Das Wunder des Seins und seine Zerstörung. Holger Strohm
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Im Regime des globalen Kapitalismus findet ein unerklärter Krieg mit der Zukunft statt, der auf alle zurückwirkt, besonders auf die, die nicht mitkommen, weil sie nicht über die ökonomischen oder machtpolitischen Voraussetzungen verfügen, die heute den Wettbewerb um Anerkennung und Wohlstand bestimmen. Doch es kann kein gutes Leben geben, wenn dies allein unser Leben bestimmt. Europa würde zerbrechen, wenn nur Markt und Kapital zählen. Der Kern der europäischen Moderne ist die Idee der sozialen und solidarischen Gesellschaft. Deshalb ist der Ausbruch aus der ideologischen Gefangenschaft dringend notwendig. Das Mittel dafür ist die Dialektik der Aufklärung.
Sie ist immer dann angesagt, wenn eine neue Epoche erreicht wird, die dann auch eine neue Orientierung erfordert. Die Globalisierung spült nämlich gefestigte Kategorien, Perspektiven und Institutionen mit derselben Rücksichtslosigkeit weg, wie das schon mit den „Ewigkeiten“ vergangener Epochen geschehen ist. Umso wichtiger ist kritisches Denken – Aufklärung im richtig verstandenen Sinne.
Das 20. Jahrhundert endete nämlich mit Problemen, die neue Antworten notwendig machen. Die Krise der öffentlichen Haushalte, eine wuchernde Bürokratie, der demografische Faktor, bedrohliche ökologische Schäden und ein Epochenbruch im Wachstum, weil das Jahrhundert der Expansion im Verbrauch von Naturkapital unwiderruflich seinem Ende zuneigt. Aber auch die verschärfte Konkurrenz und die Schwächung des Nationalstaates entzogen der sozialstaatlichen Politik wichtige Voraussetzungen. Heute heißt es: fressen oder gefressen werden.
Das zeigt erneut: Einen evolutionären Selbstlauf der Zivilisation in eine gute Zukunft gibt es nicht. Die Produktionsverhältnisse müssen neu geordnet werden. Andernfalls bestätigt sich das pessimistische Diktum von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, die in ihren Arbeiten die destruktive Seite des Fortschritts aufgezeigt haben. Die Herrschaft derjenigen, die ihre Vorteile immer weiter ausbauen wollen. Sie mündet in Verhältnissen, nach deren „Nutznießern man fast vergeblich sucht“.
Für den „Systemübergang“ in die soziale und ökologische Gesellschaft der Zukunft existieren keine fertigen Rezepte. Um den Modernisierungsrückstand der Politik und Zivilgesellschaft zu beseitigen, müssen beide Seiten – Ökonomie und Technik auf der einen und Soziales, Natur und Kultur auf der anderen Seite in einer höheren Ordnung zusammengeführt werden. Das ist vor allem eine gewaltige Anstrengung an unser Verständnis von Freiheit und Verantwortung. Diese Gestaltung der Welt ist eine große Geschichte, die ein gutes Leben für alle verwirklichen wird. Eine solche große Botschaft demokratischer Gestaltung ist erneut notwendig. Die erste große Chance wurde bereits vertan. Nach 1989 lag dem Westen die Welt zu Füßen. Er hatte alle Möglichkeiten, doch er ließ sich von seiner scheinbar totalen Überlegenheit, aus der pure Maßlosigkeit wurde, blenden. Wäre der Westen klug gewesen, hätte er eine Weltinnenpolitik begonnen. Aber er war nicht klug. Im Gegenteil. Er erkannte nicht, dass der Zusammenbruch des Ostens auch ein Warnschuss vor den eigenen Bug war.
Holger Strohm gehört zu der wertvollen Spezies der kritischen Querdenker, die jede Gesellschaft braucht. Doch sie werden in Sonntagsreden gelobt, im Alltagsleben jedoch als störend und realitätsfern weggedrückt. Auch das ist ein merkwürdiger Widerspruch, denn obwohl sich unsere Zeit nach Orientierung sehnt, wird sie, sobald sie politisch ist, bekämpft und ausgegrenzt.
Holger Strohm kann ein Lied davon singen. Weil er schon ab 1970 auf zukünftige Klimaveränderungen und auf viele Umweltgefahren wie Atomenergie und Genmanipulation hinwies, wurde er „kaltgestellt“. Er erhielt drei verschiedene Berufsverbote – als Industrieberater, Lehrer und Autor – und musste mannigfaltige Repressalien über sich ergehen lassen. Fast alle seine Bücher, Artikel und Interviews wurden zensiert, und er wurde nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl – die er Wochen zuvor in Dutzenden Vorträgen voraussagte für ein Jahrzehnt ins Exil verbannt. Im Ausland wies man darauf hin, dass es in Deutschland kein Buch mehr von ihm zu kaufen gäbe. Der deutsche Buchmarkt sei komplett gesäubert worden. Daher sollte es keinen überraschen, dass auch dieses Buch keinen Verleger fand, wie schon Dutzende seiner Bücher zuvor.
Dabei versucht Strohm doch nur, die Menschheit vor der eigenen Selbstausrottung zu bewahren. Wie wir immer mehr bemerken, kristallisierten sich seine frühen Warnungen im Laufe der Jahrzehnte zur Realität. Und so gab die Entwicklung nicht seinen Kritikern, sondern meist ihm Recht. Dennoch tun wir uns schwer, mit seinen kritischen Gedanken konstruktiv umzugehen. Dabei liefert Holger Strohm wichtige Erklärungsmuster, und er gibt Anstöße zu einem kritischen Denken. Das ist, ohne alles teilen zu müssen, das Wichtigste. Das würde sogar jedem kritischen Geist widersprechen, alles abzunicken. Zur Freiheit des Menschen und zur Qualität einer Gesellschaft gehört unbedingt, den eigenen Kopf zu benutzen. Das Buch von Holger Strohm ist ein Anlass, dies noch mehr zu tun. Sein Buch ist ein Beitrag, um die falsche Einrichtung der Welt zu beenden.
I. WOHER KOMMEN WIR?
I. WOHER KOMMEN WIR?
1/AM ANFANG WAR DAS LICHT
„IN WIRKLICHKEIT GIBT ES NUR DIE ATOME
UND DEN LEEREN RAUM. ARMER VERSTAND...
DEIN SIEG WIRD DIR ZUR NIEDERLAGE.“
DEMOKRIT
Mit bloßem Auge sehen wir gerade mal 8000 Sterne, die allesamt zu unserer eigenen Galaxis, der Milchstraße, gehören. Wenn wir uns das helle Band der Milchstraße betrachten, haben wir den Eindruck, dass die Sterne dicht an dicht stehen, dass sie zusammenstoßen müssten. Doch das ist eine Täuschung. In Wirklichkeit herrscht im All gähnende Leere, ein absolutes Vakuum, und es herrschen gewaltige Entfernungen. Unser nächster Nachbar im All ist Alpha Centauri. Er ist rund 40 Billionen Kilometer entfernt 4,3 Lichtjahre. Wenn unsere Sonne sich in Hamburg befinden würde und so groß wie ein Cent wäre, so wäre Alpha Centauri in Frankfurt. Zwischen diesen beiden Cents befindet sich nichts. Nur absolute Leere.
Wenn wir in den Himmel blicken und einen größeren Lichtpunkt sehen, so handelt es sich dabei meistens um eine Galaxie aus Milliarden Sternen. Wir können mit Speziallinsen bis zu einer Entfernung von 15 Milliarden Lichtjahren sehen und somit einen Einblick in die Geburtsstunde der Sterne werfen. Und umso weiter wir sehen können, umso grandioser wird das Weltall ein nicht enden wollendes Geheimnis voller Rätsel und Phänomene, die auch viel Anlass zu Spekulationen bieten. Wir meinen, wir wissen viel über das Weltall. Doch wir wissen so gut wie gar nichts.
Und selbst das, was wir wissen, ist nicht gesichert. Es sind Annahmen, die sich zu Dogmen und Tabus entwickelt haben. Gebräuchliche Theorien, wie der Urknall, die dunkle Energie, die Relativitäts- oder Quantentheorie basieren ausschließlich auf Spekulationen, die entwickelt wurden, um sich das große Mysterium erklären zu können.
Unser heutiger Kenntnisstand oder unsere jetzigen Erklärungsversuche lauten folgendermaßen: Letztendlich entstand alles aus Licht, und damit ist im Universum alles in allem enthalten. Vor ungefähr 13,7 Milliarden Jahren formte sich aus einem punktförmigen Nichts, in einer gewaltigen kollabierten Masse, einem einzigen verdichteten Ur-Atom, eine so hohe Energiekonzentration, dass sie explodierte. Der Urknall nahm seinen Lauf. Es folgte ein Zeitraum der Ausdehnung. Das frisch geborene Universum