Zuckerrübenmord. Gerd Hans Schmidt
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Читать онлайн книгу Zuckerrübenmord - Gerd Hans Schmidt страница 4
Er unterbricht Ilse sofort. »Ich heiße Hans Habermüller und dabei belassen wir das ab jetzt. Meine akademischen Grade haben zwar viel Arbeit und Einsatz gekostet, aber dafür sind sie echt«, er lacht, »aber es reicht voll und ganz, wenn die da draußen auf dem Schild stehen. Nur der Minister legt Wert darauf, aber nur, weil ich ihn dann auch mit Herr Dr. anreden muss. Übrigens ein Dr. h.c. Das ist ein eingebildeter Mann, der seine Überzeugungen mit der Windrichtung ändert.«
Wir sehen uns völlig verblüfft an.
»Also gut, Herr Hans Habermüller. Sie sind sehr offen und wir behandeln das diskret«, fährt Ilse fort.
»Ach wo, Frau Merkel, übrigens ein schönes Kostüm, das Sie da tragen, meine Einstellung zur Politik ist hier kein Geheimnis. Schau’n Sie, mit meiner Qualifikation in Agrarwissenschaften und Betriebswirtschaftslehre kann ich schon morgen einen hoch dotierten Posten in der Wirtschaft übernehmen, und das EU-weit. Brüssel hat auch schon angeklopft«, er macht eine Pause, »außer, es bringt mich vorher jemand um!«
Sein Gesichtsausdruck wird schlagartig ernst.
»Genau aus dem Grund sind wir leider hier bei Ihnen«, ich übernehme jetzt die Fragestellungen, »können Sie uns überhaupt konkrete Angaben zu dem Vorfall machen und wie geht es Ihnen jetzt?«
»Tja, ich kann Ihnen über meine Schmerzen mehr sagen, als über den Angriff. Wie Ihnen ja schon bekannt ist, fahre ich jeden Tag mit der U-Bahn zum Büro und wieder nach Hause. Etwas später übrigens, als die meisten Beschäftigten hier. Am Bahnsteig hänge ich gerne etwas meinen Gedanken nach und interessiere mich nicht so für meine direkte Umgebung, ist sowieso jeden Tag das Gleiche. Plötzlich kam der Stoß von hinten, mit beiden Händen gegen meine Schultern, nein warten Sie, etwas unterhalb der Schulterblätter. Aber sein Timing war schlecht, ich stürzte nicht vor, sondern gegen den Zug.«
»Wieso er?« Ilse sieht Habermüller verwundert an.
»Es war keine Frau, ganz sicher nicht!«
»Können Sie uns das näher erklären, Sie haben doch niemanden gesehen?«
»Selbstverständlich. Ich habe früher einige Kontaktsportarten betrieben. Die ganze asiatische Kampfsportpalette, auch die ausgefallenen Sachen. Ein Mann nähert sich dem Körper eher langsam, um dann unmittelbar nach der Berührung seine Kraft oder Technik zu entfalten. Frauen machen diese Pause – Bruchteile von Sekunden – eher weniger, also praktisch nicht. Zuerst kam der Kontakt, dann der Druck. Der war dann allerdings heftig. Man könnte es auch so ausdrücken: Ein Mann schiebt, eine Frau schubst – oder so ähnlich.«
»Sind Sie da ganz sicher?«
»95 Prozent!«
»Wie genau wurden Sie verletzt?«
»Schulterprellung links, der Zug kam von der linken Seite, dann wurde ich zurückgeschleudert und fiel auf das Steißbein. Das verursachte eine ISG-Blockierung rechts. Beim Abstützen des Sturzes habe ich mir noch das linke Handgelenk verstaucht. Ich hatte also großes Glück. Wäre ich allerdings darauf vorbereitet gewesen, hätte ich wahrscheinlich alles abfangen können!«
»Kampfsport?«
»Sie sagen es, Herr Schmitt.«
»Also gut. Ihre Fahrgewohnheiten sind bekannt und leicht zu recherchieren. Der Täter musste nur den richtigen Zeitpunkt abwarten. Aber wer hat ein Interesse daran, Sie umzubringen?«
Auf meine Frage hin runzelt Hans Habermüller seine Stirn, blickt auf seine leere Espressotasse, dann wieder zu mir.
»Ganz ehrlich, Herr Schmitt. Mindestens zwanzig bis dreißig. Nein, nicht Personen. Interessen, Herr Schmitt. Interessen, hinter denen immer Personen stehen.«
Ilse macht große Augen und schaut mich an.
»Von welchem Zeitraum sprechen Sie?«
»Nur von diesem Jahr, Frau Merkel, nur von diesem Jahr!«
»So viele hätte ich nicht erwartet. Ich habe mich auf unser Gespräch ein wenig vorbereitet und nachgesehen, was Ihre Tätigkeit so umfasst. Entweder es freut sich jemand über ihre Entscheidung oder er ist stinksauer. Und wenn sich einer freut, dann ist der andere sauer.«
»Ganz so kann man das nicht sehen. Es freuen sich in der Regel viele. Aber der Konkurrenzdruck ist groß, da haben Sie in gewisser Weise recht. Für negative Reaktionen reicht es oft schon, wenn ein Konkurrent ein bisschen weniger bekommt als der andere. In manchen Kreisen zählt nur viel haben und noch mehr dazu bekommen. Dabei denke ich nicht an die Landwirte hier im Knoblauchsland, wo der eine einen Tausender mehr bekommt als der andere. Die kriegen so was auf die Reihe, wenn sie überhaupt darüber sprechen. Da gibt es aber Kandidaten aus der Industrie und da hört dann der Spaß auf. Da zählt praktisch jeder Euro. Und wir sprechen hier von sechs- bis siebenstelligen Zuschussanträgen. Oft sind auch achtstellige dabei. Wenn da ein paar Tausender weniger kommen als erwartet, dann laufen hier die Leitungen heiß!«
»Zum Beispiel?«
»Die Frage habe ich erwartet. Ich darf Ihnen darüber keinerlei Auskunft geben, bitte haben Sie dafür Verständnis. Sie haben ja mitbekommen, welche Herrschaften aus München über mein ›Wohlergehen‹ wachen, und die mischen nur ganz oben mit! Sehen Sie, in meiner kleinen Abteilung sind eigentlich nur drei Personen eingeweiht, zwei Sachbearbeiter nebenan und ich. Die letzte Entscheidungsbefugnis liegt natürlich bei mir. Nicht einmal unsere Vorzimmersekretärin kennt die Empfänger der Gelder aus Brüssel. Sie bereitet die Bewilligungsbescheide zwar vor, aber die Namen der Empfänger setze ich dann ein und die Bankanweisungen erfolgen auch direkt aus unserer Abteilung.«
»Und die Münchner Überwacher?«
»Ach hören Sie mir damit auf.«
Ilse bohrt nach. »Aber ist es nicht so. Wenn die Voraussetzungen für eine Bewilligung vorliegen oder auch nicht, können Sie doch gar nicht anders entscheiden?«
»Das ist so schon richtig. Ist der Antrag vollständig und liegen alle Nachweise in der vorgeschriebenen Form auf dem Tisch, dann muss ich bewilligen. Fehlt etwas, dann muss ich natürlich ablehnen. Und wir prüfen streng und machen Schlüssigkeitsprüfungen.«
»Wo liegt dann das Problem?«
»Frau …, Herr Schmitt, ich muss mich jetzt leider von Ihnen verabschieden, eine Besprechung wartet.«
Der Professor erhebt sich von seinem Stuhl und reicht uns die Hand. Wir sehen uns erstaunt an, weil er die Unterredung so hart abgebrochen hat, aber eigentlich ist alles besprochen.
»Ach übrigens«, er dreht sich noch mal zu uns um, bevor er die Tür zum Vorzimmer öffnet, »wenn Sie einen Verdächtigen laufen lassen, haben Sie ihm dann so einfach alle seine Angaben geglaubt oder haben Sie auch alles gründlich überprüft, beziehungsweise waren Sie in der Lage es zu überprüfen?«
»Selbstverständlich haben wir dann alles genau überprüft«, gebe ich das Wort fast ein wenig entrüstet zurück, »sonst würden wir Profis doch schlechte Arbeit machen!«
»Na, dann bin ich ja beruhigt. Einen schönen Tag wünsche ich Ihnen.«
»Was war jetzt das zum Schluss?« Ilse sieht mich fragend an, als wir den dunklen Flur zurückgehen.
»Ich