Das Wiener Logenbild. Tjeu van den Berk

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Das Wiener Logenbild - Tjeu van den Berk

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in dieser Arbeit mitgewirkt hätten. Plausibel ist dies; einen Beweis dafür gibt es aber nicht. Auch alles andere an diesem Bild ist rätselhaft: Wer es gemalt hat, weiß man nicht; darüber, wann genau und wo die abgebildete Tempelarbeit stattgefunden hat, in welchem Ritus und nach welchem Ritual gearbeitet wurde, gibt es nur Mutmaßungen. In seiner höchst interessanten und packenden Investigation versucht Tjeu van den Berk nun, nicht nur herauszufinden, wer hier abgebildet ist, sondern auch all die anderen Fragen zu klären. Zu welchen Antworten er dabei gelangt, sei hier nicht vorweggenommen. Worüber es aber im Ganzen gehen soll, darüber darf man ruhig etwas sagen und facht damit die Neugier auf dieses Buch nur an. Tjeu van den Berk kommt zum Schluss, dass in der abgebildeten, viele Traditionen gezielt vermischenden, irregulären Tempelarbeit von Eingeweihten unterschiedlicher Grade und sozialer Herkunft nichts weniger versucht wurde, als Österreich auf den Übergang zu einer konstitutionellen Monarchie vorzubereiten. Weil der Absicht nach auf ein historisches Ereignis von höchster Bedeutung für die Öffentlichkeit angelegt, sei die geheime Zusammenkunft, gleichsam als Memorandum, durch einen dafür beauftragten, aber anonym bleibenden Maler im Bilde festgehalten worden. Das Bild zeigt also, so die nicht beweisbare, aber einleuchtende These van den Berks, den Versuch der prominentesten, in unterschiedlichsten Bereichen wirkungsmächtigen Freimaurer, in die politische Wirklichkeit umzusetzen, was Ignaz von Born aus seiner Studie über die Mysterien der Indier als Auftrag für die Freimaurer abgeleitet hat, nämlich „zum Glück der Menschheit überhaupt mit vereinten Kräften zu arbeiten“. Unternommen wurde dieser Versuch in der kurzen Hochzeit der Regentschaft Leopolds II. Danach kehrte unter Franz II. der Autoritarismus mit grausamer Verfolgung der Freimaurer zurück. – Dieses Buch ist ein kühner, aber äußerst sorgfältig recherchierter und klug argumentierender Wurf, dessen Lektüre auch dann, wenn nicht alles im strengen Sinne den Tatsachen entsprechen sollte, begeistert.

       Christoph Meister

       Quatuor Coronati, im Oktober 2019

      Einführung

      Im Herbst 1926 erwarb das Historische Museum der Stadt Wien von Reichsfreiherr Rudolf von Tinti aus Kroisbach bei Graz ein 74 x 94 cm großes Ölgemälde, auf dem das Innere einer Freimaurerloge abgebildet ist. Das Gemälde stammt aus den 80er bis 90er Jahren des 18. Jahrhunderts (Abb.1).1

      Das Bild ist unsigniert und undatiert. Es hängt noch immer im selben Museum – jetzt Wien Museum Karlsplatz – und es gilt als eines der einhundert Highlights dieses Museums.2

      Offiziell trägt es den Titel: Innenansicht einer Wiener Freimaurerloge um 1790.

      Abbildung 1

      Anlässlich der Übergabe 1926 berichtete der Reichsfreiherr von Tinti, dass sich der Raum, den diese freimaurerische Zusammenkunft zeigt, im Haus Zu den sieben Schwertern befindet, einem der schönsten Barockhäuser in Wien, gelegen in der Schwertgasse Nr. 3. Ihm zufolge seien damals in einem Saal an besagter Adresse noch die Reste jenes Wandbildes zu erkennen, das im Hintergrund des Gemäldes zu erkennen ist.3

      Von Tinti war außerdem davon überzeugt, dass der Kandidat mit der Augenbinde, der im Vordergrund des Bildes begrüßt wird, einer seiner Vorfahren sei, jedoch hatte er dafür keinen Beleg.

      Die Fachleute realisierten schon sehr bald, dass auf diesem Bild etwas Einzigartiges dargestellt ist, und zwar nicht nur, weil man unter den anwesenden Brüdern deutlich Mozart zu erkennen meinte. Die ganze Szenerie ist bemerkenswert. Die Darstellung einer freimaurerischen Einweihung (genau das glaubte man auf der Leinwand zu sehen) berührte ein Tabu. Vor allem die Freimaurer selbst waren über das Bild höchst erstaunt. Hinzu kommt, dass Ende 1793 die österreichische Großloge verboten wurde. Geheime Gesellschaften galten im Österreich jener Zeit als subversiv; ihnen anzugehören war gefährlich. Wer würde es gewagt haben, sich in dieser Zeit gar als Freimaurer porträtieren zu lassen? Erst 1918 wurde es Freimaurern in Österreich wieder erlaubt, Logen zu gründen. Acht Jahre später tauchte dann dieses Gemälde auf.

      Beim Ankauf war das Bild in einem schlechten Zustand. Vieles darauf war nur vage zu erkennen. Erst als es fachmännisch restauriert und gereinigt worden war4, bemerkte man, wie sorgfältig und präzise die Darstellung ist. Besonders deutlich sind die Gesichter; die dargestellten Männer müssen sich zu ihrer Zeit alle selbst wiedererkannt haben. Je deutlicher die Szenerie auf dem Gemälde hervortrat, desto unsicherer wurde man, was in der Szene eigentlich dargestellt ist. Im Allgemeinen waren die Interpretationen „oberflächlich“. Einige nahmen an, dass der Maler das Bild oberflächlich gemalt habe und andere hatten nur eine sehr oberflächliche Vorstellung von den Ritualen der Freimaurerei.

      Die Interpretatoren des Bildes hatten vor allem Schwierigkeiten mit den dargestellten Anomalien. Es gibt nämlich ausdrückliche Abweichungen von allgemeinen freimaurerischen Vorschriften. Es stellte sich die Frage: Verfälschte der Maler hier bewusst Tatsachen oder stellte er genau dar, was er in einer „ungewöhnlichen“ Loge vorgefunden hatte?

      1957 erschien die erste seriöse Untersuchung des Gemäldes von dem bekannten Historiker und Mozart-Kenner Otto Erich Deutsch (1883–1967). Nach Deutsch soll auf dem Gemälde die letzte Phase der Aufnahme eines Freimaurerlehrlings zu sehen sein: Der Kandidat nimmt Abschied, gleich wird ihm die Augenbinde abgenommen. Der Vorhang rechts im Vordergrund wird hochgezogen.5

      Nach allem was wir heute wissen, ist diese Interpretation abwegig. Die heute fast einhellig vertretene Meinung ist, dass wir hier nicht den Abschluss, sondern den Beginn eines freimaurerischen Aufnahmerituals sehen. Der „Bühnenvorhang“ wird hochgezogen, der Kandidat wird begrüßt und der Zeremonienmeister ermuntert ihn mit seiner linken Hand, einzutreten.

      Dies ist ein Beispiel dafür, wie entgegengesetzt die Meinungen bezüglich der Darstellung auf dem Gemälde häufig sind. Deutsch erkennt im Übrigen genau, wie schwierig es ist, den Bildinhalt klar zu interpretieren. Er lässt daher auch vieles offen. Nach seiner Meinung kommt die Wiener Loge Zur wahren Eintracht am ehesten in Betracht, es könnten aber auch drei andere Logen sein. Deutsch versucht auch, mögliche Ahnen in der Familie von Tintis ausfindig zu machen, die eventuell als Kandidat mit der Augenbinde dargestellt sein könnten. Er findet einige Personen aus verwandten adeligen Familien, ohne jedoch den Dargestellten genauer eingrenzen zu können.

      Auch beim Versuch, dem Maler des Bildes auf die Spur zu kommen, ergeben sich mehrere Möglichkeiten.6

      Für die Interpretation der dargestellten freimaurerischen Ausstattung ruft Deutsch (der offensichtlich selbst kein Freimaurer ist) keinen Geringeren zu Hilfe als den damaligen Direktor des Deutschen Freimaurermuseums in Bayreuth, Dr. Bernhard Beyer (1879–1966). Leider bleibt auch dieser häufig im Unklaren, und Deutsch bemerkt taktvoll, „dass selbst dem erfahrenen Fachmanne einiges unaufgeklärt zu bleiben scheint“.7 Auch Beyer ist offenbar ratlos ob der offensichtlichen Abweichungen in der freimaurerischen Darstellung.

      Es liegt der Schluss nahe, dass Deutsch das noch nicht restaurierte Gemälde studiert hat (vgl. Anm. 4), denn er wagt sich überhaupt nicht an eine Zuordnung der Namen der Porträtierten. Eine Ausnahme bildet Mozart, aber auch hier ist er unsicher und schreibt ironisch: „Phantasievolle Leser werden ihn [= Mozart] leicht in der Figur rechts vorne erkennen.“8

      Ich selbst habe dieses Gemälde bereits öfter besprochen, und zwar im Zusammenhang mit meinen Studien bezüglich der Zauberflöte.9

      Diese Oper ist meines Erachtens eine alchemistische Allegorie. Ich fand im Logenbild so viele Hinweise auf diesen hermetischen Hintergrund, dass ich meinte und noch immer meine, dass genau in dieser Loge

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