Christina von Schweden: Ich fürchte mich nicht. Charlotte Ueckert
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»Ich werde diese Muße benützen, um mein vergangenes Leben zu prüfen und meine Fehler ohne Bedauern und Erstaunen zu verbessern … Was auch immer geschieht, ich bin glücklich … und ich fürchte mich nicht vor der Vorsehung, von der Sie mir sprechen. Will sie meine Angelegenheiten bestimmen, so unterwerfe ich mich mit der Demut und Ergebung, die ich ihrem Willen schulde, überlässt sie mir die Leitung, so werde ich einsetzen, was sie mir an Kräften und an Einsicht in die Seele gelegt hat, um mich glücklich zu machen.«
Und sie hofft, ihn eines Tages zu sehen und mit ihm ihre Ruhe zu genießen. Nun, von Ruhe war nicht viel in ihrem Leben, aber die starken Worte, sich in das zu fügen, was sie nicht beeinflussen kann, dieser völlige Verzicht aufs Jammern, bleibt ihr bis in die letzten Lebenstage erhalten.
Lang war der Weg zu dem endgültigen Entschluss, abzudanken. Verdankt sie die Konversion ihrem toleranten Lehrer und Erzieher Johann Matthiae? Noch vor Axel Oxenstierna war er für ihre religiösen Belange zuständig und lehrte sie die sechs Sprachen, in denen sie sich zum Teil fließend verständigte. Kenntnisse in Philosophie, Theologie und Welterfahrung wurden ihr von ihm vermittelt. Johann Matthiae, ein bedeutender Theologe, Bischof und ein Meister an Toleranz, der am liebsten Lutheraner und Calvinisten vereint hätte, lehnte auch den Katholizismus nicht so konsequent ab wie schwedischen Lutheraner. Er, den sie Papa nannte und dem sie ihr Leben lang herzlich zugeneigt blieb, scheint seine Schülerin zu einem selbständigen Denken geführt zu haben. Auch wenn sie ketzerische Ideen äußerte (wie die Ablehnung des Jüngsten Gerichts), verurteilte er sie nicht. Mit ihm diskutierte sie theologische Lehren, mit ihm studierte sie die antiken Sprachen und Geschichte. Ihm bewahrte sie ein Leben lang eine Zuneigung und Achtung, gerade weil ihm seine Anschauungen das Bischofsamt in Uppsala gekostet hatten. Liebevoll schreibt sie über ihn in ihren autobiografischen Aufzeichnungen, die sie im Alter anfertigt.
Ein erster Versuch, den Reichsrat von einer geplanten Abdankung zu benachrichtigen, erfolgte 1651.
Damals wollte sie insgeheim den Glauben wechseln, hatte sich schon lange für den Katholizismus interessiert und sich mit allen Gewährsleuten, vor allem dem französischen Botschafter, vorsichtig ausgetauscht. Allerdings dachte sie zunächst noch daran, durch Geheimhaltung trotzdem Königin bleiben zu können. Vieles schaffte auch der Zufall. Katholiken am Hof, die alle in Staatsgeschäften aus fremden Ländern kamen, entpuppten sich wie der Portugiese Antonio Marcedo, Kaplan des portugiesischen Gesandten, als jesuitische Priester. Natürlich musste dies geheim bleiben, denn Jesuiten war es bei Todesstrafe verboten, Schweden zu betreten. Er sprang für einen erkrankten Dolmetscher ein und führte Unterhaltungen mit der Königin, die andere Inhalte als die Staatsgeschäfte hatten, die ein Gesandter führen sollte. Ein reiner Zufall 1651, als sie schon ein paar Jahre über die Abdankung nachgedacht hatte. Ihn schickte sie in geheimer Mission nach Rom. Kaum war er abgereist, kam ebenso zufällig der Jesuitenpater Godfried Francken im Gefolge eines spanischen Gesandten nach Stockholm, auch er ein wichtiger Kontakt. Die aus vielen Ländern stammenden Künstler, Balletttänzer, Schauspieler und Musiker gehörten überwiegend dem katholischen Glauben an und mögen sie beeinflusst haben. Neben der Einigung unter einem Oberhaupt, dem Papst, ist für sie, die schon die Trennung von Lutheranern und Calvinisten unnatürlich fand, der Unitätsgedanke ein Anziehungsmerkmal. Aber auch die Ästhetin ist es, die sich durch die äußerlichen Feierlichkeiten, die Pracht und Rituale der Liturgie eingenommen fühlt.
Die Korrespondenz, die sie mit dem vielgereisten Herzog von Bracciano aus der Familie Orsini führte, der ihr auch in Rom gewogen blieb, mag dazu beigetragen haben, die Sehnsucht nach einem Glaubenswechsel zu verstärken, auch wenn es sich in den Briefen meist um Fragen der Künste handelte.
Für eine, die inzwischen durch die Auseinandersetzungen mit den Mitgliedern des Reichstages, vor allem dem Kanzler Oxenstierna, erkannt hatte, dass die Politik ein Geschäft war, das ihr nicht nur lag, sondern sie auch ihr ganzes Leben interessieren würde, war es doch ein immenser Weg, wegen des Glaubens auf ihr Amt zu verzichten. Doch einer heimlichen Konversion wurde vonseiten der sie zum Glaubenswechsel bewegenden Jesuiten energisch widersprochen. Das würde der Papst niemals dulden.
Bei jeder Zusammenkunft des Reichstages galt es erneut, die widerstrebenden Interessen der adeligen und bäuerlichen Stände zu überzeugen, dass sie zwar alle Privilegien behalten, aber als Frau es sich nicht länger zumuten wollte, die Regierungsgeschäfte, die sie so glänzend wahrgenommen hatte, weiter zu bedienen. Das war das einzige Mal, in dem sie ihren Status als Frau in einer entschuldigenden Weise ins Spiel brachte. Sie wollte ein Leben allein nach ihren Vorstellungen, und das war keinesfalls ein Königinnenleben mit Mühen, Verantwortungen und Auseinandersetzungen wegen ihres persönlichen Lebensweges. Den wollte sie selbst bestimmen. Sie wusste auch, dass es Kritik gab an ihrem verschwenderischen Leben, daran, dass sie verdienstvolle Leute in den Adelsstand berief, die dann der Allgemeinheit zur Last fielen. Misstrauisch beobachtete der alteingesessene Adel, wie ihr Stand sich unter Christina vermehrte.
Eine Weile war sie unentschlossen, wohin sie sich wenden sollte. Sie suchte die Fürsprache des französischen Hofes, einmal weil sie perfekt Französisch sprach, dann weil die Nähe des verbündeten Frankreichs zu Schweden sowie ihre französischen Freunde am Hof dies bevorzugten. Oder sollte sie Schutz suchen beim spanischen König? Der schmiedete sogar Pläne, seinen Sohn mit ihr zu verheiraten. Aber schnell erkannte sie, dass eine Königskonkurrenz sie in dieselbe Bedeutungslosigkeit bringen würde wie eine Eheschließung. So blieb Rom erstrebenswert als am besten geeigneter Aufenthaltsort, als Glaubenszentrum ohne königliche Konkurrenz.
Zwei Beobachter haben den Weg zu ihrer Abdankung begleitet, durchaus nicht mit Bedenken sparend: der kaiserliche Gesandte Raimondo Montecuccoli, der alle Geschehnisse in einem Tagebuch festhielt, und der englische Botschafter Whitelocke. Mit ihm, einem steifen förmlichen Menschen des Hofes, der ihr zugetan war, tanzte sie auf dem letzten Ball als Königin bis in den Morgen.
Zu der beeindruckenden Abdankungszeremonie am nächsten Tag im Schloss von Uppsala, wo sie sich selbst die Krone vom Kopf nahm, weil keiner ihrer Untertanen das wagen wollte, wurde eine goldene Münze geprägt, für den neuen König und für sie. Auf seiner Münze stand: A Deo et Christina. Sie war also wie Gott die Königsmacherin. Und auf der Münze ihr zu Ehren steht unter einer Krone: Et sine te, also auch ohne Krone bleibt sie, was sie ist, nämlich Königin.
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