Baiae. Karl-Wilhelm Weeber

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Baiae - Karl-Wilhelm Weeber

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– eine Art von Domestizierung, die römischer Mentalität sehr zusagt.

      Jedenfalls sind die aedificatores, „Bauherren“, bestrebt, eben das auf jede erdenkliche Weise zu dokumentieren, es sich zu beweisen. Und deshalb stellt die Lage auf einem Vorgebirge, die das Bauen erschwert, kein Hindernis, sondern eine besondere Herausforderung dar, die die ambitionierten Eigentümer in spe – Kosten spielen keine Rolle – nur zu gern annehmen. In ähnlicher Weise reicht manch einem Bauherrn die direkte Strandlage für seine Ferienvilla nicht aus. Er lässt Molen bauen und Dämme aufschütten, um auf neu geschaffenem Terrain sein Traumdomizil errichten zu lassen – über dem Meer, nicht nur am Meer. „Sie verschwenden ihren Reichtum, um ins Meer hinauszubauen und Berge einzuebnen“, legt Sallust dem vermeintlichen Sozialrevolutionär Catilina als Kritik an der luxuria der Aristokraten in den Mund (Sall. Cat. 20, 11). Das war nicht falsch, aber folgenlos.

      Die Reichen und Superreichen blieben konsequent bei dem, was sie als Ideal einer Symbiose von Natur und Kultur mit imperialem Gestaltungswillen erkannt hatten. Und so entstand dann im Laufe der Zeit, von der „bajanischen“ Nordküste aus beginnend, ein imposanter Kranz von Villen, der sich um die gesamte Bucht von Neapel bis nach Surrentum (Sorrento) im Süden erstreckte. Schon in augusteischer Zeit hatte Strabo den Eindruck, dass „die ununterbrochene Folge von villae den Anblick einer großen Stadt bietet“ (Strabo V 4, 8). Dabei gehörte der „Abschnitt“ zwischen Kap Misenum und Baiae zu den beliebtesten – und teuersten – Bauplätzen – nicht zuletzt, weil Baiae als Heilbad mit seinen Thermalquellen etwas zu bieten hatte, das anderswo nicht zu bekommen war.

      Begehrte Lagen sozusagen mit amoenitas-Garantie waren neben der Küste und den Hügeln die Ufer der Binnenseen. Vor allem der Averner See war „zugebaut“, um es in kritisch-moderner Diktion auszudrücken. Allerdings war das ein Trend, der auch andere Seeufer in Italien betraf und der Seneca zu einer aktuell anmutenden Kritik am „Landschaftsverbrauch“ veranlasste: „Wie lange, und es wird keinen See mehr geben, über den nicht die Giebel eurer Landhäuser ragen? Keinen Fluss, dessen Ufer eure Bauten nicht säumen?“ Und dann, möglicherweise mit Blick auf Baiae: „Wo immer warmer Quellen Adern sprudeln, werden neue Herbergen der Genusssucht entstehen. Wo immer sich die Küste zu einer Bucht krümmt, werdet ihr unverzüglich Fundamente eines Baus legen …“ (Sen. ep. 89, 21).

      Das ist eine recht zutreffende Beschreibung davon, wie sich die Landschaft auch um Baiae herum im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte veränderte. Der dortige Bauboom war natürlich, mit modernen Verhältnissen verglichen, ein relativer. Es entstanden keine Betonburgen, es wurden keine Buchten mit kleinen Ferienhäusern zugepflastert, das Land wurde nicht in kleine Einheiten parzelliert, um möglichst viele Bauten darauf unterbringen zu können. Sondern es waren in aller Regel Multimillionäre, die sich dort ihre Traumvillen bauen ließen und die auf ausgedehnte Grundstücke rings um ihr „Zivilisationsschloss“ Wert legten, darunter auch einige Kaiser. Unter anderem schrieben sich Tiberius, Claudius und Nero in die Annalen ambitionierter Bauherren am sinus Baianus ein, der spätere Kaiser Otho besaß hier, bevor er Kaiser wurde, eine Privatvilla, ebenso Domitian und Kaiser der severischen Dynastie. Sie alle folgten der imaginären Einladung ihrer Vorgänger, die keinen Ort der Welt für so anmutig und schön gelegen hielten wie das Nobelbad Baiae (Hor. epist. I 1, 83; vgl. Mart. XI 80, 3 f.), und bauten dort Baiano more, „nach bajanischer Art“. Das scheint der Terminus technicus für Luxusvillen gewesen zu sein, die entweder auf hohem Fels thronten oder direkt an der Küste lagen. Jedenfalls verwendet Plinius den Begriff so selbstverständlich, dass seine Leser offenkundig eine konkrete Vorstellung damit verbinden (Plin. ep. IX 7, 3).

      Ihr Feriendomizil wäre für die meisten Eigentümer nicht vollständig gewesen, wäre es nicht in einen Garten oder besser noch in eine Parklandschaft einbezogen worden, die sich von der „ursprünglichen“ Naturlandschaft der Umgebung durch eine gärtnerisch gestaltete Kunstlandschaft abhob. Hecken und Beete, Baumgruppen und Gebüsch wurden von topiarii, „Kunstgärtnern“, nach einem Gesamtplan angelegt, in dem ambulationes, „Spazierwege“, die zentralen Achsen bildeten und möglichst weite prospectus eröffneten. Die Natur des Parks wurde des Weiteren verfeinert durch architektonisch-künstlerische Gestaltungsmittel wie Säulen und Brunnen, Statuen und Reliefs. Das Grün der Vegetation verschmolz mit dem Weiß des Marmors – oder auch mit bunt angemalten Kunstwerken – zu einer Einheit, die menschlichem Gestaltungswillen unterlag und insofern die führende Stellung des Menschen bei diesem Konzept der Kultiviertheit unterstrich. (Abb. 7)

      Die in die Gärten integrierten Kunstwerke waren vielfach nicht weniger kostbar als die im Herrenhaus aufgestellten. Nach Möglichkeit sollten es Originale griechischer Bildhauer sein. Tatsächlich gab es einen regen Kunsthandel, der nicht nur die Stadtpaläste der Reichen in der Hauptstadt, sondern auch ihre kampanischen Villen belieferte. Und selbstverständlich gehörte zur Ausstattung eines echten urbanen Leuchtturms in rustikaler Umgebung auch eine Bibliothek – und ein ganzes Heer von Bediensteten, die das Anwesen in Ordnung hielten. Viele von ihnen blieben, wenn die Saison in Baiae vorbei war und die Besitzer wieder nach Rom abgereist waren, in den villae und hatten ihrerseits Zeit, all das zu genießen, dessentwegen die Herren die drei- bis fünftägige Reise zu Wasser oder zu Lande auf sich nahmen.

      Abb. 7 Mit Marmor veredelte Vegetation. Garten einer römischen villa,

      Fresko aus dem „Haus des goldenen Armreifs“, Pompeji

      Freilich gab es – im Kapitel über die piscinarii wird es deutlich – auch genügend Herren, die das ganze Jahr über in ihrer prächtigen kampanischen Residenz blieben. Und die sich jeden Tag aufs neue an ihrem „Lustbesitz“ erfreuten und ein Gebet zu den Göttern schickten, dass ihnen dieser Genuss lange erhalten bleiben solle – so wie der Jüngere Plinius ausruft: di modo in posterum hoc mihi gaudium, hanc gloriam loco servent! „Mögen die Götter mir die Freude und dem Ort diesen Ruhm bewahren! (Plin.ep. V 6, 46).

      Ein Wunsch, der aus der Sicht von Baiae-Enthusiasten nur noch damit zu „toppen“ gewesen wäre, dass der Blick des Betenden dabei nicht über eine villa in Etrurien (das Tusci des Plinius) schweift, sondern über ein Domizil in Baiae, dem „bezaubernden Geschenk der prächtigen Natur am goldenen Strand der Venus“ (Mart. XI 80, 1 f.) – dort, „wo Prachtpaläste, der eine nach dem anderen, zu einer eigenen neuen Stadt emporgewachsen sind“ (Strabo V 4, 7).

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