GegenStandpunkt 1-17. Группа авторов

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wohlmeinenden Warnungen einfach nicht aufbringen und damit die Gewerkschaft ‚zwingen‘, sie zur Räson, dabei aber selbstverständlich nicht um ihren Erfolg zu bringen. Der tischt schließlich erst den Kuchen auf, von dem sich die organisierten Arbeitnehmer ihr gerechtes Stück erstreiten wollen.

      Was aus all dem konkret folgt, ist auch im Deutschland des frühen 21. Jahrhunderts nicht eindeutig entschieden. Der gewerkschaftliche Mainstream hat das Ideal zur Perfektion entwickelt, mit Warnstreiks bereits den Schaden, den man dem Arbeitgeber zufügen könnte, aber ersichtlich nicht zufügen will, so erzieherisch wirksam werden zu lassen, dass der echte Streik sich erübrigt. Angesichts der Resultate dieser Kunst können Zweifel an solcher Einvernehmlichkeit allerdings nicht ausbleiben – insbesondere bei ‚Spartengewerkschaften‘, die um die ‚Schlüsselstellung‘ und daher die Schlagkraft ihrer Mitglieder wissen und diese – etwa durch Lahmlegung von Bahn- und Flugverkehr – glatt einsetzen: Prompt ziehen sie sich von Seiten des DGB den Vorwurf zu, mit ihren überzogenen Forderungen und übertriebenen Kampfmaßnahmen die unabdingbare Voraussetzung der gewerkschaftlichen Verhandlungstätigkeit, ihre Anerkennung als konstruktive Kraft durch die Arbeitgeber, womöglich sogar den guten Ruf der Gewerkschaften in der Gesellschaft aufs Spiel zu setzen. Außerdem untergraben sie laut DGB mit derlei Kämpfen den Höchstwert der Gewerkschaft überhaupt, die Solidarität, Grundlage aller gewerkschaftlichen Macht, die heute doch Maßhalten für alle erfordert: Setzt sich eine Gewerkschaft im Interesse ihrer Klientel über den ‚Spielraum‘ hinweg, den das Kapital mit seinen jeweiligen Konkurrenzbedürfnissen absteckt, dann nimmt sie nach dem Dafürhalten des DGB nicht etwa der Gegenseite, sondern vor allem den Kollegen Geld weg.

      Mit welcher Kombination aus Kampf und Einvernehmlichkeit auch immer ein Tarifvertrag zustande kommt, die ‚unternehmerische Willkür‘ wird in jedem Fall ausgebremst: Moderne Arbeitsplätze werden nach qualitativ und quantitativ unterschiedlichen Leistungsanforderungen genauestens unterschieden, denen dann der jeweiligen Branche gemäß ganz objektiv und verbindlich ein (Mindest-)Entgelt zugeordnet wird. Das ist natürlich nicht das Ende der unternehmerischen Freiheit, denn schon der Name der mit Unterzeichnung in Kraft tretenden ‚Friedenspflicht‘ erinnert daran, dass die Gewerkschaften bis zur nächsten Tarifrunde einige Modifikationen des Verhältnisses von Lohn und Leistung friedlich zu schlucken haben. Eben diese Maßnahmen nimmt die Tarifordnung mit ihren Mantel- und Rahmentarifverträgen möglichst vorweg, um sicherzustellen, dass es bei allen Veränderungen der Arbeitsplätze und -abläufe, Entlassungen und Einstellungen, Umgruppierungen etc. mit rechten Dingen, also wie vereinbart zugeht. So wissen die Betroffenen immerhin, dass die Umwälzungen ihrer Arbeits- und Lebensverhältnisse, die sie zu gewärtigen haben, in Ordnung gehen – es sei denn, ein Arbeitgeber nimmt Klagen der Gewerkschaft und mögliche Strafen in Kauf, um in der Zwischenzeit noch ganz andere Fakten zu schaffen. Solche skandalösen Ausnahmen kommen in dieser sozialen Republik zwar mit ärgerlicher Regelmäßigkeit vor, beweisen den deutschen Gewerkschaften aber nur den Segen der Regel: des regelgerechten, auf allen Ebenen mitbestimmten Kommandos über die Arbeit.

      Das ist er dann, der Stolz der deutschen Gewerkschaften, das umfassende Ordnungssystem der Arbeitswelt, das sie mitgestalten, die Sorte ‚gutes Leben‘, die mit solchermaßen gewerkschaftlich groß geschriebener ‚Guter Arbeit‘ zu haben ist. Dank gewerkschaftlicher Beteiligung findet Ausbeutung von Lohnarbeit heutzutage in einem total objektiven und mit dem Stempel ‚sozial gerecht‘ versehenen Rahmen statt, in dem Unselbständige ihr Interesse an einem möglichst guten Auskommen mit dem Einkommen in aller Freiheit verfolgen können: Man kann sich für eine höhere Lohngruppe bewerben und qualifizieren, länger oder besser arbeiten als der vereinbarte Durchschnitt, wenn der Tarif so etwas vorsieht; Defizite in Sachen Qualifikation lassen sich mancherorts mittels Zulagen durch die Inkaufnahme von besonders viel Lärm und Schadstoffen kompensieren usw. Mit Sicherheit ungerecht in dieser Konkurrenz ums Geldverdienen ist alles, was den geltenden Vereinbarungen nicht entspricht, da steht die Gewerkschaft den Betroffenen mit Rat und Tat zur Seite. Die Arbeit geht ihr aber auch da nicht aus, wo alles mit rechten Dingen zugeht: Arbeitgeber geben ihren ständig neuen und verschärften Anforderungen gerne die Gestalt von ‚Chancen‘, also Angeboten an den notorischen Geldmangel ihrer Arbeitnehmer, finden bei Bedarf aber auch ohne pekuniären Extra-Anreiz ‚engagierte Mitarbeiter‘ für die Arbeitsplätze, die sie permanent renovieren, also allemal konkurrenzbeflissene, willige Erfüllungsgehilfen für ihr Profitinteresse. Andere Arbeitsgelegenheiten hat Merkels Land schließlich nicht im Angebot. Und so kommt noch jedes vereinbarte Tarifgefüge ziemlich automatisch wieder in die ‚Schieflage‘, die im Folgejahr nach Korrektur durch die Gewerkschaft verlangt.

      Die Daueraufgabe der gewerkschaftlichen Tarifpolitik, im Kampf um ‚Gute Arbeit‘ den Angriffen der Arbeitgeberseite korrigierend hinterherzulaufen, schließt die bange Frage nach dem „Ob“ bzw. „Wie viel“ der Beschäftigung, eben der Gelegenheiten zum Arbeiten, das da gut werden soll, allemal ein. Seit geraumer Zeit ist diese Reflexion auf die unverzichtbare Bedingung des gewerkschaftlich organisierten Interesses – dass es die Arbeitsmöglichkeiten überhaupt gibt, auf deren Ausgestaltung sich dieses Interesse richtet – zur Richtschnur seiner Verfolgung geworden, und moderne Gewerkschaften kümmern sich um ‚Beschäftigungssicherung‘: Die Arbeitsplätze, die die Voraussetzung und Bezugsgröße des Kampfes um ‚Gute Arbeit‘ bilden, sind heutzutage dermaßen prekäre Existenzen, dass die Arbeitervertretung eigentlich immer gerade damit befasst ist, sie entweder vor übermäßigem Abbau zu schützen, sie in ihrem Bestand zu erhalten oder sich im besten Fall für ihren Aufbau einzusetzen. Das ist keine leichte Aufgabe, weil dafür erstens nun einmal die Arbeitgeber zuständig sind und sich deren namengebende Tätigkeit zweitens von der Bedrohung derselben Arbeitsplätze nur schwer unterscheiden lässt. Denn wenn Unternehmensführungen Arbeitsplätze abbauen, outsourcen, ins Ausland verlagern, durch Zeitarbeiter oder Werkverträgler ersetzen oder ‚Tarifflucht‘ begehen, um aus der verbleibenden Arbeit mehr Ertrag herauszuwirtschaften, dann mag ihr unausbleiblicher Verweis auf die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit ‚im Interesse der Arbeitsplätze‘ noch so verlogen sein: an der Anerkennung dieses Kriteriums als Voraussetzung eines solidarisch zu erstreitenden guten Lebens kommt eine Gewerkschaft einfach nicht vorbei, es gilt nun einmal. ‚Beschäftigungssicherung‘ bedeutet auch auf gewerkschaftlich in der Sache nichts anderes als die Sicherung der Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen.

      Eine verantwortliche Gewerkschaft kann das freilich keinesfalls den Arbeitgebern überlassen, will sie den Betroffenen ‚unnötige Härten‘ ersparen: So viele Entlassungen, wie vorgesehen, sind bestimmt nicht nötig, mit ein bisschen kollektivem Lohnverzicht und Flexibilisierung kann man Arbeitsplätze retten, nämlich rentabler machen. Solche Zugeständnisse machen deutsche Gewerkschaften aber nur gegen das unternehmerische Garantieversprechen, dass die auf diese Weise rentabel gemachte Arbeit auch angewandt wird – was regelmäßig darauf hinausläuft, sie exakt so lange anzuwenden, wie es sich für die Firma rentiert: Erst dann schließt sie den Betrieb. Im Vergleich zu solch bitteren Pillen ist es zweifellos besser, es dazu gar nicht erst kommen zu lassen, etwa mittels Öffnungsklauseln, mit denen Unternehmer im Falle geschäftlicher Schieflagen ihre Belegschaften tarifvertragsgemäß dafür haftbar machen, dass sich ihre weitere Beschäftigung lohnt. In jedem Fall ist gewerkschaftliche Differenzierungskunst verlangt, um echte Geschäftsnotwendigkeiten, denen man Rechnung tragen muss, von bloßer Unzufriedenheit mit der Gewinnlage zu scheiden, die keine Abweichung vom Tarif rechtfertigt – eine Entscheidung, die, davon gehen am großen Ganzen orientierte Gewerkschaften aus, besser nicht dem Betriebsrat des betroffenen Unternehmens überlassen bleiben sollte, auch wenn der aus den eigenen Reihen kommt. Der ist nach langjähriger gewerkschaftlicher Erfahrung nämlich zumeist empfänglich für eine übertriebene Auslegung der Gleichung, dass gut für die Belegschaft ist, was gut für den Betrieb ist, der sich an ihren Diensten bereichert. Als gar nicht übertriebene Normalität gelten dagegen inzwischen Tarifverträge, die gleich ganz allgemein die Ausnahme der Öffnung als Regel vorsehen.

      Was gut für die Beschäftigung ist, kann an der tarifvertraglichen Norm nicht spurlos vorbeigehen. Die Millionen Arbeitslosen, die bei

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