Von der Weisheit und vom Brauchtum unserer bäuerlichen Vorfahren. Dieter Kremp

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Von der Weisheit und vom Brauchtum unserer bäuerlichen Vorfahren - Dieter Kremp

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des Hauses mit ihren Kindern hatte ihren Platz an der anderen Seite des Ofens vor dem Kanapee. Der Vater, im Kanapee, rauchte seine selbst gedrehten Zigarren, wenn er es nicht vorzog, an solchen Spinnabenden seinen Nachbarn oder vertrauten Freund zu besuchen.

      In solch einem Kreis von Spinnerinnen, der nicht selten aus acht, auch zwölf Personen bestand, - wurden drollige Hexen- und Spukgeschichten erzählt. Es wurden auch alle Neuigkeiten im Dorf ausgetratscht. Um die Wachsamkeit hochzuhalten, sang man zwischendurch Lieder. Auch Rätsel und Wörterspiele wurden gemacht. Je geräuschvoller es dabei herging, desto flotter ging das Spinnen vonstatten.

      Im Winter, Punkt acht Uhr, ging der Spinnkreis hinaus auf die Diele. Dann spielte die Truppe auch mal Blindekuh. Es wurde auch getanzt, indem sie sich die lustigsten Weisen dazu sangen. Es fehlte dann nicht an Beteiligungen von Knechten aus dem Ort. Wo am Abend der Spinntrupp war, wusste jeder Bursche.

      Nach einer Viertelstunde kamen alle wieder hereingestürzt und setzten sich hinter ihr Rad. Sie sahen sich dann gegenseitig auf die Rolle, wieviel wohl jeder gesponnen hatte. Um zehn Uhr nahm jede ihr Spinnrad unter den Arm und ging nach Hause. Zu Hause wurden dann noch die Rollen gehaspelt, und da stellte sich dann der Abendfleiß heraus.

      Im Winter wurde schon nachmittags gesponnen. Wenn die Männer nach Holzfahren oder Dreschen Feierabend machten und die Knechte noch ihre Abendarbeit verrichteten, kamen die Mägde mit ihren Garnrollen ins Haus, um ihrerseits ihre Nebenarbeiten zu mache n. Nach dem Essen haspelten sie ihre Rollen, und dann ging es wieder zur Versammlung.

      War ein armes Mädchen, das keine gute Anlage zum Spinnen hatte, so töricht und ließ beim Haspeln Fäden am Gebinde fehlen – man bezeichnete solches als „falsches Garn haspeln“ – dann war es eine tiefe Schmach für sie.

      Ohne Flachs konnte auf dem Lande keine Familie bestehen. Auch in den Tagelöhnerfamilien spannen Mann, Frau und Kinder. Sie hatten ja ihren eigenen Flachs geerntet. Dafür mussten sie in der Ernte helfen. Man sah sie nicht anders zum Kaufmann gehen als mit ein paar Stück Garn in der Hand, wofür Kaffee, Öl oder Salz eingetauscht wurde. Auch ihre Kleidung bestand aus Selbstgesponnenem und war selbst gemacht.

       Das Zimtwaffeleisen meiner „Großel“

      Ich erinnere mich mit Wehmut an den würzig-süßen Duft Von Zimtwaffeln, wenn alljährlich in der Adventszeit meine „Großel“ (Großmutter) auf dem Kohlenofen die Zimtwaffeln gebacken wurden. Noch heute ist das uralte Zimtwaffeleisen im Besitz meiner Schwester Ursula. Es muss wohl über hundert Jahre alt sein.

      Wie heimelig war es in der Stube, wenn der Duft alle Räume des Hauses durchströmte. Und oft war es so, dass auch Bratäpfel auf der Ofenplatte brutzelten. Heute rätsele ich über die Bedeutung der sechs verschiedenen Backformen-Symbole, die auf dem Zimtwaffeleisen erhalten sind. Da ist eine Schnecke (Spirale) dargestellt als Zeichen für die unaufhörliche Bewegung der Zeit, also eine Verheißung der ständigen Erneuerung. Für das Rotkehlchen gibt es zwei verschiedene Deutungen. Die christliche lautet, dass das Rotkehlchen dem Herrn Jesus am Kreuz einen Dorn aus der Stirn zog, sich dabei selbst verletzte und seitdem den roten Blutfleck auf der Brust trägt. Es kann aber auch sein, dass das Rotkehlchen mit dem Zaunkönig verschmolzen ist, der früher am Tag des heiligen Stephan (26. Dezember) gejagt wurde. es war der einzige Tag im Jahr, an dem dieser im Naturglauben heilige Vogel getötet werden durfte.

      Vier Herzformen symbolisieren das Fest der Geburt Jesu, das Fest der Liebe. Die Christrose, im Volksmund auch Schneerose oder Schneekatze genannt, erinnert an die Blüte Jesse, die mitten im Dunkel der unerlösten Welt aufblühte: „Es ist ein Ros’ entsprungen aus einer Wurzel zart“. In der Wintersonnenwende haben unsere Vorfahren große Schalen mit Früchten auf den Tisch gestellt, um im kommenden Jahr keinen Mangel zu leiden. Zu den Früchten gehörten vor allem Nüsse als Symbol der Fruchtbarkeit. Die Nüsse waren auch Sinnbilder von Gottes unerforschlichem Ratschluss.

      Schließlich ist auf dem Zimtwaffeleisen auch noch ein Kreuzsymbol. Am Luciatag (13. Dezember) wurde vielfach Lucienweizen in Kreuzform in flache Tonschalen gesät und feucht gehalten. Die Weizensaat stellte die wieder keimende Natur dar. Fast nicht mehr zu entziffern, weil „das Alter am Zahn der Zeit genagt hat“, ist ein Symbol auf der Kopfseite der Zimtwaffelpfanne. Es sieht aus wie ein Rad (Zahnrad) mit einer römischen Eins. Es könnte das Rad als Symbol der Sonne im Mithras-Kult der keltischen Vorfahren sein. Die römische „I“ weist auf den Beginn des neuen Jahres hin.

      Meine Schwestern backen noch heute Zimtwaffeln nach einem uralten Rezept ihrer Großmutter, das in der alten Sütterlin-Schrift in einem Kochbuch ihrer „Großel“ aufgeschrieben ist: Man nimmt ½ Pfund Butter, 300 Gramm Zucker, drei große Eier, 100 Gramm Zimt und ein Pfund Mehl. Der Teig muss drei bis vier Stunden lang stehen.

       Vom „Strohpatt“ und der „Binsegoth“

      In unserem Dorf wurde das neugeborene Kind innerhalb acht Tagen getauft. Bis zu diesem Tage war es ein „Hädekend“ (Heidenkind). Je nachdem, ob es ein Bub oder ein Mädchen war, erhielt es früher den Vornamen des Vaters oder der Mutter. Waren schon Kinder in der Ehe vorhanden, so wählte man gern die Vornamen der Paten. Pate und Patin (Patt und Goth) wurden, wenn irgend angängig, der näheren Verwandtschaft entnommen. Die Frau des Paten war die „Binsegoth“, der Mann der Patin der „Binsepatt“. Pate und Patin zu werden, wurde als besondere Ehre empfunden, die aber auch zu Patengeschenken verpflichtete. Ein solches Geschenk, Zuckersteine oder auch Bargeld, erhielten vor allen Dingen der taufende Pfarrer und die Hebamme. Auch pflegten Pate und Patin an die vor der Kirche schon sehnsüchtig wartenden Kinder Zuckersteine auszuteilen. Bis zur Konfirmation waren Pate und Patin verpflichtet, ihre Patenkinder am Neujahrstag und an Ostern zu beschenken. In der Regel hatte früher ein Kind drei Paten. Diese wurden an Ostern und an Neujahr reihum aufgesucht. Die Pflicht der Paten war es auch, den Wein zu bezahlen, der bei der Kindtauffeier getrunken wurde. Zeigte sich der Pate knauserig, so wurde er zeitlebens den Namen „Strohpatt“ nicht mehr los.

      Uralte Wiegenlieder wurden dem Kleinkind von der Mutter gesungen:

      „Schlaf, Kindchen, schlaf!

      Dein „Babbe“ hüt die Schaf.

      Dein „Modder“ hüt die Lämmercher,

      in den dunkeln Kämmercher,

      schlaf, Kindchen, schlaf“

      Oder die Großmutter sang:

      „Guten Abend, gute Nacht,

      mit Rosen bedacht,

      mit Näglein besteckt,

      schlupf unter die Deck.

      Morgen früh, wenn Gott will,

      wirst du wieder geweckt.“

      Bei Krankheiten glaubte meine Urgroßmutter noch an einen Erfolg durch „gesundbeten“. Die „Gesundbetersch“ sollte durch „Sympathie“ heilen. Brave Kleinkinder wurden auf dem Schoß der Mutter reiten gelehrt. Dazu sang man:

      „Reite, reite Rösschen!

      Dort oben steht ein Schlösschen;

      Da unten steht ein Glockenhaus,

      da gucken drei schöne Jungfern raus!“

      Aus meiner Kinderzeit kann ich mich auch noch an ein Neckliedchen erinnern:

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