Bucht der trügerischen Leidenschaft. Hannelore DiGuglielmo
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Durch ihn bekam ich Einsicht in die Problematik der Kurden in der Türkei. Heute sind sie zwar eine Nation, ich vergleiche sie jedoch mit den Migranten, die eine deutsche Staatsbürgerschaft übernommen haben. Die Worte meines Mannes fielen mir dabei ein: „Was deutscher Staatsbürger, ich bin stolzer Italiener; mein Herz immer Italiener, egal was steht in Pass.“ So einfach ist es eben nicht mit der Staatsbürgerschaft, auch nicht nach 40-jährigem Leben in Deutschland, das so viele diskriminierende Erlebnisse kannte, und eine Zugehörigkeit nicht aufkommen ließ. In seiner Zeit waren Italiener Spaghettifresser und so wurden sie auch behandelt. Als die Deutschen Spaghetti mit zugehörigem Ambiente lieben lernten, kam der Neid dazu, was die Sache nicht einfacher machte. „Wir haben die Arbeit, und ihr die Sonne“, musste er sich regelmäßig nach Urlaub-ende, sowohl in der Firma als auch von seinen lieben Nachbarn anhören, den mitgebrachten Wein und andere Leckereien wie Käse, Salsicce, Mandorle, gerne in Empfang nehmend. In einem anderen Land bist und bleibst du ausgegrenzt, eben Ausländer. Dennoch lobte er „mein Land“ und „seine Welt-Firma“ bei jeder Gelegenheit, was ich nie verstand und schon gleich gar nicht nachvollziehen konnte.
Zurück auf das Boot. Der Abschied rückte immer näher und es kam der Augenblick, indem Karim die Pässe austeilte. Wir, Sophia und ich, befanden uns im Privatbereich der Crew, die ebenfalls anwesend war und, die Trinkgelder verstauend, zufrieden dreinblickte. Ein letzter Raki sollte unseren Abschiedsschmerz lindern. Als ich an der Reihe war, las Karim laut meinen Namen und Adresse vor. „Die sowieso nicht mehr heiraten“, sagte er in die Menge, „die jetzt Witwenrente genießen.“ In diesem Moment überkam mich ein Gefühl der unendlichen Freiheit. Zum ersten Mal wurde mir meine positive Situation einer Witwe klar. Ich stieg auf die Bank, streckte die Arme aus, gleich einem Vogel, und schrie: „Ich bin frei!“ Im selben Augenblick spürte ich seinen hypnotischen Blick, er legte imaginär ein Gewehr zum Schuss an, und ein unsichtbares Lasso legte sich um meine zum Flug ansetzenden Fesseln. Ich war schlagartig ernüchtert. „Jetzt habe ich alte Boot und alte Frau“, setzte er vor seiner Crew hinzu, und es klang überhaupt nicht diffamierend sondern wie ein Bekenntnis, eine Feststellung; die niemanden erstaunte, außer mich. Um es ihm heimzuzahlen, verlangte ich sein T-Shirt, das voller Maschinenöl und reichlich verschwitzt war. Er verneinte, eine Schmach für mich. Von oben herab fragte er mich vor allen: „Was du machen mit meine T-Shirt, du schlafen damit?“ „Nein“, antwortete ich, „ich Wudu machen.“ Reichlich erbost fragte ich Sophia, woher er denn seine Informationen über mich hätte. Sie sagte, dass er sich bei ihr über mich erkundigt habe.
Es war mir nicht entgangen, dass sich die beiden gelegentlich unterhielten. Einmal störte ich beide unverhofft bei einem intimen Gespräch, das nur möglich war, indem sie, unter fadenscheinigen Ausreden, nicht mit mir schwimmen ging. Nicht auszuschließen, dass sie gegenseitig aneinander interessiert waren. Nach heutigem Kenntnisstand vermute ich, ausschließlich die Tatsache, dass sie beide Partner mit Geld suchten, hielt einer weiteren Liaison nicht stand. Jedenfalls fühlten sich beide wie auf frischer Tat ertappt. Er wusste also noch mehr von mir, dachte ich, und das war mir unangenehm. Sophia untermauerte meine Vermutung noch, indem sie mir sehr direkt sagte: „Er hat dich genommen, weil du Geld hast.“ Bedurfte es noch einer deutlicheren Aussage? Was beweist mir das? Liebe macht blind! Warum nur habe ich nicht auf mein Bauchgefühl und Gianni gehört? Mir war klar, Sophia hätte viel besser zu ihm gepasst, und der Steward zu mir. Esoterisch angehaucht, hatte ich sofort eine Ausrede für mich parat. Sagte nicht mein Jahreshoroskop, dass ich alle bisherigen Bedenken über Bord schmeißen und gänzlich neue Wege beschreiten sollte? Da siehst du es! Ich fühlte mich aufgefordert, alle Grenzen zu sprengen und mit Karim einen völlig neuen Weg zu gehen. Doch das bisschen verbliebener Restverstand warnte mich: Ob das wohl gut geht, so ganz gegen meine Natur zu handeln? Es war ein gewagtes Experiment, auf das ich mich da einließ. Natürlich spürte er meinen inneren Kampf, mein Aufbäumen, verstand es jedoch meisterhaft, meine aufkeimende „Hab-Acht-Stimmung“ vertrauensselig zu zerstreuen.
Auf gepackten Reisekoffern sitzend sann ich über das Für und Wider nach und hatte den Kampf längst verloren. Hatte ich nicht beschlossen, es dabei bewenden zu lassen? Meine Rechnung ging nicht auf, denn: Plötzlich stand er vor mir. Weiße Hose mit Metallknöpfen, schwarzes T-Shirt mit weißen griechischen Hieroglyphen aus Rhodos, schwarz-weiße Bootsschuhe, frisch geduscht und rasiert, breit grinsend fragte er mich: „Dir gefällt?“
Was für ein Auftritt! Natürlich gefiel er mir, ein Blick über meine Schulter zeigte, nicht nur mir. „Wir gehen, du will?“ Und wie ich wollte. „Du nix Türke, du Grieche“, so meine Feststellung. „Aber ich Türke, Schatzi.“ „Nicht für mich“, sagte ich, du siehst aus, wie ein Grieche und du benimmst dich auch so. Er lachte, zufrieden über seine geglückte Überraschung. Sophia ging zu meiner Verwunderung auch mit, in Begleitung des Stewarts, der sich ebenfalls in Schale geschmissen hatte. Entlang dem Hafen, gingen wir, er im wankenden Seemannsschritt, die steilen Gassen hinauf zum Harlikanas. Er nahm meine Hand, steckte diese in seine Hosentasche und ich merkte, er trug keinen Slip, aber seine Gebetsschnur, mit der er sich stimulierte. Ich war reichlich befremdet und fragte ihn: „Soll ich auch so gehen?“ Er aber grinste still in sich hinein. Auf dem Weg dorthin, schrie plötzlich ein uralter Mann hinter seinem Eiswagen aus längst vergangenen Zeiten, mit den Armen wild fuchtelnd: „Hallo Marash-Eis!“ Er meinte mich. Erst nachdem er mir hinterherlief, eine Riesen-Tüte Eis in die Hand drückte, erinnerte ich mich an den Mann aus Elbistan, bei dem ich mit dem türkischen Lehrer letztes Mal sein berühmtes Marash-Eis kaufte, wobei ich ihm versprach, nach Elbistan zu reisen. „Woher du diese Mann kennen?“ Fragte Karim verwundert, „ich diese Mann schon seit Kind kennen.“ Aber ich lachte nur und bot ihm meine Eistüte zum Test an, was er angewidert ablehnte. „Du kennen Elbistan?“ ließ er nicht locker. „Nein, noch nicht, aber ich werde da hin fahren“, erwiderte ich bestimmt, was ich 2 Jahre später auf abenteuerlichste Weise auch tat. Harlikanas war nicht sein Fall. Zu viele Menschen. Wir setzten uns abseits in ein Divan-Zimmer, wo er vollkommen desinteressiert, beinahe einschlief. Sophia mit Begleiter schmusten; es war ein Desaster, da sie nicht mal halbherzig bei der Sache war. Der Mann war super und er hatte ihr, an einem der unzähligen Souvenir-Stände entlang zur Disco, ein wunderschönes, handgefertigtes Armgehänge mit Kette gekauft.
Es half alles nichts, sie blieb freudlos. Ich besorgte Getränke, da niemand kam, uns zu bedienen, so knall voll war der Schuppen. Ein junger Russe verschaffte mir Platz zur Theke und wollte mich einladen. Er hatte Tränen in den Augen, angeblich war sein Opa heute gestorben, den er so gerne noch einmal gesehen hätte. Jetzt blieben ihm nur seine Firmen inklusive Verantwortung dafür und Geld, das er, in dicken US-$-Noten gebündelt, aus der Hosentasche zog. Ich lehnte dankend ab, aber ohne ihn wäre ich wohl kaum zu Getränken gekommen. Wir gingen bald darauf zurück zum Boot, wobei Karim keines der vorbeistolzierenden Paar Stilettos entging, die von unglaublich hübschen jungen Mädchen unter ihren transparenten Miniröcken in halsbrecherischer Weise getragen wurden. Widerlich, seine unverhohlen sexistische Art der Begutachtung. Na, es war einmal, musste ich mir neidlos gestehen, so bist du auch gelaufen, damals…
Eine letzte Nacht voller Seligkeit, in der reichlich Lebenssaft gespendet wurde. Doch mein Entschluss stand unwiderruflich fest: Keine weiteren Kontakte. In dieser Nacht gestand mir Karim, dass er verheiratet wäre und im nächsten Monat sein 4. Kind zur Welt käme. Eigenartig, es interessierte mich nicht die Spur. Seine privaten Verhältnisse spielten in dieser außerordentlichen Fügung des Schicksals keine Rolle. Sie waren von Anfang an nicht relevant für mich, und blieben außen vor. Sie erklärten jedoch seine ausgeprägte Kopflastigkeit. Ungeachtet dieser Tatsache wusste ich, dieses Erlebnis duldete keine Wiederholung;