Das Wiener Logenbild. Tjeu van den Berk

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Das Wiener Logenbild - Tjeu van den Berk

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ganz auf und verteilten ihre Besitzungen unter den Armen.2 Die sechs anderen vereinigten sich in zwei Sammellogen, die Ende Dezember 1785 ihre Türen öffneten: Zur Wahrheit und Zur neugekrönten Hoffnung.3 Mozart trat mit seiner Loge Zur Wohltätigkeit der Hoffnung bei. Im Jahre 1787 löste die Loge Zur Wahrheit sich schon wieder auf. Die Dynamik war gebrochen; es brachte kein besonderes Ansehen mehr mit sich, Freimaurer zu sein. Von dem Moment an gab es also nur noch eine Loge, die schnell das Wort „neu“ aus ihrem Namen strich und sich wieder Zur gekrönten Hoffnung nannte.

      Joseph II. starb unerwartet am 20. Februar 1790; sein jüngerer Bruder Leopold II. folgte ihm auf dem Thron (1747–1792). Unter ihm (er sollte nur zwei Jahre regieren) blühten die hermetischen Strömungen wieder auf. So wurde in den ersten Monaten seiner Regierung, am 13. Juli 1790, die alte Loge Zum heiligen Joseph wiedereröffnet,4 und am 5. Juni jenes Jahres baten zwei Mitglieder der Zur gekrönten Hoffnung darum, eine dritte Loge gründen zu dürfen, was ihnen im Februar 1791 zugestanden wurde. Bei der Einweihung jener dritten offiziellen Loge mit dem Namen Zur Liebe und Wahrheit, am 1. November 1791, dirigierte Mozart seine Kleine Freimaurerkantate (KV 623), seine letzte vollendete Arbeit. Drei Wochen später stirbt er.5

      Geht man von dem von Landon angenommenen Entstehungszeitpunkt des Gemäldes aus (Frühjahr 1790), fällt als Darstellungsobjekt die Loge Zur Liebe und Wahrheit definitiv aus, und auch die Loge Zum heiligen Joseph (wiedereröffnet am 13. Juli 1790) wäre sehr unwahrscheinlich. Man versteht also Landons Erklärung, es handele sich um die Loge Zur gekrönten Hoffnung, gerade weil er eine große Anzahl von Brüdern aus jener Loge auf dem Gemälde wiedererkannte.

      Neue Entdeckungen

      Und doch hat sich Landon in einigen Punkten geirrt. Nicht dass die durch ihn genannten Männer keine Mitglieder der Loge Zur gekrönten Hoffnung gewesen wären. Er irrte sich jedoch in der abgebildeten Loge; es muss eine andere gewesen sein.

      Es gibt eine bemerkenswerte Entdeckung des Mozart-Forschers Harald Strebel (geb. 1942). Strebel stimmt mit Landon darin überein, dass die stehende Person, Mitte vorne auf dem Gemälde, Nikolaus I. gleicht, aber Strebel entdeckte, dass der Name „Nikolaus Esterházy“ auf den Mitgliederlisten von Zur gekrönten Hoffnung auch in den Jahren 1791, 1792 und 1793 bestehen bleibt. Der Prinz ist jedoch 1790 gestorben. Strebel stellt darum zu recht fest, dass jener Nikolaus Esterházy auf der Mitgliederliste wahrscheinlich der Sohn des Fürsten gewesen sein muss, der ebenfalls Nikolaus hieß.1

      Dies hieße jedoch, dass Nikolaus I. zwar auf dem Gemälde zu sehen ist, aber als Mitglied einer anderen, inoffiziellen Loge, nämlich einer sogenannten Winkelloge. Winkel heißt „Unterschlupf“. Diese Art von Logen war in jenen Jahren eine normale Erscheinung. In einer solchen Loge konnten Brüder aus unterschiedlichen (manchmal aufgelösten) Logen einander (weiterhin) in vertrautem Kreis begegnen.

      Auch die Darstellung von Karl Ludwig Giesecke auf dem Gemälde wird nun plausibler. Giesecke war zwar Mitglied von Zur gekrönten Hoffnung, wurde dort aber erst am 24. Juni 1790 als Lehrling aufgenommen. Auf unserem Gemälde trägt er auf der Brust ein Winkelmaß, was deutlich auf einen höheren Grad hinweist, und sein Schurz mit roten Rosetten gibt sogar an, dass er schon die ersten drei Grade (Lehrling, Geselle, Meister) durchlaufen hat. In der Gekrönten Hoffnung wäre er als Lehrling wahrscheinlich nicht zu dieser Einweihungszeremonie zugelassen worden.

      Giesecke kam Ende 1788 nach Wien. Wir wissen, dass er ab 1787 im Dienste von Prinz Nikolaus I. war. Jene Tatsache erwähnt er ausdrücklich in seinem Curriculum Vitae, geschrieben 1804: „Danach zog ich nach Ungarn und war beim (inzwischen) verstorbenen Prinzen Nicolas Esterhazy Berater in Sachen Metallurgie.“2 Es ist also gut möglich, dass Giesecke im Gefolge des Prinzen Mitglied in der abgebildeten Winkelloge war.

      Auch die Anwesenheit von Emanuel Schikaneder auf dem Gemälde wirft jetzt weniger Fragen auf, denn dieser ist mit hoher Sicherheit kein Mitglied von Zur gekrönten Hoffnung gewesen. Er war wohl Mitglied einer Loge aus Regensburg (wo man seine Anwesenheit übrigens nicht mehr so sehr schätzte, wegen einer Affäre, die er dort mit einer prominenten Dame hatte). Schikaneder übersiedelte im Juli 1789 nach Wien, wo er Direktor des Theaters auf der Wieden wurde, in dem zwei Jahre später Die Zauberflöte aufgeführt werden sollte.3

      Auch die Zahl der anwesenden Brüder weist auf eine inoffizielle Loge hin. Es sind gut gezählt 35 Personen zu sehen. Ich glaube auch, dass ich 35 Kerzen zählen kann, wenn ich die Beleuchtung, die von der Decke herunterhängt, außer Acht lasse. Zwei Kerzen sind versteckt hinter dem aufgezogenen Vorhang links. Es könnte sein, dass jede Kerze einen anwesenden Bruder darstellt.

      Zur gekrönten Hoffnung kannte (nach der Liste von Landon) 1790 aber 89 „anwesende Brüder“.4 Diese Menge konnte sich unmöglich im abgebildeten Raum aufhalten, denn dieser ist schon mit den abgebildeten 35 Personen nahezu komplett besetzt. Zufälligerweise existiert auch noch eine Beschreibung des damaligen Tempels der Loge Zur gekrönten Hoffnung, die in vielen Punkten deutlich von dem Zustand abweicht, den das Gemälde dokumentiert. So sollen darin 105 weiß gestrichene, mit Eisen beschlagene Stühle gestanden haben – auf dem Logenbild sehen wir Bänke. Weiterhin habe es Fenster mit Vorhängen gegeben und es seien „Hieroglyphen“ angebracht gewesen5 – nichts davon lässt sich auf dem Bild erkennen.

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