Himmel küsst Erde. Sonja Spitteler
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Der Weise dachte nach. Während er dies tat, konnte der Flötenspieler fühlen, wie die Achtung des Berges vor den Menschen um ein Vielfaches gewachsen war. Doch eine Sache wollte Aikarupata noch wissen. "Sag mir, Flötenspieler, was erwartest du von deinem Leben?"
Die Frage des Berges verblüffte und freute den jungen Mann gleichermaßen. "Eine liebe Frau, Freunde, genügend zu essen und viele Kinder, die mich zum Lachen bringen."
Aikarupata lachte leise. "Das sind bescheidene Wünsche, mein Freund."
Der junge Mann musste ebenfalls lachen. "Das mag sein. Wenn ich jedoch daran denke, dass jeder Tag, an dem ich lebe, ein Geschenk ist, was mehr kann ich mir da wünschen? Außer dass ich dieses Glück vielleicht eines Tages an meine Kinder weitergeben kann."
"Kinder", sagte der Berg leise. "Sag mir, Flötenspieler, wenn du gehen musst, wer sorgt dann für deine Kinder?"
"Meine Leute", antwortete der junge Mann ohne Zögern. "Kinder sind unsere Zukunft und von ihnen kann man eine Menge lernen. Ihr Lachen und ihre Neugierde erinnern uns daran, dass wir im Vergleich zum Großen Geist alle Kinder sind." Der junge Mann hob die Flöte vor sein Gesicht, betrachtete sie fasziniert. "Ich glaube, deshalb hat der Große Geist uns die Flöte zum Geschenk gemacht."
Nachdem der junge Mann gesprochen hatte, seufzte Aikarupata erleichtert. Er hatte beschlossen, den Menschen ein großes Geschenk zu machen, denn nun hatte er Gewissheit und konnte in Ruhe gehen, ohne sich um seine vielen Kinder sorgen zu müssen. Von jetzt an würden die Menschen aufpassen. Sie waren, trotz ihrer Absonderlichkeiten, gute Wesen. Und vielleicht war gerade dies ihre größte Stärke, dass sie ihre Einheit mit dem Universum erst selbst erkennen mussten. Denn den Frieden im Herzen, das wusste Aikarupata, konnte man sich nur selbst geben. Müdigkeit und Erschöpfung ließen den Berg leise grollen, und es schien, als würde er sich behaglich einkuscheln, um zu schlafen.
Der junge Mann wusste, dass Aikarupatas Zeit nun gekommen war. Er war erfüllt von tiefer Dankbarkeit, dass er diese letzten, kurzen Augenblicke im langen Leben des Weisen miterleben durfte.
"Flötenspieler", murmelte da der Berg, "würdest du noch einmal etwas für mich spielen?"
Abermals hob der junge Mann seine Flöte an die Lippen, begann zu spielen. Er wurde ein Teil des Liedes, flog mit den Tönen durch die Luft. Der junge Mann dachte an seine Familie, die Geschichten über Aikarupata und die geführten Gespräche mit dem wachenden Weisen. In seinem Herzen fühlte er eine tiefe Zufriedenheit und diese Gefühle ließ er in seine Flöte fließen. Der Wind trug seine Klänge weit davon, hoch gen Himmel zu den Geflügelten, tief hinab zur Erde, wo sie sich um die Lager der Menschen und Vierbeiner schlängelten. Von all dem merkte der Flötenspieler nicht viel. Unter sich konnte er den Berg grollen hören. Der Herzschlag wurde leiser, der Berg kleiner. Er fühlte diesen erzittern, aber niemals unterbrach er sein Spiel, denn er wusste, Aikarupata würde nicht zulassen, dass ihm etwas geschah.
Und so schied Aikarupata, der wachende Weise, dahin. Als seine körperliche Hülle langsam in sich zusammenfiel, teilte sich seine Seele in sieben kleine Steine auf und Aikarupata hörte auf zu sein, wer er war. Er wurde "neu" geboren und die sieben Steine ließen sich in den sieben sakralen Plätzen der He Sapa9 nieder. Jeder dieser Plätze enthält einen Teil der Weisheit Aikarupatas. Sie sind sein Erbe, sein Geschenk an die Menschen, ebenso wie Orte, an denen Gebete erhört werden. Sie sind älter als alt20 und um sein zu können, wofür sie geschaffen wurden, brauchen sie Schutz. Und diese ehrenvolle Aufgabe hat Aikarupata an die Menschen dort übertragen.
Die Legenden erzählen, dass Aikarupata sich in Wirklichkeit sogar in acht Steine geteilt hat. Der achte Stein war ein kümmerliches, winziges Stück, unschön anzusehen, doch in ihm wohnte eine Kraft, die unvergleichbar war. Dieser achte Stein war das Herz Aikarupatas gewesen. Aus ihm ist der Berg emporgewachsen über viele Jahrtausende hinweg. Und dieses kleine Steinchen landete im Herzen des Flötenspielers, von wo aus es in den Herzen seiner Kinder und deren Kinder weiterwuchs bis zum heutigen Tage. So wurde aus dem jungen Mann ein weiser Mann, der später sogar den Namen "Freund der Steine" tragen sollte. Der Flötenspieler wurde ein großzügiger Mensch, der alles teilte, was er besaß. Dennoch mangelte es ihm nie an etwas, denn in seinem Herzen wohnte ein Teil des Lebens. Genau wie in den Herzen aller Wesen.
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