Kleines Gulasch in St. Pölten. Klaus Nüchtern
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Klaus Nüchtern
Unter Kolumnisten
Manchmal, wenn ich nett zu jemandem sein will oder jemand einer zarten, unauffälligen Tröstung bedarf, mache ich ein Kompliment. Gerade in Berlin (schöne Grüße von hier!) werden im Allgemeinen zu wenig Komplimente gemacht, obwohl ihre Wirkung toll ist. Am besten wirkt ein Kompliment, wenn man sich selbst dabei herabsetzt. Nicht im koketten Sinne von fishing for compliments, sondern nur ganz wenig, sodass es der Komplimentierte fast nicht merkt, sondern sich eigener Stärken bewusst wird und freut – was ja der Sinn jedes Kompliments ist. Auch Nüchtern, der natürlich bei uns schlafen darf, wenn er nach Berlin kommt (und dem wir auch jedes Mal wieder vor dem Berliner Marathon das Bett herrichten, mag es ihm auch jedes Mal, wenn wir damit fertig sind, einfallen, dass ihn ein wichtiger Grund an der Teilnahme hindert), auch Nüchtern also kann Komplimente vertragen. Und als es mit der neuen persönlichen Bestzeit beim Berliner Marathon 2000 nichts geworden war, obwohl Nüchtern sehr gut im Rennen lag und ich ihm bei der Hälfte, auf der Straße vor unserem Haus, begeistert zurufen konnte, dass sein Rückstand auf Joschka Fischer nur mehr minimal sei, da fand ich es eben am nächsten Tag angebracht, ihm ein Kompliment zu machen. Ich habe bei Nüchterns einmal sehr gut indisch gegessen, und weil ich nun nett sein wollte und mir obendrein der Magen knurrte, lobte ich nun überschwänglich seine Kochkünste, nicht ohne das Lob dadurch zu steigern, dass ich selbiges „niemals“ kochen können würde, obwohl ich es doch so „wahnsinnig gerne“ von ihm „lernen“ würde. Hochmotiviert stellte sich Nüchtern in die Küche, und wir nachtmahlten vorzüglich. Danke dafür.
Ich habe es schließlich aus der Zeitung erfahren. „Koberg kann nicht indisch kochen“, lautete der Titel von „Nüchtern betrachtet“. Da wird einem auch wieder klarer, warum so viele Leute Probleme mit „den Medien“ haben.
Verena meint, dass das Schreiben wahrscheinlich früher einfacher war. Sie meint, früher habe man sich hingesetzt, à la Thomas Mann 500 bis 1000 Seiten über die Familie oder Freunde geschrieben und sei irgendwann berühmt geworden. Heutzutage haben die Schreiber zwar auch nur ihre Familie oder ihre Freunde als Thema, aber im Gegensatz zu früher müssen sie sich heute als Kolumnisten verdingen und jede Woche pointenreiche Kurzprosa zum Alltag abliefern. Tun sie das nicht, werden sie zu ihrem Chef zitiert und gefragt, ob sie eine Schreibkrise haben. Wobei das noch nie Nüchterns Problem war.
Zu unserem Bekanntenkreis gehören Restaurant-Kolumnisten (4), Hunde-Kolumnisten (3), Väter-Kolumnisten (2), „Dichter dran“-Kolumnisten (2), Sex-Kolumnisten (1) und Nüchtern. Verena meint, ohne uns, die Freunde, wären sie nichts. Wenn sie etwas erleben müssen, um Erlebtes aufschreiben zu können, kommen sie zu uns, schauen sich die Simpsons an oder gehen mit uns bowlen und erklären den 11. September zum „Homer-Simpson-Memorial-Day“. Wir, die Freunde der Kolumnisten, hängen Kolumnen, in denen wir vorkommen, natürlich sofort aufs Klo, denn in regelmäßigen Abständen kommen die Kolumnisten vorbei, um zu kontrollieren, ob man ihre Kolumnen auch am Klo hängen hat. Dort vergisst man die Kolumnen, und so war die über den 11. September auch noch im Jahr 2001 da. Seither werden wir von unseren Freunden für eiskalte Zyniker gehalten. Nur die Kolumnisten kommen weiterhin zu Besuch.
Verena meint, am besten wäre es, wenn es wie beim Jagen eine Schonzeit für Freunde, Bekannte und Verwandte von Kolumnisten gäbe. In den, sagen wir, Monaten mit „r“, wäre es dann verboten, Kolumnen über Freunde, Bekannte und Verwandte zu schreiben, und dann könnten wir endlich die Dinge tun, die sonst immer das Thema von Kolumnen sind. Lampen kaufen und bowlen gehen zum Beispiel.
Verena hat das alles eigentlich nicht gesagt, sondern aufgeschrieben. In einer Kolumne aus der Serie „Unterm Strich“. Das brachte 153 Euro fürs Haushaltsgeld. Danke dafür.
Wir müssen einfach alle noch viel mehr übereinander schreiben.
Roland Koberg
Ein Herz und eine Krone
Gekrönt wird schnell einmal einer beim Falter. Darauf braucht man sich nichts einzubilden. Aus Klaus Nüchterns Kolumnen wissen Sie, dass der Theaterkritiker Wolfgang Kralicek seit einem Betriebsausflug in die Boutiquen Istanbuls „King Kenzo“ genannt wird. Aus dem Editorial, dass Mitarbeiter, die es sich erlauben, ihren kollektivvertraglichen Urlaubsanspruch zu konsumieren, als „Urlaubskönige“ diffamiert werden. Fremdenfreundlich, wie wir sind, nehmen wir auch gerne bei den Machtstrukturen fremder Völker Anleihen: Kinokritiker Michael Omasta wird wegen seines elegant ergrauten, fülligen Haupthaares „Häuptling Silberbär“ genannt, Nüchtern selbst – warum auch immer – „Häuptling mümmelnder Biber“.
Ich führte lange Zeit den Titel „Königin der Nacht“. Das war gemeinerweise kein Ehrentitel, der mein geselliges Wesen auszeichnete. Nein, der Chef fand, ich würde den Redaktionsschluss – Montag, 17 Uhr – nicht ernst genug nehmen. Das stimmte, erstens, so nie, war, zweitens, nur auf meinen Fleiß und Perfektionismus zurückzuführen und ist, drittens, schon lange her.
Aber, bitte, „Königin der Nacht“ war immer noch besser als mein anderer Spitzname beim Falter: „Weisse“. Eine solche Verballhornung muss jeder Redakteur hinnehmen, dessen Nachname mehr als zwei Silben hat. Als ich zum Falter kam, gab es dort schon einen Kralle (ein anderes Pseudonym Kraliceks) und einen Wurme (Christopher Wurmdobler). Neude (Sigrid Neudecker), Rotte (Thomas Rottenberg) und Zelle (Klaus Zellhofer) hatten längst gekränkt zu anderen Medien gewechselt. Meine geschätzte Kollegin Nina Weißensteiner jedoch hatte ausgeharrt. Also rief mich der Chef „Weisse II“. Heute weiß ich, wie sich der Jüngere von Zwillingen fühlen muss.
In meiner Verzweiflung, um endlich einmal alleine im Mittelpunkt zu stehen, bat ich meine alten Freunde von Roxy Music, in meinem Keller aufzutreten. Zu diesem Konzert zog ich meine hübscheste, pinke Seidenbluse an, dekorierte meine Wohnung mit originellen Sitzgelegenheiten neu, mixte bunte Getränke und lud „König Klaus“ – so nennt er sich, wenn der Chef außer Haus ist – und all seine Untergebenen ein. Mit Erfolg: Weil es ihm bei mir so gut gefiel, krönte mich Nüchtern in seiner Kolumne zur „Style-Queen“. Die alten Spitznamen waren vergessen.
Der Mann hat nicht nur Stil, sondern auch ein Herz.
Eva Weissenberger
Es ging um die Wurst
Was bleibt Schreibern einer Wiener Stadtzeitung, deren Zentralrat die Verwendung des Ich konsequent unter Strafe stellt, anderes übrig, als in die Literatur zu flüchten (oder sich hinter Alibikonstruktionen wie „man“, „das Publikum“ oder „informierte Kreise aus der Richterschaft“ zu verstecken)? „Bitte“, sagen die dann, „wir sind ja kein x-beliebiges Zeitgeistmagazin, das – getrieben vom Leidensdruck individueller Ausdrucksdefizite oder grassierenden Personality-Wahns – ein jedes Nockerl mit Bekenntnissen über die eigene libidinöse Befindlichkeit eröffnen muss. Wo kämen wir denn da hin?“ Einer der unerbittlichsten Adepten dieser Schule, also ein wahrer Talib, ist Nuechtern himself: nicht dieser hier, der in Gaudenzdorf haust, sondern jener dort, der schlicht in Meidling residiert, Protestant ist (und wahrscheinlich deshalb einem Warmduscher wie „Badly Drawn Boy“ Asyl im CD-Player gewährt) und dennoch das unfassbarste Erdäpfelgulasch diesseits meiner (jenseitigen) Oma kocht.
Letzteres bringt ihn mit diesem Nuechtern hier, dem manischen Kämpfer wider kulturelle Verblödung, kulinarische Fantastereien (ich sage nur „Ennstalsushi“) oder falsch verstandenen Pluralismus zur Deckung: ein Hang zur Professionalität