Bucht der trügerischen Leidenschaft. Hannelore DiGuglielmo
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Gianni hatte vor 10 Jahren zum Kauf geraten mit den Worten: „Piccola, deine Rente mal nix genug, die Wohnung ist für dich, ich da nix wohnen.“ „Aber Schnuffi, du gehst doch auch mal da mit mir rein, wenn auch nur für die kurze Zeit, die wir in Deutschland sind“, tat er stets mit einem eigenartigen Lächeln auf den Lippen ab.“ Heute weiß ich, er war in allem ein Prophet. Nichts, was er nicht vorausgesehen hatte. Wir lebten in einer gemieteten Wohnung, in wunderschöner Lage, mit netten Nachbarn, die ihm die Heimat ersetzten. Von dort würde er nie freiwillig weg gehen, darin war er standhaft.
Seinem in Jahren oft geäußerter letzter Wunsch: „Von hier gehe ich nur mit den Füßen voraus weg“, wurde stattgegeben, und so drehten die Leichenträger den Sarg um, und trugen ihn mit den Füßen voraus aus dem 1. Stock zu seiner letzten Fahrt in die Leichenhalle. Er war „Verso l’alto“, was soviel heißt wie, nach oben, himmelwärts, gegangen. Von da an war ich nicht mehr ich. Auf den Bildern der Beerdigung habe ich gelächelt als der Sarg herunter gelassen wurde, während „it’s time to say goodbye“, von Andrea Bocelli, erklang. Ich kann mich nur noch erinnern, ständig an Jacqueline Kennedy gedacht zu haben, die mir Vorbild, in gefasster Haltung und sehr stark, am Grab ihres Mannes stand, bei dessen Beerdigung. Warum gerade die? Keine Ahnung. Jedenfalls sollte niemand meine Verzweiflung sehen. Die Summe meiner Schicksale waren zuviel für mich in dieser Stunde, wurden verdrängt. Mein Sohn mit Freund, der ihm nahe stand wie ein Bruder, weinte bitterlich. Gianni war ihm Vaterersatz geworden. Schließlich war er namhaft am zustande kommen seiner Ehe beteiligt. Die Super-Schwiegertochter hatte als Gärtnerin die Blumen- Arrangements übernommen, die einfach überwältigend waren. Für jedes Familienmitglied gab es außer den Kränzen ein an Blumen verzierten Stangen hängenden, herzförmig verschweißten, persönlichen Abschiedsgruß. So stand zum Beispiel auf dem meines kleinsten Enkels: „Lieber Gianni, bist du gut im Himmel angekommen?“ Mein Kranz bestand aus einem Lorbeer geschmückten Ferrari-Reifen, den mein Sohn aufgetrieben hatte. Ferrari und die Formel 1 waren für meinen Mann kein Sport sondern sein Leben. „Entweder kaufe ich einen Ferrari oder ich heirate.“ So ernst war es ihm damit. Nun, er entschied sich für mich und fuhr dann Mercedes, wozu ich ihn aus ökonomischen Gründen überredete, allerdings jedes Jahr das neueste Modell, was ihn aber erst nach Jahren besänftigte. Das neueste Sportmodell war bereits bestellt, jetzt war es zu spät dafür. Alles wurde bedeutungslos.
Sofort nach seinem Tod zog ich aus der teuren Miet- in meine eigene Wohnung, was problemlos durch den Mieter, dem ich durch Zufall eine andere geeignete Wohnung anbieten konnte, gelang. Überhaupt hatte ich in den folgenden drei bis vier Monaten soviel Glück, wie niemals zuvor. Ich machte das Unmögliche möglich, brauchte nur einen Wunsch an „Schnuffi“ zu richten, und erhielt Hilfe von allen Seiten her. Für mich, dem selbständigen Macher, eine ungewohnte Situation. Es schien mir, als würde ich alle jemals geleisteten guten Taten für Andere, nun, mit einem Mal, zurück erhalten. Alles klappte wie am Schnürchen. Jetzt war ich also in meiner sonnigen kleinen Wohnung, renoviert und, bis auf drei alte Erinnerungsstücke, neu möbliert. Alle Leute um mich herum wunderten sich, wie ich das alles wegsteckte, wo sich doch jeder an uns als liebendes Vorzeige-Paar erinnerte. Dem war aber ganz und gar nicht so. Meine Aktivitäten, reiner Selbstschutz. Ganz im Gegenteil. Es folgten zwei Jahre der Isolation und fürchterlichen Herzschmerzes. Trotz meines großen Schicksalsschlages in einer Jung-Ehe war es mir bisher nie vergönnt, zu weinen. Jetzt, mit fünfundfünfzig Jahren, holte ich alles doppelt und dreifach nach.
„Wo bist du?“, fragte ich in den einsamen, verlassenen Nächten, eine Zigarette nach der anderen auf der Terrasse qualmend. Kommunizierte mit ihm, verbunden mit dem unsichtbaren Band unserer Liebe und verzweifelten, unwiderruflichen Trennung. Ich fühlte mich amputiert und vermisste ihn so schrecklich. Vor Tränen blind, in einem nicht enden wollenden schwarzen Tunnel, nur noch von dem Wunsch beseelt, meinem Mann nachfolgen zu dürfen, musste ich im Hier leben. Doch was heißt hier leben? Dem Jenseits näher, da vorwiegend auf dem Friedhof, der mir zur zweiten Heimat wurde, durchbrach ein Lebensfunke, der erste Blitzgedanke, der sich nicht mit „Schnuffi“ beschäftigte: „Ich muss hier raus!“
Aber wohin? Vielleicht eine Stadtreise? Alle namhaften Metropolen hatte ich bereits mit meinem Mann besucht. Also, was könnte mich noch interessieren, wohin? Istanbul hast du noch nicht gesehen, fiel mir ein, als ich in der Samstagausgabe meiner Zeitung einen Artikel darüber las. Ich buchte, ohne weitere Überlegung, in einem türkischen Reisebüro. Der Besitzer fragte: „Du alleine reisen?“ „Ja.“ „Du Verwandte treffen?“ „Nein.“ „Du Freunde treffen?“ „Nein.“ „Du erste Mal in Istanbul?“ „Ja.“ „Du aufpassen, Istanbul ganz schön, aber gefährlich für Frau alleine.“ „Schon gut“, meine Antwort, „ich aufpassen.“ Überflüssig, die Ermahnung, Reisen war und bleibt meine Passion. Hier hast du einen Experten vor dir, dachte ich. Keine Sekunde war mir bewusst, dass ich in die Türkei aufbrechen und damit auf verbotenes Terrain stoßen würde.
2. Kapitel – Istanbul, Anfang Mai 2005
Lethargisch machte ich mich auf, die fünftägige Stadt-Rundreise anzutreten. Eine schwarze, deutsche Frau im Kaftan, darunter Lederstiefel, die am ersten Tag noch nicht dabei war, stand am zweiten Besichtungs-Tag abwartend neben dem Bus. Sie setzte sich neben mich, und war mir während des gesamten Aufenthalts ein angenehmer, unaufdringlicher Begleiter. Es war Sympathie auf den ersten Blick und ich bedankte mich insgeheim bei meinem Mann. Wohl wissend, dass ich Schwarze ganz besonders ins Herz geschlossen habe, war ich mir sicher, dass dieser Beistand von ihm kam. Wir logierten im gleichen Hotel, wovon uns nur 2 Zimmer trennten. Abends gingen wir aus, wobei ihr auf Schritt und Tritt Komplimente gemacht wurden, ob ihrer auffälligen Erscheinung – sie trug bunte, seidige, lange Kaftane, dazu langes schwarzes Haar, umgeben von einer eigenartigen Unnahbarkeit. Die Frage nach ihrer Nationalität beantwortete sie jedes Mal anders, wobei sie meist irgendwelche weit entfernte Südseeinseln nannte, die hier kein Mensch kannte, und allenfalls Staunen und noch mehr Bewunderung hervorriefen. Oft benutzten wir eines der preisgünstigen Taksis für eine lebensgefährliche Rückfahrt ins Hotel über sechs Autospuren hinweg, alle Verkehrsregeln außer Acht lassend. Istanbul bei Nacht, mit nicht lizenzierten Fahrern, ein Erlebnis der besonderen Art, nur bedingt empfehlenswert, wir waren gewarnt.
Nach 5 Tagen gemeinsamer Stadterkundung fassten wir, ohne konkrete Vorstellung, den Entschluss, den Sommerurlaub gemeinsam zu verbringen. Vorschlag ihrerseits: Ibiza. Dort habe sie mal 8 Jahre gelebt und ob ich es kennen würde, was ich verneinte, aber liebend gerne nachholen wollte. Sophia gestand, vor Jahren am Strand eine romantische Ehe ohne Trauschein geschlossen zu haben, die jedoch nicht hielt, da sich ihr Auserwählter nach einigen Jahren einer anderen Frau zuwandte, was sie bis heute nicht überwunden hätte. Aus irgendwelchen Gründen schaffte sie es nicht, die Reise klarzumachen, angeblich war alles überbucht im Sommer etc., und so ging der Ball an mich. In der Auswahl hatte ich freie Hand. Da meine schöne Kreolin Sophia in der Schweiz arbeitete, waren Kontakte schwierig und teuer. Jedoch ihre telefonisch knappen, klaren Anweisungen, verbunden mit einem Urvertrauen, ließen mich selbständig gewähren, was mir sehr entgegen kam. Eine schönere Verbindung zwischen zwei Frauen konnte ich mir nicht vorstellen. Oder doch? Das gab es schon einmal, erinnerte ich mich. Damals, auf dem Boot in Kroatien. Sie hieß Sylvia, unsere Freundschaft hielt jahrelang und endete, ohne erkenn- oder nachvollziehbarem Grund, abrupt mit ihrer zweiten Heirat. Sie war eine wohl situierte, gebildete Frau mit einem Lehramt, hineingeboren in höchste Kreise und heiratete einen Analphabeten von einer kleinen Insel im Atlantik, den sie erst einmal auf eine Schule für Asylanten schicken musste, um ein wenig Deutsch zu lernen. Dem sie später ein Auto kaufte, damit er sich als Taxifahrer verdingen konnte, sein Haus ausbaute, umgestaltete, wohnlich machte für beide. Alles Dinge, für die ich sie liebte.
Meine Erinnerungen an diesen, viele Jahre zurückliegenden Bootsurlaub, entlang der Küste Kroatiens wurden wach, als mir ein Prospekt in die Finger kam, der abwechslungsreichen Urlaub verhieß. Der nun schon vertraute türkische Reise- büroleiter schwärmte von meiner Wahl einer „blauen Reise“ auf einem Motorsegler, die von Bodrum aus, die Marmaris-Küste entlang führte. Anschließend