24 kurze Albträume. Группа авторов

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24 kurze Albträume - Группа авторов

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und sich wehren und die die roten Flecken auf meinem Teppich machen.

      Meine wirkliche Angst aber ist immer, unter den vielen Puppen könnte auch eine sein, die eigentlich eine liebe Puppenmutter ist, so wie meine kleine Schülerin aus dem Nebenhaus.

      Anja Slauf – Aus dem Schatten

      Meine Schritte sind vorsichtig. Der Boden ist von trockenem Laub bedeckt und ich habe nicht vor, durch verräterische Geräusche auf mich aufmerksam zu machen. Langsam schleiche ich näher.

      Da bist du. Deutlich zu erkennen trotz des spärlichen Lichts, das dich erhellt. Du bist alleine. Obwohl du dich vollkommen unbeachtet fühlst, ist jede deiner Bewegungen voller Grazie. Deine Lippen bewegen sich, höchstwahrscheinlich führst du mal wieder Selbstgespräche.

      Ich lächle und mache einen weiteren Schritt auf dich zu. Immer wieder wirfst du einen Blick auf die Uhr, dann wendest du dich der Stange zu, die seit einigen Monaten dein Wohnzimmer ziert. Für viele ist es eine Trendsportart, für andere ein Weg, sich zu profilieren. Für dich jedoch scheint es so viel mehr zu sein. Jede deiner Bewegungen wirkt perfekt und es ist mir unmöglich, meine Augen auch nur für Sekunden von dir abzuwenden.

      Nur leise dringt die Musik an meine Ohren. Dein Lächeln wirkt entrückt, als wärst du in deine eigene Welt abgedriftet, eine Welt, die andere oftmals als ein wenig seltsam empfinden. Doch dich stört das nicht und mir gefällt diese Selbstverständlichkeit, mit der du deine kleinen Eigenarten lebst.

      Wieder mache ich einen Schritt näher. Meine Fingerspitzen legen sich auf die Barriere zwischen uns. Das Fensterglas ist kalt und ein sanftes Schaudern durchfährt mich. Du siehst mich nicht. Wie immer ist das Licht auf deiner Veranda kaputt, und ich verschwinde nahezu zwischen den Schatten der Bäume und der einbrechenden Dunkelheit. Das perfekte Versteck.

      Wieder wirfst du einen Blick auf die Uhr. Du lässt von der Stange ab und beginnst stattdessen, dich zu dehnen. Während der letzten Wochen hast du große Fortschritte gemacht und ich sehe dir die Freude daran an. Der menschliche Körper ist mehr als nur faszinierend. Und immer wieder schielst du zur Uhr.

      Ein oder zwei Minuten lang werde ich dir noch zusehen. Maximal fünf. Länger wirklich nicht. Ich starre dich an, nehme jedes noch so kleine Detail deiner Präsenz in mir auf. Viel zu früh werden diese unbemerkten Augenblicke wieder vorüber sein. Ein tiefes Durchatmen und ich löse meine Finger von der Scheibe.

      Kaum hörbar knistern die Blätter unter meinen Schuhsohlen. Langsam nähern sich meine Schritte deiner Haustüre. Meine Hand hebt sich und ich klopfe.

      Ich höre wie du aufspringst und zur Tür läufst. Stürmisch reißt du sie auf. Ein Strahlen liegt auf deinem Gesicht, als du mich mit einer Umarmung begrüßt. Du bist es gewohnt, dass ich mich verspäte und ich werde mich hüten, dir den Grund dafür zu verraten.

      Han Gartner – Verbundenheit

      Ihn fröstelte. Von einer Sekunde auf die andere schien der Winter eingebrochen zu sein. Frank sah sich verwirrt um. Spürte nur er den Umschwung? Wie konnte das sein?

      Die Erkenntnis, dass es wieder begann, erschreckte ihn zutiefst. Mit weichen Knien schwankte er zur nahen Bushaltestelle und ließ sich in eine freie Sitzschale fallen. Das Zittern ließ seinen Blick verschwimmen.

      Gleich musste es geschehen! Er würde unweigerlich den oder die Auserkorene sehen. Wie beim letzten Mal vor zwei Jahren, nur war es diesmal viel schlimmer. Damals war gerade mal ein Kribbeln seinen Rücken heruntergelaufen und im nächsten Moment hatte er sie gesehen. Als wenn alles andere drumherum unschärfer würde und nur sie klar abgegrenzt und irgendwie heller, wie mit einem Leuchten umgeben. Er hatte noch versucht, sie zu warnen. Vergeblich. Beim ersten Mal hatte er am nächsten Tag von dem tragischen Tod einer Frau gelesen. Mitten am Tag, mitten in der Stadt in einer Nebenstraße war sie entdeckt worden. Da keine Papiere bei ihr gefunden worden waren, hatte die Polizei eine Beschreibung der Toten in die Zeitung gesetzt. Frank war schlecht geworden und der Schwindelanfall hatte ihn umgeworfen.

      Wie durch einen Schleier bekam er mit, dass ein Bus abfuhr, dessen Ankunft er nicht mitbekommen hatte. Er hob den Kopf - und da sah er ihn.

      Der junge Mann auf der anderen Seite der Straße saß wie er an der Bushaltestelle. Alles andere drumherum verschwamm. Nur er selbst strahlte. Von einem auf den anderen Moment kam zu dem Kältegefühl auch ein Schweißausbruch. Frank krümmte sich auf seinem Sitz zusammen, konnte aber den Blick nicht von dem Mann lassen, der noch völlig ahnungslos mit seinem Handy spielte.

      Auf einmal erinnerte Frank sich an den Moment, an dem seine ältere Schwester ihn einmal beiseite genommen hatte. Damals war er vierzehn gewesen. In seinem Kopf klang ihre Stimme hohl nach.

      »Wir beide sind was Besonderes. Manchmal fühle ich genau, wie du dich fühlst. Es ist eine eigenartige Sache.« Und dann hatte sie noch etwas hinzugefügt, das er nicht verstanden hatte. »Bei starken Emotionen ist es fast, als würden wir miteinander reden.«

      Wieso kam ihm diese Erinnerung jetzt? Angst und Unsicherheit schnürten ihm die Kehle zu. Er atmete heftig und stoßweise, um die Übelkeit und Ohnmacht zu besiegen.

      Gegenüber fuhr ein Bus an die Haltestelle und kurz darauf war der Sitz leer. Frank hechtete hinter das Wartehäuschen und übergab sich. Dann kniete er keuchend neben seinem Erbrochenem. Eigenartigerweise fühlte er sich trotz des säuerlichen Geruchs einen kurzen Moment lang geborgen.

      Eine Frau wollte ihm helfen, doch er lehnte ab und sagte, dass es ihm wieder gut ginge. Sie gab sich damit zufrieden und lief weiter, nicht ohne den Kopf zu schütteln.

      Er sah noch einmal hinüber zu der anderen Haltestelle, doch da war natürlich niemand mehr.

      Frank fühlte sich miserabel. Durch seinen Anfall hatte er den Jungen nicht warnen können, ihm sagen können, pass auf, da passiert gleich was. Mach irgendwas anders als sonst, dann geht der eine Moment vielleicht vorüber, ohne dass etwas geschieht. So blieb ihm nur die Gewissheit, dass er versagt hatte. Mit hängenden Schultern machte er sich auf den Heimweg.

      War er wirklich etwas Besonderes, hatte er den dritten Blick oder wie das hieß? Er wusste nur, dass es ihn fertig machte. Mit so einer Gabe wollte er nicht weiter leben.

      Seit dem Tod seiner Schwester bei diesem furchtbaren Hausbrand fühlte er sich leer und alleingelassen. Auch wenn sie weit auseinander gewohnt hatten, so hatten sie viel miteinander telefoniert und sich auch oft bei den Eltern-Besuchen gesehen. Er vermisste sie. Er hatte nie die Chance gehabt, mit ihr über seine Seher-Erlebnisse zu reden. Sie hätte ihm geholfen, da war er sicher. Nun aber musste er selbst damit fertig werden.

      Erst das Reifenquietschen und die Hupe rissen ihn jäh aus seinem Trott. Er konnte sich gerade noch am rollenden Kastenwagen abstoßen. Er fiel, als würden ihn Hände tragen. Seine Landung war weich, obwohl er mit dem Kopf auf den Bürgersteig schlug. Benommen rappelte er sich hoch und befühlte die Beule am Hinterkopf. Irgendwo klapperte eine Tür und ein Mann zeterte. Verwirrt musste Frank sich erst einmal orientieren. Was war das eben gewesen? Hatte ihn jemand umarmt? Hatte sich absolut echt angefühlt. Genauso wie die Beule, die mächtig weh tat.

      Er musste weg hier, musste nachdenken. Da war etwas. Irgendetwas stimmte nicht, oder doch?

      Er winkte entschuldigend mit den Armen und ging einfach weiter. Sollten sie doch denken, was sie wollten.

      Eine seltsame Regung aus Hoffnung und Verzweiflung hatte sich seiner bemächtigt. Was waren das für Momente, in denen er meinte, nicht alleine zu

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