Explorer ENTHYMESIS. Matthias Falke

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Explorer ENTHYMESIS - Matthias Falke

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flach über dem Horizont dahin.

      Wo war Jennifer? Eine Orientierung aus eigener Kraft war kaum möglich. Ich schielte auf das Navigationsarmband und drehte mich wieder so, dass ich die Sonne im Rücken, meinen faden Schatten etwa auf 11 Uhr vor mir hatte. So musste ich sie sehen.

      »Jennifer?«

      Sie war offline gegangen. Vermutlich hatte sie mein Atmen in den Kopfhörern gestört. Ich bin eben nicht mehr der Jüngste! Es war völlig still im Helm. Bloß die Automatik, die alle fünf Sekunden die Verbindung prüfte, blinkte grün über meinem rechten Auge ... Sie tat es nicht! Hatte sie ...? Ich versuchte mir krampfhaft ins Bewusstsein zu rufen, ob und wie lange die Diode etwas angezeigt hatte. In diesem Moment sprang die rote Leuchtdiode an, die signalisiert, dass die lokale Leitung zusammengebrochen ist.

      »Jennifer!«, rief ich sinnloserweise in die tote Automatik.

      »Passive Verbindung offline«, nörgelte es an meinem rechten Ohr.

      »Weiß ich«, schnauzte ich zurück. Verdammter Mist, und das nach so einer beschissenen Nacht!

      »Verbindung wiederherstellen«, befahl ich, »Scan über alle Frequenzen. Wie sieht’s mit der ENTHYMESIS aus?« Aber auch da erfuhr ich nur, was ich schon wusste.

      »Keine Verbindung zur ENTHYMESIS und via Relais zum Mutterschiff seit 82° 47’.« Das war der Übergang auf’s Hochplateau gewesen. Seither waren wir von allem abgeschnitten.

      »Jennifer!«, schrie ich, und »Spar dir deine Kommentare!«, raunzte ich die Automatik an, die mich wieder über die Unsinnigkeit einer Ansprache bei toter Leitung informieren wollte. Irgendwo ging ein grünes Lämpchen an, aber es war das auf der linken Seite. Stress!

      »Jetzt sei nicht gleich beleidigt«, ermahnte ich die virtuelle Intelligenz meines Raumhelmes. »Sieh lieber zu, dass wir online gehen! Was mach ich zum Stress-Abbau?«

      »Reduktion des Nebennieren-Adrenalins durch körperliche Aktivität.«

      Ich lief also langsam wieder los, in nördlicher Richtung wie zuvor. Das rote Licht flackerte und oszillierte, derweil die Automatik die Frequenzen rauf- und runterscannte.

      »Schwaches Positions-Signal auf 98,4 Mhz«, kam es nach endlosen Sekunden, und obwohl ich nur noch zehn Prozent der Drüsenzellen eines Menschen des 20. Jahrhunderts hatte, war ich am ganzen Körper klatschnass geschwitzt.

      »Leitungsaufbau auf 98,4«, befahl ich, »online gehen!«

      Nach quälenden Augenblicken des Wartens, in denen die Anzeige trillerte und bebte und ich zum erstenmal seit der Piloten-Prüfung vor 74 Jahren meinen eigenen Pulsschlag hören konnte, sprang es vor mir auf grün um.

      »Lokale Verbindung online. Schwaches Signal auf 98,4 Mhz. Position 352°. Richtstrahl aus einem Kilometer voraus und drei Meter Tiefe ...«

      »Jennifer!«, brüllte ich und hörte das Summen, mit dem die Übersteuerung heruntergeregelt wurde. »Wo bist du?«

      »Ich bin okay«, sang es aus meinem Helm, und mir taten die Backen weh, so sehr verzog sich mein Gesicht zu einer unwillkürlich grinsenden Grimasse.

      »Bin bloß eingebrochen. Mach langsam und dreh deine Dämpfer hoch. Wir sind zu schwer. Der Untergrund ist porös und stellenweise hohl. So ‘ne Art Karst-Landschaft. Seismisch extrem instabil, wenn ich auch noch keine genauen Werte hab. Ich hab versucht, mich rauszukatapultieren, und bin beim Abstoßen nochmal ein Stockwerk runtergerasselt.«

      Aber da war ich schon nahe genug heran, um es selbst zu sehen. Das Gelände fiel leicht ab und bildete eine Mulde von einigen Kilometern Durchmesser, die selbst wieder von Trichtern und schwarzschattigen Dolinen genarbt war. Aus einem solchen Einsturzkrater, einige hundert Schritt vor mir, kam eben eine silbergraue menschliche Gestalt herausgekrochen, die mir matt zuwinkte.

      »Bleib, wo du bist«, hörte ich sie. »Es ist besser, glaube ich, wenn wir das umgehen. Hat die Konsistenz eines trockenen Schwammes. Auf einen Kubikmeter Fels kommen drei aus dunkelblauer Luft. Außerdem habe ich seismische Irregulari ...«

      Plötzlich rannte sie, schlug einen Haken um einen lichtlosen Trichter, der an einen vulkanischen Nebenschlot erinnerte, und kam dann in gestrecktem Lauf auf mich zu. Staub stieg um sie auf. Mehrfach brach sie bis zu den Knien ein. Ich konnte über die Kopfhörer verfolgen, wie sie die Dämpfung regulierte und mit ihrer Automatik kämpfte, um sich gleichzeitig so leicht und so schnell wie möglich zu machen. Sie hatte ihr Gewicht fast ganz heruntergefahren und wollte sich eben abstoßen, um sich zu mir an den Rand der Kaldera – um etwas derartiges musste es sich handeln – heraufzukatapultieren. Aber der sandige Untergrund bot keinen Widerstand, sondern sackte unter ihren Füßen weg. Mineralische Fontänen stiegen auf, auch aus den Nachbarkratern erhoben sich Säulen von glitzerndem Staub. Dampf schien aufzuzischen. War es ein Geyser-Feld?

      Jetzt schrie sie meinen Namen. Sie war bis zur Hüfte in einer Art Treibsand eingesunken, aus dem sie sich schwerfällig herauswühlte, aber da war ich schon unterwegs. Ich hatte mich flach abgestoßen und die Dämpfer auf volle Leistung gestellt, so dass ich schwerelos auf sie zuschwebte. Nur über die Trägheitssteuerung ließ ich mich ausgestreckt neben ihr nieder. Salven von feinkörnigem Gestein prasselten auf uns herunter, und ich konnte jetzt auch spüren, wie die Erde leise vibrierte. Ich erreichte ihren linken Arm, und indem ich ihre Automatik an meine ankoppelte und ihre Stabilisatoren ausschaltete, riss ich sie heraus und schleuderte sie über mich hinweg. Dann rappelte ich mich hoch und grätschte auf allen vieren zum festen Grund zurück. In diesem Augenblick geschah es.

      »Unbekannte Aktivität«, hupte es in meinem Helm. »Achtung. unbekannte Aktivität! Phänomen unbekannt, Herkunft unbekannt.«

      Wir lagen halb übereinander – ihr lang ausgestrecktes rechtes Bein ging über meine Brust hinweg. ohne die dämlichen Anzüge wäre es ganz appetitlich gewesen – am Rande des Kraters und robbten rückwärts auf dem Hosenboden davon, klammheimlich, schien es.

      »Oh Mann!«, sagte sie. »Was ist das?!«

      Eine der Dolinen, unweit der Stelle, an der sie zuerst eingebrochen war, fing an zu zittern. Risse zogen sich durch das Geröll und strahlten in die Umgebung ab. Der ganze Untergrund verwandelte sich in kochenden, bebenden Staub. Man wartete darauf, dass Chladny’sche Figuren entstanden. Irgendetwas rumorte unter der Oberfläche. Dann wölbte sich der Kies auf. Anstelle des Trichters bildete sich ein rasch wachsender Hügel aus tanzenden Fels-Splittern, der sich immer höher auftürmte, und auch in anderen Kratern vollzog sich, mit geringer zeitlicher Verzögerung, als schließe man sich allmählich dem Beispiel jenes ersten an, das gleiche Schauspiel. Der ganze Grund der Caldera brodelte.

      »Seismische Aktivität. Richterskala SECHS. Herkunft unbekannt!«

      Plötzlich zerbarst die Kuppe des ersten Gesteinshügels, der längst weit über unser Niveau hinausragte, und ein blauweißes, wurmförmiges, engerlinhaftes Wesen schob sich aus dem Kragen von Schutt und Geröll und reckte seinen stumpfen, an eine Blindschleiche erinnernden Schädel senkrecht in den staunenden Himmel.

      »Unbekanntes Objekt!«, schrillte es wieder. »Konsistenz unbekannt!«

      Auch aus den anderen Löchern, die mich plötzlich fatal an Schlangenlöcher erinnerten, kamen gleichgeartete, im fahlen Rosablau von Nabelschnüren glänzende Wülste heraus, die ebenfalls gerade nach oben stiegen, während Staub und Schotter von den glatten Flanken rieselten. Ja, ihre Leiber waren glatt, sie schienen feucht zu sein, fast schleimig. Nicht von Wasser versteht sich, das wäre längst

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