Das Bild der Zeit. Ruprecht Günther

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Das Bild der Zeit - Ruprecht Günther

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32. Susi

       33. Karl-Heinz

       34. Kamila

       35. Im Park

       36. Atelier

       37. Auf der Jagd

       38. Friedhof

       39. Joana

       40. Gejagte

       41. Im Keler

       42. Unter der Erde

       43. Der Doktor

       44. Das Bild

       45. An einem Strang

       46. Der dritte Versuch

       47. Joana

       48. Sigi

       49. Joana

       50. Das Ende

       Epilog

       Eines Schattens Traum

       ist der Mensch.

       Pindar

       Prolog

      Auf einmal war es so, als berge selbst das Licht ein Geheimnis. Ein schräger Sonnenstrahl tastete sich über die Stufen hinab und zeichnete schnurgerade Bahnen aus glitzerndem Staub. Die zerbrochenen, vor Schmutz starrenden Scheiben glühten auf wie flüssiges Feuer. Selbst die Spinnweben stapelten hoch und wirkten für Augenblicke, als seien sie aus Gold gewebt. Der Abenddunst verspann sich zu einem transparenten Pulver, das alles, worauf es sich legte, verwandelte in etwas höher Geordnetes und Edles:

      Der rostige alte VW-Bus war plötzlich ein Gefäß für Zauberformeln und magische Utensilien; die Blätter des rachitischen Buschs vor der Kellertür dienten in Wahrheit zur Zubereitung eines kostbaren Aphrodisiakums; der Schimmel an der bröckelnden Hauswand war ein Pilz, der je nach Dosierung töten mochte oder einen Adepten einführen in uralte und geheimnisvolle Riten.

      Die hintere Klappe des Busses war geöffnet. Dahinter stapelten sich in wilder Unordnung Masken, diverse Kleider und Perücken, eine Glaskugel und mystisch anmutende Figuren. Ein dürrer dunkelhäutiger Mann, dem sein erschrockener Ausdruck auf dem Gesicht festgeschrieben schien, griff mit spitzen Fingern nach einer rot-schwarzen Statuette und ließ sie um ein Haar fallen.

      »Pass doch auf, du Idiot«, zischte sein Mentor Valtinho, ein hochgewachsener, gut gebauter Schwarzer mit kurz geschnittenen Haaren. »Oder willst du, dass dich Exu auf der Stelle in die Hölle nimmt?«

      Der Kleinere zuckte zusammen. »Jetzt noch nicht!«

      Er schlug sich an die Stirne und lies die Figur dabei um ein Haar erneut fallen. Valtinho lachte schallend. Ungeduldig riss er seinem Assistenten die Statue aus den Fingern und erteilte ihm einen Tritt. Er wog den Exu liebevoll in der Hand und eilte mit schwingenden Hüften über die Treppe nach unten.

      »Wenn ich nicht wäre, lägen meine Heiligen längst alle zerbrochen auf dem Müll.«

      Er lachte wieder. Vorsichtig setzte er die Figur an der rechten Seite des Eingangs ab. An der linken thronte bereits ein ähnliches Exemplar. Valtinho hob beide Hände an und murmelte Beschwörungen in einer fremdartigen gutturalen Sprache. Dann öffnete er die quietschende Türe und betrat den Keller.

      Ihm schlug ein stechender Geruch nach Moder und verdorbenem Fleisch entgegen. An der Rückwand hing ein sorgfältig gebündelter blutroter Vorhang. Davor standen ein heruntergekommener Sessel und größere Statuetten mit Darstellungen des Exu, des großen Dämons. Er besaß die Macht, Menschenwege zu öffnen und zu schließen, und mit seiner Hilfe sollte jedes wichtige Vorhaben auf der Erde beginnen.

      Zu ihm gesellte sich die im Tanz erstarrte Gestalt Maria Mulambos, deren schwarz glänzende Haare in einem imaginären Wind zu flattern schienen. Vor dem Sessel stand ein kleiner, in schmutziges Weiß gedeckter Tisch mit zwei Stühlen. Über den staubigen Betonboden breitete sich ein zerschlissener Teppich. Zu beiden Seiten des spärlich beleuchteten Raums lagerte Gerümpel.

      Valtinho trat konzentriert an den Tisch. Darauf lagen zu einem Kreis gebündelte Ketten aus bunten Perlen. In ihrer Mitte ruhte ein Satz kleiner Miesmuscheln.

      Seine Hand fasste nach den Muscheln und warf sie mit einer raschen Bewegung flach auf den Tisch. Aufmerksam betrachtete er den Wurf. Er drehte nachdenklich seinen goldenen Ring und schürzte die Lippen. »Sie verlangt wieder ein Spiel …«

      Sein sinnlicher Mund verzog sich zu einem Lächeln.

       1. Friedrichshain

       Ende August 2010

      Kaum einen Kilometer in Luftlinie entfernt saß ein Mann in einem Friedrichshainer Lokal und telefonierte. Die letzten Sonnenstrahlen illuminierten seine mühsam beherrschten Züge und liehen ihnen einen überraschenden und wenig passenden Glanz.

      Die Bedienungen zündeten Kerzen an, deren flackerndes Gelb mit dem schrägen Licht der Sonne konkurrierte. Kleine Kinder rasten um die weiß gedeckten Tische und spielten Fangen, während ihre Eltern bei einem Glas Wein oder Bier plauderten. Die Luft war nach dem heißen Tag angenehm lau, und die meisten Menschen bemühten sich, die Unbilden des Lebens für ein paar Stunden zu vergessen.

      Nur Karl-Heinz’ gereizte Stimmung wollte nicht recht zu dem Ambiente passen. Er okkupierte einen ganzen Tisch für sich allein und füllte ihn weniger durch sein Volumen als durch seine hektischen Gesten aus. Mit einer

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