Christina von Schweden: Ich fürchte mich nicht. Charlotte Ueckert

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Christina von Schweden: Ich fürchte mich nicht - Charlotte Ueckert

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zu haben. Die reizvollsten landschaftlichen Gegenden auf ihren Reisen haben sie nicht so beeindruckt wie Stadtpaläste und Ausgrabungen antiker Metropolen. Eine Stadtfrau, am liebsten mitten im Geschehen der Macht. Naturschönheit nur als Hintergrund mythologisch-figurativer Gemälde.

      Die Ereignisse ihrer Geburt und ihrer Kindheit möchte ich hier nur kurz schildern, sie stehen ausführlich in allen Biografien, meist auf ihre eigenen unvollendeten Memoiren zurückgehend, die Christina nach einem früheren Versuch 1661 in Hamburg noch einmal um 1680 neu begann, alles darauf ausgerichtet, aus ihr ein von Gott bevorzugtes Wesen zu machen, zum Teil sicherlich bewusst einer Legendenbildung dienend.

      Die Persönlichkeiten ihrer Eltern könnten unterschiedlicher nicht sein. Ihr Vater ein stattlicher Kriegsheld, Nachkomme Gustav I. Wasa, der es geschafft hatte, eine Erbdynastie in Schweden zu errichten, ihre Mutter, eine hübsche aber verweichlichte Adelsperson, Tochter des Kurfürsten von Brandenburg. Vor Christina hatte sie zwei Totgeburten und eine Tochter, die als Kleinkind starb. Diese hat Christina mit ihrem Namen ersetzt, aber die Liebe der Mutter konnte sie nicht gewinnen, zu sehr hatte diese auf einen Sohn gehofft und verfiel nach der Geburt in Depressionen. Eine sogenannte Glückshaube oder Schafshaut, die den Körper des Kindes als Teil der Nachgeburt bedeckte, trug dazu bei, dass die kräftige Stimme und der Haarwuchs des Säuglings die Hebammen täuschte und sie einen Jungen vermuteten, den ersehnten und von Astrologen vorhergesagten königlichen Erbprinzen. Das spätere durchaus männliche Auftreten Königin Christinas tat ein Übriges, um Vermutungen über eine Intersexualität, Gerüchte über lesbische Neigungen und Zwitterwesen zu mehren, was aber aufgrund zweier Obduktionen nach dem Tod widerlegt wurde. Ein Mädchen war sie, wurde aber nach dem Willen des Vaters, der sie liebte, als legitimer Erbprinz erzogen. Gustav Adolf liebte auch seinen neun Jahre älteren unehelichen Sohn, mit deren Mutter ihn noch während seiner Ehe mit Maria Eleonore wohl viel verband. Aber um diese Bastarde machte man sich damals wenig Gedanken. Wichtig war die legitime Eheschließung. Liebe und Sexualität hat die königliche Ehefrau offensichtlich getrennt, das ist erstaunlich. Trotz der unermesslichen Anhänglichkeit der Gattin schickte diese ihrem Mann schöne Mädchen ins Feldlager, wenn sie selbst nicht anwesend war! Mit ihrem Neugeborenen ging sie lieblos um, hatte zunächst kein Interesse an ihm und überließ es den Hebammen. Es heißt, diese hätten das Kind einmal fallen gelassen. Eine Schulterverletzung war die Folge, eine Schulter blieb höher verwachsen als die andere, Christinas Haltung war leicht schief, dadurch aber nicht in ihren späteren sportlichen Aktivitäten behindert. Alle Augenzeugen berichteten, wie geschickt die Königin diese leichte Entstellung durch die Wahl ihrer Kleidung verbarg. Vor dem Tod ihres Vaters auf dem Schlachtfeld, als sie sechs Jahre alt war, musste sie also vorher ein Trauma verarbeiten.

      Schon als kleines Kind schildert Christina sich in ihren Memoiren als Ehrfurcht einflößend gegenüber Gesandten aus fremden Ländern, wie zum Beispiel einer russischen Delegation. Das herrschaftliche Gebaren des Kindes entzückte natürlich auch ihren Vormund, den Kanzler Axel Oxenstierna, der im Testament des erschlagenen Gustav Adolfs als einer ihrer Erzieher bestimmt war. Christina hatte in ihrem Leben mit den zwei mächtigsten Staatsmännern des 17. Jahrhunderts zu tun, mit dem schwedischen Kanzler Axel Oxenstierna und dem französischen Kardinal Giulio Mazarin. Beide übten sich perfekt in Strategie und Taktik, in Kriegsführung und Vorteilnahme für ihr Land. Ihre eigenen staatspolitischen Kenntnisse und Begabungen lernte sie durch Axel Oxenstierna zu vervollkommnen. Sie ist ihm dankbar wie einem Vater, so schreibt sie in ihren Memoiren, aber wendet sich von ihm ab, wenn es um ihre eigenen Interessen geht. Zwischen beiden spielt sich das Drama eines Generationswechsels ab.

      Axel Oxenstierna, ein orthodoxer Lutheraner, mag sogar eine Weile gehofft haben, seinen ältesten Sohn Johan mit Christina zu verheiraten. Er setzte ihn als Leiter der Delegation zu den Friedensverhandlungen in Westfalen durch. Aber dieser erwies sich als unfähig, bemühte sich wenig. Er hatte die väterliche Instruktion, den Frieden hinzuziehen. Oxenstierna glaubte, ein Frieden würde das militärisch starke Schweden schwächen. Christina setzte den ihr ergebenen John Adler Salvius als gleichberechtigten Verhandlungspartner ein, der schon ihrem Vater gedient hatte. Er hatte die heimliche Anweisung, so schnell wie möglich einen Friedensschluss herbei zu führen. Er bekam mehr Gewicht bei den federführenden Partnern als der Sohn Oxenstiernas, so kam es, dass Christina sich als Friedensstifterin feiern lassen konnte.

      In der Pubertät geriet Christina wie jeder junge Mensch in Gefühlsverwirrungen, verliebte sich, war unsicher und erlebte auch Zurückweisung. Nicht von ihrer ersten Liebe, ihrem Cousin Karl Gustav, den sie lange heiraten wollte, sondern von Magnus De la Gardie, Sohn Ebba Brahes, der großen Liebe ihres Vaters, die er nicht heiraten durfte, aber von ebenso vornehmer Herkunft. Der überall glänzende Magnus schmeichelte ihr, nutzte sie und ihre Verliebtheit aus, liebte und heiratete aber ihre Freundin und Cousine, eine Tochter des Onkels, Pfalzgraf Johann, und von Katharina, der Halbschwester Gustav Adolfs. Christina ließ es sich nicht nehmen, den beiden bei der Trauung persönlich die Hände ineinander zu legen und den für ihre Umgebung zweideutigen Satz zu sagen, sie gäbe ihrer Freundin das Liebste, was sie habe. Der ausgesprochen gut aussehende Mann war der erste einer Reihe von Favoriten, der es schaffte, dass sie ihm trotz seiner Verschwendungssucht und obwohl er sie hinterging, weiterhin gewogen blieb. Erst als sie ihm ihre Gunst entzog, wurde er einer ihrer erbitterten Feinde nach ihrer Abdankung. Eifersüchtig hatte er beobachtet, wie andere, vor allem ausländische Gesandte wie der Spanier Pimentel oder der französische Arzt Bourdelot, ihm vorgezogen wurden. Inzwischen hatte sich auch eine neue Generation schwedischer Adeliger in ihre Gunst gedient. Er zettelte eine Intrige an, die aber für ihn schlecht ausging – er wurde vom Hof verbannt. Kein Wunder, dass er später, als Christina als Bittstellerin nach Schweden kam, ihr unversöhnlich entgegentrat.

      In Schweden versammelte sich zur Zeit Christinas auf ihre Einladung hin ein Teil der besten Wissenschaftler und Künstler Europas. Kaum war der Westfälische Friede geschlossen, wurden Bibliothekare durch ganz Europa geschickt, um kostbare Bücher zu kaufen, wurden Gemälde aus Prag an den Hof gebracht, wurde Schweden Mittelpunkt im musischen Leben. Deutsche, italienische und französische Orchester spielten, Ballette wurden aufgeführt, bei denen Christina selbst mitwirkte, oft in der Rolle der Pallas Athene.

      Sie gründete eine Akademie unter dem Namen Amaranthenorden, überwiegend zur Selbstverherrlichung. Das Symbol des Ordens war die der Immortelle verwandte Blüte des Amaranth. 15 Herren und 15 Damen sollten dem Orden angehören, sie mussten unvermählt sein und der Herrin, also ihr, ewige Treue geloben. Wie später bei ihrer Accademia reale in Rom war eine der wichtigsten Aufgaben die Reinigung der Dichtkunst von schwülstigen Ausdrücken. Das verwundert, wenn man heute ein von Christina entworfenes und mitverfasstes Drama liest, den Endymion von Alexander Guidi, im Pathos barocker Sprache. Diese sprachliche Komponente zu beachten ist aufschlussreich, wenn man den Abstand erkennen möchte, der zur heutigen Zeit besteht.

      Eine Reihe großer Gelehrter wurde von Christina nach Stockholm eingeladen, der berühmteste war der Philosoph René Descartes, ein katholischer Franzose, der inzwischen im Exil in Holland lebte, da seine Ansichten in Frankreich für Misstrauen sorgten. Descartes’ Auffassung, dass die Welt unendlich sei, widerspräche der Lehre des Christentums, wurde behauptet. Wie sich Glaube mit »modernen« Wissenschaften vereinbaren lässt, war Christinas Frage. Nun, Gott sei unendlich, der Mensch und die Welt dagegen unbestimmbar. Das höchste Gut sei die richtige Anwendung des freien Willens. Das hörte sie natürlich gern, vor allem, weil die lutherische Orthodoxie solchen Gedanken kritisch gegenüberstand, für sie der Beweis der größeren Offenheit des Katholizismus.

      Ein kurzer und insgesamt misslungener Besuch. Selbst wenn Christina vor seinem Ruhm und seiner Bedeutung große Hochachtung verspürte, scheint sie ihn als Mensch und Mann nicht sonderlich interessant gefunden zu haben, denn sie traf sich nur wenige Male mit ihm, vor allem zu einer Zeit, die für ihn eine Tortur war, nämlich um fünf Uhr früh. Kaum aus dem Bett in die winterliche Starre Stockholms geworfen, sollte er mit ihr über seine Philosophie diskutieren, die sie doch nicht verstehen konnte, wie er in Briefen an Elisabeth von der Pfalz offenbarte. Nichts hatte er an sich von der geschmeidigen Eleganz der Männer, die sie begünstigte, er war klein

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