Das Auge des Panthers. Katrin Ulbrich

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Das Auge des Panthers - Katrin Ulbrich

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Schaffell gesickert.

      «O lieber Herr, gib mir Kraft!», murmelte Pit und taumelte zurück.

      «Was …», setzte sein Begleiter an, verstummte aber jäh, als er dessen Blick folgte. «Verdammt, das ist der Kerl, dem die Villa gehört! Anscheinend ist uns jemand zuvorgekommen.»

      «Wir müssen hier sofort weg, Bruno!»

      «Nicht ohne die Beute! Wo wir schon so weit gekommen sind …» Bruno stockte. In die gegenüberliegende Wand war ein Tresor eingelassen. Dessen Tür stand sperrangelweit offen. Das Innere war leer. «Das gibt es doch nicht!»

      «Wir können unser Pech später verwünschen», drängte Pit.

      «Jetzt müssen wir erst mal sehen, dass wir Land gewinnen.» Er hatte kaum ausgesprochen, als draußen eine Sirene aufheulte. Ein Blick hinaus ließ ihn aufkeuchen. «Die Polizei ist da! Was machen wir denn jetzt? Wenn sie uns hier bei der Leiche finden, sind wir geliefert!»

      AN DIESEM ABEND ging es in der Redaktion der Leipziger Volkszeitung zu wie in einem Bienenstock. Die Redakteure arbeiteten mit Hochdruck daran, die nächste Ausgabe fertigzustellen. Es wurde getippt, gegrübelt und geflucht. Volontäre hasteten zwischen den Schreibtischen herum, sammelten fertige Texte ein und brachten sie in die Setzerei, während von draußen der Regen gegen die Fenster des Verlagsgebäudes trommelte.

      Die Leipziger Volkszeitung war 1894 gegründet worden und lieferte seitdem tagtäglich die neuesten Nachrichten. Die Redaktion war zusammen mit der Setzerei und der Druckerei unter einem Dach in der Tauchaer Straße vereint.

      Konrad Katzmann rauchte der Kopf. Der Reporter war seit dem frühen Morgen auf den Beinen. Er hatte drei verschiedene Artikel geschrieben, redigiert und sich obendrein mit einem Leser herumgeschlagen, dem sein Beitrag zum Zeppelinflug nicht ausführlich genug gewesen war.

      Angefangen hatte er bei der LVZ als Dresdenkorrespondent. Inzwischen war er festangestellter Reporter und ging in seinem Beruf auf. Er liebte es nachzuforschen, zu berichten und seine Erkenntnisse niederzuschreiben.

      Mit seinen einsachtzig war er großgewachsen und drahtig. Hinter seiner runden Brille blitzte ein Paar eisvogelblauer Augen. Seine dichten Haare waren seitlich gescheitelt, weil er fand, dass ihm das besser stand als der vor einigen Jahren in Mode gekommene Mittelscheitel. Er ging nie ohne einen Notizblock und einen Bleistift aus dem Haus. Und sein bester Freund war ein kleiner, in die Jahre gekommener Terrier, der bei seiner Schwester Lotte in einem Haus am Rande von Leipzig lebte, wo er viel Auslauf im Grünen hatte.

      Konrad Katzmann wollte gerade Feierabend machen, als Eugen Leistner, der Chefredakteur der LVZ , vor seinem Schreibtisch auftauchte. «Ich brauche einen Kommentar zum Briand-Kellog-Pakt, Genosse Konrad!»

      «Jetzt noch?»

      «Aber nein, in vier Wochen reicht es völlig. Unsere Leser sind ja bekannt für ihre Geduld … Nein, natürlich jetzt noch! Ich brauche ihn für die Abendausgabe. Wir haben ein Loch, weil dieser verflixte Kulturredakteur nicht rechtzeitig geliefert hat.»

      Katzmann griff zum Notizblock, während er in Gedanken bereits einen Aufhänger für den Kommentar suchte. An seinen Feierabend war vorerst nicht zu denken.

      In den vergangenen Monaten war der Briand-Kellog-Vertrag fast täglich ein zentrales Thema in der Zeitung gewesen. Es handelte sich um einen Kriegsächtungspakt, der nach langem Hin und Her vor wenigen Wochen in Paris unterzeichnet worden war. Darin verpflichteten sich die teilnehmenden Staaten, den Krieg niemals zum Werkzeug ihrer Politik zu machen, sondern Streitigkeiten friedlich zu lösen. Angriffskriege waren damit ausgeschlossen. Der Vertrag ließ nur die Möglichkeit zur Selbstverteidigung offen. Neben den USA, Australien und acht weiteren Staaten gehörte auch das Deutsche Reich zu den Unterzeichnern.

      «Halte nicht mit deiner Meinung hinter dem Berg, Genosse Konrad», verlangte Leistner und krempelte die Ärmel seines Hemdes hoch. «Dieser Pakt ist viel mehr als nur ein Mittel gegen den Krieg. Er ist eine Taktik!»

      «Aber in erster Linie soll damit der Frieden zwischen den Völkern gesichert werden.»

      «Eben nicht! Nach dem Weltkrieg ist das Deutsche Reich gerade dabei, erneut zu erstarken. Es ist auf dem besten Weg, wieder eine Vormachtstellung in Europa einzunehmen, und das ist so manchem ausländischen Staatsmann ein Dorn im Auge. Was glaubst du denn, warum sich der französische Außenminister Briand um diesen Vertrag bemüht hat? Er will durch einen völkerrechtlichen Vertrag mit den USA die Machtposition seines Landes stärken. Es geht ihm weniger darum, den Krieg zu ächten, als vielmehr darum, seinem Land in Europa eine stärkere Stimme zu verschaffen.»

      «Das glaube ich nicht», wandte Katzmann ein. «Dieser Vertrag wird seinen Teil dazu beitragen, den Frieden auf der Welt zu sichern. Das sollten wir nicht vergessen.»

      «Aber das will kein Mensch mehr lesen! Schreib mir einen Artikel mit Biss, sonst muss ich dich wohl ab morgen die Todesanzeigen bearbeiten lassen …»

      «Aber die Gefahr eines Krieges ist das zentrale Thema des Vertrags. Ich bezweifle, dass bloßes Taktieren dahintersteckt.» Katzmann blieb ruhig. «Ein weiterer Krieg muss unbedingt verhindert werden.»

      «Große Worte von einem Mann, der nie an der Front war. Du weißt doch gar nicht, wovon du redest, Genosse Katzmann.»

      Der Reporter biss die Zähne zusammen. Leistner schien heute besonders angriffslustig zu sein. Und er hatte einen wunden Punkt getroffen: Denn Katzmann war bereit gewesen, im Krieg von 1914 seinen Beitrag zu leisten, aber er war ausgemustert worden. Mit seinem Asthma hatte man ihm den Dienst verwehrt. Seine Mutter hatte das als Glücksfall betrachtet. Sie war froh gewesen, dass Katzmann nicht ins Feld geschickt wurde. Für seinen Vater indes war es eine Schmach: Er schämte sich immer noch dafür, dass sein Sohn nicht für sein Vaterland gekämpft hatte.

      Katzmann hielt eine herbe Erwiderung zurück und antwortete Leistner nur: «Du kennst meine Ansicht. Und etwas anderes werde ich auch nicht schreiben.»

      «Also schön, wie du willst. Aber mach ein bisschen flott! In einer halben Stunde brauche ich den Kommentar auf meinem Schreibtisch.» Damit wandte sich Leistner um und kehrte in sein Bureau zurück, das nur durch eine Glasscheibe von den übrigen Redakteursplätzen getrennt war. So konnten nun alle sehen, wie er sich an seinen Schreibtisch setzte und auf seiner Schreibmaschine herumhackte.

      «Der ist heute aber gut gelaunt», murmelte Rolf Hofer. Der Sportredakteur hatte seinen Schreibtisch neben dem von Katzmann stehen und ein gutmütiges Grinsen im Gesicht.

      Katzmann winkte ab.

      «Mit seinem hohen Blutdruck ist er viel zu schnell auf hundertachtzig. Wäre kein Wunder, wenn er mal einen Herzkasper bekäme.» Sein Kollege angelte sich einen Apfel aus seiner Schreibtischschublade und polierte ihn an seinem Hemdsärmel. Dann runzelte er plötzlich die Stirn. «Oh, ich glaube, da ist noch mehr Ärger im Anmarsch!»

      «Wie meinst du das?»

      «Sieh doch mal zur Tür», gab Rolf ihm einen unauffälligen Wink. «Hast du vielleicht den Geburtstag deiner Freundin vergessen?»

      «Nein, wieso?»

      «Weil sie gar nicht glücklich aussieht. Wenn Blicke töten könnten, hätten wir im Handumdrehen die Polizei im Haus.»

      Konrad Katzmann wandte sich verwundert um und stutzte. Eine bildhübsche

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