Tatort Märchenwald. Kristina Lohfeldt
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dieser Kampf ist arg bequemlich!
Doch er wandert durch die Hallen,
wo – manch Forschern zum Gefallen –
Dutzende Skelette hausen,
fängt den Prinzen an zu grausen.
Tun noch das, was sie einst taten,
lesen, tanzen, spielen Karten,
halten aber die Bewegung –
Tote zeigen selten Regung.
Mit den Tieren ganz dasselbe;
ist vom Ei nicht grad das Gelbe
dieses Totsein, aber gut,
seh’n wir, was das Prinzlein tut.
Neugier treibt, wie einst die Kleine,
ihn zum höchsten Turm; alleine
ist ihm zwar ein wenig bange,
doch bald hält ihn bei der Stange
dieses Bild, das sich ihm bietet –
hätte ihn fast umgenietet.
Schau! Da schlummert unser Röschen,
unterm Kleid ahnt man ihr Möschen,
macht den Prinzen tierisch an,
da er Altes leiden kann.
Klappe! Schluss! Nun wird’s makaber –
als Erklärung sag ich aber:
Viele Märchen grausam sind,
deshalb liebt sie jedes Kind.
Als wir noch klein waren, fürchteten wir uns vor den Teufeln und Alten Weibern in den Märchensammlungen von Hauff, Andersen, Bechstein und den berüchtigten Gebrüdern Grimm. Wir hielten die Prinzessin im Froschkönig für eine Tierquälerin, wenn sie ihren schleimigen Verehrer – zumindest im Originalmärchen – angewidert an die Wand warf, wir glaubten noch, der Böse Wolf in Rotkäppchen wollte ihr nicht wirklich Böses, und wir wussten, würden wir uns tief genug in einen Brunnen hinab beugen, fänden wir uns in einer anderen Welt wieder und tanzten mit verzauberten Prinzen durch die Nacht, welche doch gar keine echten Entführer waren.
Doch was viel wichtiger und uns oftmals gar nicht bewusst ist, dass diese Märchen eigentlich ganz andere Artverwandte haben: die Mythen der alten Griechen und Römer, die nordischen Sagen und die keltischen Legenden aus einer längst vergangenen Zeit, die vor Mord und Totschlag und Erpressung nur so strotzen. Sie und ihre Gräueltaten reichen weiter zurück als alle literarischen Formen. Das Märchen, was von dem mittelhochdeutschen Wort maere, also Bericht oder Kunde, abgeleitet wird, war in seiner Ursprungsform noch ein einfacher Prosatext. Ihre warnende Nachricht, doch tugendhaft zu sein, war für die Bauern und das sogenannte „niedere“ Landvolk unmissverständlich.
Gut und Böse werden im Märchen bis heute strikt getrennt. Helles Haar, goldene Kleidung, Rüstung oder Accessoire stehen für das Gute, eine dunkle, exzentrische Erscheinung für das Böse. Einzige Ausnahmen sind die hell gekleidete und oftmals hellhaarige Kindesentführerin Schneekönigin, und Schneewittchen und ihr rabenschwarzes Haar, obwohl „so schwarz wie Ebenholz“ im Originaltext einst auf die Augenfarbe der Ausnahmeprinzessin hinwies, die Adalbert Ludwig Grimm, ungeliebter Namensvetter der Brüder Grimm, Snäfrid/Shnevit nannte. Einige Urübersetzungen der Version der Gebrüder Grimm, welche auf der Geschichte der Grafentochter Margarete von Waldeck basierten, die ihrer mörderischen leiblichen Mutter ein Dorn im Auge war, bezeichneten Schneewittchen allerdings als „Snow Drop“.
Auch ist den Wenigsten bewusst, dass die heutigen Teufel und Engel, die Hexen und Erscheinungen eine christianisierte Version der Urmärchen sind, angepasst an die Zeit der Romantik. Drachen wurden damals zu Teufeln, Feenwesen transformierten zu ihren schwanengeflügelten Kusinen, den Engeln, das Alte Weib mutierte zur grausigen Hexe und ein Geistwesen wurde kurzerhand zu einer Erscheinung. In der Buchversion von Grimm's Fairy Tales im britischen Calla Verlag sehen wir noch die Illustrationen des bereits verstorbenen Künstlers Arthur Rackham, der noch Hutzelmännchen und Kobolde anstelle von Zwergen zeichnete, und uns den Drachen mit den drei goldenen Haaren, dessen Kopf im Schoß der entführten Jungfrau ruht, anstelle des Teufels mit den drei goldenen Haaren zeigt. Seine Zeichnungen sind inspiriert von den Urmärchen der Gebrüder Grimm. Diese christlicheren Versionen unserer Lieblingsverbrecher trugen allerdings in neueren Zeiten besser zum Verständnis des einfachen Volkes bei und waren auch ein offensichtlicherer Ohrenschmaus für die Amüsiergesellschaft, die sich Märchen über das lasterhafte einfache Volk zur Erheiterung vorlas.
Von den frühesten Ursprüngen des belehrenden Märchens über die japanischen Sagen mit all ihren Drachen, Hutzelweibern, wispernden Geistwesen und verwunschenen Prinzessinnen zu den romantischen, christlicheren Versionen im 19. Jahrhundert bis hin in die Moderne, veränderte das Märchen stetig sein Gesicht: aus dem mündlich überlieferten und anonymen Volksmärchen wurde das Kunstmärchen, dessen Autoren wie Hans Christian Andersen noch heute bekannt sind. Seine Nachricht an uns veränderte sich jedoch nie: sei tugendhaft!
Dem Bösen wird immer seine gerechte Strafe zuteil, und manchmal sogar, um hundertprozentig sicher zu gehen, der Tod. Dies ist auch heute noch in amerikanischen Thrillern und Kriminalromanen eine beliebte, endgültige Lösung für den Bösewicht. Denn stirbt dieser am Ende, löst sich die Gefahr, dass er vor Gericht freigesprochen wird, in beruhigendes Wohlgefallen auf. Die britischen Whodunnit hingegen nehmen ihre Killer gerne auch einfach fest. Doch eines ist meist unmissverständlich: Verbrechen lohnt nicht.
Auch was den geschlechtlichen Aspekt der Rollenverteilungen in den Märchen anbelangt, hat sich viel verändert. So wurde beispielsweise die weise Großmutter, reich an Lebenserfahrung und Einsicht, sehr stark in den Hintergrund gedrängt und war daher keine große Hilfestellung für das modernisierte leichtsinnige Rotkäppchen. Zwar gab es in der Literatur seit vorbabylonischer Zeit das Motiv der femme fatale, der dämonischen Verführerin in Gestalt der Eva, Delila, Helena, Pandora oder Circe, um nur einige zu nennen, aber in unserem Verständnis, geprägt z. B. durch die Bond-Filme, kennt das Urmärchen solcherlei Damen nur als eitle und böse Stiefmutter, die der Protagonistin, dem armen Opfer, das Leben schwer macht. Nur die alte Hexe lockte und war weit davon entfernt, auch körperlich zu verführen. Sie bestach eher mit Versprechungen und täuschenden Halbwahrheiten.
Dafür hat sich das männliche Prinzip im Wolf aka dem gefährlichen Verführer und im Ritter / Prinzen aka dem Helden / Kommissar hartnäckig gehalten. Ob in abstrakten Zeichnungen, Disneyfilmen, modernen Fotoshootings oder Gothic- und Horrorversionen, die Frau transformierte mit der Zeit immer mehr vom Opfer, das auf Rettung wartet, zur heldenhaften Kriminologin:
Schneewittchen kämpft in Neuverfilmungen eigenhändig gegen die Drahtzieherin des Mordes (Böse Königin). Rotkäppchen kämpft in neuen Versionen taff gegen den (Wer)Wolf im bösen Manne. Die zahlreichen Cinderella-Heldinnen nehmen ihr Schicksal – und ihr Happy End mit dem Prinzen – selbst in die Hand und besiegen die Intrigantinnen (Stiefmutter und Stiefschwestern) auf ganzer Linie. Hänsel & Gretel schlagen kräftig und nach bester