Amerikanische Satiren. Albrecht Classen
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Heil dir Amerika – du älteste Demokratie der Welt!
PROLOG
Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man durchaus darüber lachen, was sich so alles in der Neuen Welt abspielt. Ich bin selbst dort seit vielen Jahren Staatsbürger und kann immer weniger meinen Augen und Ohren trauen, aber so ist es nun mal eben in Amerika heutzutage. Ich bin zwar generell ziemlich politisch involviert, aber viel erreicht man damit nicht, wenn man etwa Leserbriefe an die Zeitung schickt. Dort wo ich lebe, also in Tucson im südlichen Arizona, denkt man sowieso meistens anders als im Mittleren Westen oder im Rostgürtel des Mittleren Ostens. Die Gegenwart einer größeren Universität bringt es einfach mit sich, dass viel mehr liberalere Einstellungen verbreitet sind. Aber wie sieht denn das Leben in den USA überhaupt aus, und nun mal aus der Sicht eines Deutsch-Amerikaners? Auch in Tucson, genauso wie in Miami oder Seattle, in Chicago oder Kansas City, treffen wir auf viele liebe Mitbürger, und so manche von ihnen, wie könnte es denn anders sein, haben so ihre Schrullen, ihre Schwachheiten, Torheiten, Fehler, und dann auch wieder ihre guten, lieben Seiten. Aber irgendwann platzt mir doch der Kragen, obwohl ich schon vor 24 Jahren eingebürgert wurde. Was soll denn das, möchte man fragen! Wie kann der gute Mann oder die gute Frau sich nur so verhalten? Haben sie denn noch gar nichts dazugelernt?
Man könnte darüber lachen, was sich da jeden Tag vor den eigenen Augen abspielt, und genau dies hat sich bei mir ergeben, als ich damit begann, mir einzelne Situationen im alltäglichen Leben genauer vorzuknöpfen und zu fragen, was sie eigentlich für die globale Welt in den USA auszusagen vermögen. Die nachfolgenden Satiren wollen etwas provokativ wirken, spießen gewiss Extrembedingungen auf, die in Wirklichkeit vielleicht doch nicht ganz so schlimm sein werden. Aber vieles muss doch mal gesagt werden. Natürlich habe ich auf Deutsch geschrieben, denn ich komme aus Deutschland und lehre Deutsch, schreibe auf Deutsch, denke auf Deutsch, und dies auch nach Jahrzehnten dort drüben. Trotz meines amerikanischen Passes sehe ich Amerika weiterhin aus deutscher Perspektive, und so konnte ich mir nicht anders helfen, als endlich mal meine satirische Brille aufzusetzen.
Ich habe mich hier sowohl politisch als auch sozialkritisch geäußert, will aber eigentlich niemandem auf die Füße treten. Wenn es mir aber gelingen sollte, einige Leser zum Schmunzeln oder sogar zum Lachen zu bringen, eventuell sogar meine amerikanischen Mitbürger, würde es mich schon sehr freuen. Klar habe ich oftmals übertrieben, aber ich hoffe, dass man es mir verzeihen wird als Satiriker, denn böse habe ich es eigentlich nicht gemeint. Ich gestehe auch gerne, dass ich es manchmal mit meinen Satiren wohl zuweitgetrieben habe, und bitte daher bereits hier im tiefsten Brustton des Bedauerns, man möge meine Entschuldigung akzeptieren. Sollte ich aber wunde Punkte getroffen habe, dann lacht gerne frei heraus; es lohnt sich wahrlich. Was ich beschreibe, sind große politische Aspekte und sehr kleine alltägliche Phänomene. Mein bewundertes Vorbild war Ephraim Kishon, aber so subtil wie er vermochte ich doch kaum zu schreiben. Bei mir kommt mehr die Holzhammer-Methode zur Geltung. Aber bei so vielen Holzköpfen mag dies eventuell gar nicht so schlecht sein. Viel Spaß, also, liebe Leserin und lieber Leser.
AMERIKANISCHE KUTSCHEN
Wir lachten früher schon regelmäßig über die amerikanische Großmannssucht bei ihren Autos. Viele Deutsche träumen bis heute von den ungeheuren Schlitten, die noch in den 60er Jahren den Glanz und die Glorie Amerikas darstellten. Dann kam der große Ölschock, und die Autoindustrie durchlief eine grundlegende Reform. Mittlerweile ist diese aber in die Jahre gekommen, der Benzinpreis hat sich praktisch halbiert, und so braucht sich keiner mehr wirklich Gedanken darüber zu machen, was für ein Auto man fährt. Die Grünen sind natürlich darauf bedacht, ein Elektroauto oder ein Hybrid-Fahrzeug zu erstehen, alle Hochachtung, aber der Durchschnittsamerikaner sieht das alles ganz anders.
Ich muss gestehen, ich bin überwiegend Fahrradfahrer. Meistens kann ich ohne große Probleme morgens zu Arbeit fahren und abends wieder sicher nach Hause kommen. Manchmal aber gibt es die Notwendigkeit, kurz die Hauptverkehrsstraße zu benutzen. Auch nur für hundert Meter, aber da bleibt mir doch die Spucke weg. Auf drei Spuren donnern die großen Pick-Ups oder die Vans an mir vorbei, oder ähnliche Ungetüme. Der richtige Amerikaner, der etwas auf sich hält, hat schon lange Abstand davon genommen, einen normalen Personenwagen zu fahren. Wer sind wir denn, so sagen sie sich alle. Wer nicht durch Volumen zu dominieren vermag, hat auf der Straße gar nichts zu suchen. Darum geht es vor allem. Es muss groß, mächtig, beeindruckend, dominierend, selbstherrlich sein. Das ist schon fantastisch, diese Armada von amerikanischen Personenwagen, die wie eine Herde wildgewordener Pferde daherkommen und alles vor sich dahinwalzen, was sich ihnen in den Weg zu stellen wagen sollte. Ein Fahrrad würde überhaupt nicht wahrgenommen werden. Man fährt heute selbstherrlich, sitzt sozusagen im zweiten Stock, überschaut die Welt vor sich und denkt an nichts.
Aber halt, ganz so ist das nicht. Da klingelt ja immer wieder das Handy, und da die amerikanischen Politiker weiß Gott nicht daran denken, Telefongespräche bei der Autofahrt zu verbieten, gibt es halt immer wieder so ein paar Unschuldsknaben, die es gewagt hatten, den Zebrastreifen zu benutzen, um die Straße zu überqueren. Meine Güte, einfach platt fahren, das Gewicht hält das schon aus, wird sowieso ein Obdachloser gewesen sein, oder so ein Linksintellektueller. Der stolze Amerikaner fährt einfach weiter, merkt noch nicht einmal, dass es da ein Problem gegeben haben könnte, und außerdem war der Anruf auf dem Smartphone sowieso wichtiger gewesen.
In Texas fährt man auf jeden Fall mit den größten Autos. Dort ist alles immer am größten, man würde sich geradezu schämen, wenn es anders sein sollte. Das Land ist groß, die Regierung ist fern, der Weg ist weit, also bitte einen inneren Wohnraum auch im Auto. Da sollte zumindest ein Kühlschrank installiert sein, und ein Fernseher gehört sowieso dazu, damit die Kinder mit etwas Beruhigendem berieselt werden können. Ich finde das wirklich wunderbar, da fahren die Leute von Arizona oder die lieben Texaner-Touristen z. B. durch die Bergwelt von Sedona und dann weiter oben vom Gran Canyon, aber im Auto ist man auf den Videofilm fixiert; was soll denn die Welt da draußen?
In Arizona wagen es ein paar verrückte liberale Politiker, ein Gesetz durchzusetzen, wonach Teenager für die ersten sechs Monate nicht beim Autofahren Telefongespräche führen oder eine Sims schicken dürfen. Zum Glück haben die Republicans die völlige Mehrheit und werden schon sicherstellen, dass keine solche Regelungen durchgesetzt werden könnten. Seltsamerweise gilt aber, dass man einen Sicherheitsgurt tragen muss, und dies sogar bei uns im Südwesten. Das ist ja ungeheuerlich, die Regierung will uns zwingen, solch einen einengenden Gurt vor der Abfahrt anzuschnallen, wo bleibt denn da unsere Freiheit? Gut, im Flugzeug macht man das schon, aber dort zwingt uns ja die Stewardess dazu. Wenn ich aber mit dem Auto fahre, sollte ich da nicht machen dürfen, was mir gerade so recht wäre? Ach, Gesetze, Regelungen, Vorschriften – all das ist ja so lästig, und wir Amerikaner wollen wirklich nichts damit zu tun haben. Hurra, Freiheit ist das Stichwort, und wenn auch die anderen darunter leiden könnten, was soll’s, jeder darf machen, was er oder sie will. Nun, sagen wir mal, was er will; die lieben Frauen sollten doch ein wenig kuschen und sich unterordnen. Sie reden sowieso zuviel am Telefon, während Männer, ganz gleich welchen Alters, nur wichtige Dinge zu sagen haben. Also, liebe Polizei, wenn ich dann wieder einmal bei der großen Kreuzung nach links abbiege und mehrere Spuren überqueren muss, dann sollte ich wirklich das Recht haben, gleichzeitig mit der Schwiegermutter