zeigen übrigens, dass der Effekt eines negativen Auftritts oder einer einzigen negativen Zeitungsmeldung dermaßen stark ist, dass mehrere positive Meldungen nötig sind, um beim Zuschauer oder Leser wieder eine ausgeglichene Bewertung herzustellen. Andersherum geht es viel schneller. Evolutionsbedingt ist das menschliche Gehirn eher bereit, Negatives zu glauben, trotz einer positiven Vorerfahrung. Dieses eingefleischte Misstrauen hat unseren Vorfahren in unzivilisierten Zeiten das Überleben garantiert. Heute ist diese übergroße Vorsicht glücklicherweise nicht mehr in jeder Situation erforderlich. Aber unser Reaktionsmuster hinkt der Entwicklung der Welt ein wenig hinterher. Ein Grund mehr, sich angemessen zu verhalten, im richtigen Leben wie in der medialen Öffentlichkeit. Und ein Grund, sich mit den Kapiteln 12 und 13 über Stimme und Körpersprache zu befassen.
→ KAPITEL 12, Seite 99
→ KAPITEL 13, Seite 105
2. KAPITEL
Wer sind eigentlich „die Medien“?
Gute Frage! Schwierige Antwort!
Deutschlands Medienlandschaft ist einzigartig, vielfältig und abwechslungsreich. Sie bietet jede Menge Möglichkeiten, selbst irgendwo in den Medien aufzutauchen – aber damit auch jede Menge Gelegenheiten, sich um Kopf und Kragen zu reden.
Damit einmal klar ist, worüber wir sprechen: Schätzungsweise 70.000 Journalisten arbeiten hierzulande. Sie schreiben für ungefähr 330 Tageszeitungen mit rund 1.600 lokalen Ausgaben und 20 Wochenzeitungen. Zum Markt gehören außerdem mindestens 1.500 Zeitschriften und – man staune – ca. 3.800 Fachzeitschriften. In Deutschland buhlen an die 530 Radiostationen um die Gunst der Hörer, an die 400 Fernsehprogramme lassen sich von unseren Fernbedienungen aus anwählen. Und überall werden spannende Geschichten mit interessanten Persönlichkeiten gesucht. Denn davon lebt die Branche.
Zur Medienvielfalt gehören auch die großen und kleinen Nachrichtenagenturen und Informationsdienste überall auf der Welt, die ihre Inhalte in Wort, Bild, Ton und Video für die unterschiedlichsten Nutzungsarten anbieten. Die Deutsche Presseagentur dpa, reuter, der Evangelische Pressedienst epd und SID, der Sportinformationsdienst sind unverzichtbare Quellen der Redaktionen, nur um einige zu nennen.
„Die Medien“ sind niemand.
Komplett unübersichtlich wird es schließlich im Internet. Ungezählt und nicht zählbar die zusätzlichen Webseiten der klassischen Medien, Internetzeitungen, Internetradiokanäle, Internet-TV-Sender, die on demand, also bei Bedarf, abrufbar sind, Info-Portale und Publikationswege wie Twitter und all die Blogs, die in und aus der Mode kommen. Diese neuen digitalen Plattformen bieten dem Journalismus auch neue Möglichkeiten. Auf audiovisuelle Informationseinheiten trifft man überall im Netz. Dabei nimmt die Interaktion mit den „Usern“, den Mediennutzern, zu. Über Kommentarfunktionen können journalistische Beiträge nicht nur kommentiert, sondern auch bewertet, ergänzt, hinterfragt werden. Auf diese Weise ergeben sich zuweilen ganz neue Informationswellen. Diese sind allseits und jederzeit abrufbar und auf ewig gespeichert. Durch Verweise, Empfehlungen und intelligente Verknüpfungen finden im neuen Mediennetz viele Nachrichten von allein zum Empfänger. Dadurch ändert sich auch automatisch unser Verhalten als Medienkonsumenten. Wir müssen uns nicht länger gezielt auf die Suche nach Informationen begeben. Sie umschwirren uns nahezu permanent. Nutzer erliegen dadurch schnell der Versuchung, ausschließlich das leicht zugängliche Angebot für wichtig zu erachten. Auch die Quellen von Informationen und damit die journalistische Qualität werden häufig kritiklos akzeptiert. Die Trennlinie zwischen medienvermittelter Kommunikation und dem unmittelbaren persönlichen Informationsaustausch ist seit Beginn des Web 2.0 nahezu aufgehoben. Einseitige Massenkommunikation von Presse zu Pressekunden wird durch die interaktive Kommunikation ergänzt und oft ersetzt.
Wer sind also „die Medien“? Die Antwort ist einfach und kompliziert zugleich. „Die Medien“ sind niemand. Dahinter stecken Menschen, Journalisten, Redakteure, Autoren, Moderatoren, Reporter und viele mehr. Es gibt unzählige Berufsgruppen, die für „die Medien“ arbeiten. Im besten Fall kann man behaupten „die Medien“ sind der Sammelbegriff für alle diese publizistisch arbeitenden Menschen. Dazu gehören auch Verleger, Drucker, Fotografen, Kameraleute, Techniker aller Art und viele mehr. Und sie alle denken, arbeiten und empfinden so unterschiedlich, wie es nun mal in der Natur eines jeden Einzelnen liegt.
Wer also mit „den Medien“ Kontakt hat, trifft folglich in erster Linie auf einen individuellen Menschen, dessen Arbeit von eigenen Meinungen und persönlicher Erfahrung geprägt ist. Sich dieser Tatsache bewusst zu werden, hilft dabei, ohne falsche Erwartungen und ohne Vorurteile in Kontakt mit „den Medien“ zu treten.
Wenn Unternehmer, Politiker, Verbandsvorsitzende, Akademiker, Experten unterschiedlichster Fachgebiete, aber auch normale durchschnittliche Menschen Kontakt mit „den Medien“ bekommen, ist ihr Ansprechpartner zumeist ein ausgebildeter Journalist oder eine Journalistin. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in den folgenden Kapiteln das generische Maskulinum verwendet. Kolleginnen aller Medienbereiche mögen sich von dieser Formulierung achtungsvoll eingeschlossen fühlen.
3. KAPITEL
„Die Medien“ – Freund oder Feind?
Keines von beidem!
Die Aufgabe von Journalisten ist es zu berichten. Und das möglichst informativ und neutral. Kritisches Nachfragen ist ihnen eine selbstverständliche Pflicht. Ebenso wie einen Sachverhalt aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Wie sonst wäre eine weitgehend objektive und ausgewogene Darstellung denkbar?
In Demokratien sollen die Medien das Volk informieren und durch Kritik und Diskussion zur allgemeinen Meinungsbildung beitragen. Häufig wird deshalb auch von der 4. Macht oder der 4. Gewalt im Staat gesprochen. Im Pressekodex verpflichten sich Journalisten, alle gesellschaftlichen Prozesse mit wachsamen Augen kritisch zu beobachten. Als Mediennutzer, also als Zeitungsleser oder Fernsehzuschauer, finden wir gerade diese Betrachtungsweise angemessen.
Wenn wir allerdings mit demselben kritischen Blick gesehen werden und sich dieser in der Berichterstattung widerspiegelt, reagieren wir möglicherweise empört und fühlen uns falsch beschrieben. Dabei empfinden wir uns genau genommen „als Opfer“ der gleichen journalistischen Arbeitsweise, die wir in anderen Fällen ausdrücklich erwarten. Ein prominentes „Opfer“ ist beispielsweise der ehemalige Bundesverteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg. Stets hatte er sich erfolgreich medienwirksam inszeniert, bis er sich nach der Entdeckung des erschummelten Doktortitels aus dem Amt geschrieben fühlte.
Bei jedem Medienkontakt ist es hilfreich, diesen Mechanismus zu bedenken. Nur weil Sie einen guten Draht zu einem Journalisten haben, dürfen Sie nicht erwarten, dass er ausschließlich in Ihrem Sinne berichtet. Denn damit hätte er seinen Arbeitsauftrag nicht professionell erledigt.
Journalisten sind eben auch Dealer.
Journalisten sind eben auch Dealer. Sie geben ihren Kunden das, wonach diese suchen. Und das sind nicht ausschließlich