Anekdoten frommer Chaoten. Adrian Plass

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Anekdoten frommer Chaoten - Adrian Plass

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bei Gemeindefreizeiten einzuführen, und wir plädieren auch nicht für mehr Toleranz gegenüber denen, die ihre Persönlichkeit gerne durch das Medium des gegenseitigen Massakrierens ausdrücken möchten. Stattdessen werden die Leser Spuren eines geistlich exzentrischen Ringens darum finden, den klaren Verstand, den Humor, die Barmherzigkeit und den kreativen Einfallsreichtum eines Gottes zu verstehen, der häufig aufs Katastrophalste als engstirnig, schlichtsinnig, humorlos und, um ehrlich zu sein, als langweilig missverstanden wird.

      Ich habe über Jeffs Briefe eine Menge gelacht, nicht zuletzt, weil sie Schilderungen einiger hochnotpeinlicher Momente enthalten. Ebenso wichtig ist, dass ich ein wenig über sie geweint und viel aus ihnen gelernt habe. Wie könnte ich das auch nicht, wenn ich darin immer wieder einen Mut machenden Blick auf das traurige, aber lächelnde Gesicht Jesu erhaschen konnte?

      Kommen Sie und gesellen Sie sich zu uns. Lauschen ist erlaubt. Sie sind uns sehr willkommen.

      Es war eine geflüsterte Idee beim Abendessen. Adrian und ich besuchten gerade eine christliche Veranstaltung, die so unsäglich langweilig war, dass es uns vorkam, als wäre der Abend als Therapie für Leute gedacht, die an chronischer Schlaflosigkeit leiden. Unsere Blicke schweiften durch den Raum über die halb geschlossenen Augen und herabsackenden Schultern des Publikums, das sich verzweifelt bemühte, gegen den Schlaf anzukämpfen. Der betäubend eintönige Vortrag schien dazu angetan, die Telefonzentrale des Seelsorgenotrufs zum Absturz zu bringen. Da kam uns beiden der Gedanke, es könnte nützlich sein, uns einmal zu unterhalten. Doch damit war eine doppelte Schwierigkeit verbunden. Erstens sind wir beide ständig auf Achse, sodass wir fürchteten, unsere nächste Begegnung im Fleische (ich zögere, diesen Ausdruck zu verwenden, weil ich mir dabei immer vorkomme wie ein Nudist) könnte durchaus eines unserer Begräbnisse sein. Und dann würde unsere Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen, an sehr enge Grenzen stoßen, da ja einer von uns beiden in einer Fichtenholzkiste liegen würde. (Macht mir meine lieber aus Eiche. Fichte ist so was von aus den Achtzigern.)

      Das andere Problem ist: Wenn Christen sich zu laut unterhalten, besonders über heikle Glaubensfragen, dann gibt es so eine Sorte selbst ernannter Gedankenpolizisten, die gleich mit Blinklicht und plärrender Sirene zur Stelle sind, um die unglückliche geschwätzige Seele zu verhaften, unter Häresieanklage zu stellen und an Ort und Stelle in Flammen zu setzen. Den Geruch von brennendem Fleisch fand ich noch nie sonderlich verlockend, besonders, wenn es mein eigenes ist. Diese Befürchtung wirkt sich demzufolge etwas dämpfend auf jedes Gespräch aus. Leider bedeutet das, dass viele von uns in ihren eigenen Köpfen gefangen sitzen, eingemauert mit schwierigen Ängsten, Zweifeln und Theorien, ohne die Möglichkeit zu haben, sie zusammen mit allen anderen an die frische Luft und ins Licht der Sonne zu bringen. Das kann ein ziemlich klaustrophobisches Gefühl werden, und nach einer Weile fangen die Mauern im Kopf an, immer mehr zusammenzurücken und einem den Glauben zu einem schrumpfenden kleinen Paket zusammenzuquetschen. Wenn das zu lange so geht, fängt man irgendwann an, sich in Fantasien über einen groß angelegten Fluchtplan aus der Sekte zu ergehen. Wenn die Kirche sich in so etwas wie das Kriegsgefangenenlager Colditz verwandelt und das Wachpersonal mit Maschinenpistolen bewaffnet ist und Fischaufkleber an den gepanzerten Truppentransportern hat, wird es Zeit, einen Tunnel zu graben.

      So fassten Adrian und ich den Plan, einen Briefwechsel zu führen. Das bringt natürlich seine eigenen Risiken mit sich, da er ein so brillanter Schriftsteller ist und ich zwar möchte, dass er gut dasteht – aber wenn er so gut dastünde, dass ich daneben wie ein Dorfdepp aussähe, wäre mir das auch nicht recht. Es gab Momente, in denen ich mir angesichts seiner Kunstfertigkeit mit Worten wie ein Bauer vorkam, aber das macht mir nichts aus. Ich kenne Adrian seit Jahren als einen warmherzigen, freundlichen, frustrierten, fröhlichen, traurigen, hoffnungsvollen Kerl, und dieser Austausch hat Spaß gemacht, war heilsam und ging ohne jeden Anflug von Druck vonstatten. Wir hatten die Möglichkeit, unsere Wäsche zu lüften, aber wir mussten sie hinterher nicht gleich säuberlich plätten und mit rasiermesserscharfen Bügelfalten versehen.

      Nun also willkommen bei unserem Plausch. Schön, dass Sie sich einen Stuhl genommen haben.

      Lieber Jeff,

       in mir ist eine Erinnerung hochgekommen. Es geht um etwas, was mir vor zwanzig Jahren passiert ist, und ich möchte die Geschichte jemandem erzählen. Ich glaube, Du wirst es vielleicht verstehen. Du bist ja immer auf die Wahrheit aus, obwohl Du Christ bist. Außerdem möchte ich Dir von einer faszinierenden Begegnung erzählen, die ich erst vor ein paar Wochen mit einem christlichen Vortragsredner hatte, der behauptete, seinen Glauben verloren zu haben. In gewisser Hinsicht gehören die beiden Geschichten zusammen. Jedenfalls denke ich das.Vielleicht siehst Du es anders. Ich fange mit der Erinnerung an.

      Neben dem neuen Supermarkt in unserem Städtchen befindet sich eine Kneipe namens »The Bandolier«, ein anheimelnd windschiefes Haus in Familienbesitz, das wohl aus der spätviktorianischen Zeit stammt. Während der letzten beiden Jahrzehnte ist im Innern eine Menge verändert worden, aber vor zwanzig Jahren gab es dort drei Schankräume. Zwischen der Saloon Bar, in englischen Wirtshäusern traditionell eine etwas elegantere, weniger turbulente Umgebung, und der Public Bar lag als Übergang oder vielleicht auch Pufferzone ein kleiner Verkaufsraum für Wein und Spirituosen, in dem ein teddybärförmiger Mann mit schütterem Haar tätig war, der jede Transaktion mit den unerklärlichen Worten »’n Schönen auch, Chef« abschloss. Die deutlich weniger elegante Public Bar war der Ort, wo man Darts, Billard und Domino spielen konnte. In diesem Teil der Kneipe konnte es bisweilen ziemlich laut und krakeelig zugehen, wenn auch meist auf eine gutmütige Art und Weise. Der dritte Schankraum, auf den es in meiner Geschichte vor allem ankommt, wurde »Snug« genannt. Er war klein, behaglich und im Allgemeinen sehr ruhig. Ein gemütlicher Ohrensessel von einem Raum und ein vorzügliches Außer-Haus-Wohnzimmer für Leute wie mich, die gern in einer Ecke sitzen und sich eines guten Buches und eines Glases Harveys Bitter erfreuen – eines süffigen Biers, gebraut von sterblichen Menschen, doch erdacht und erschaffen von Gott selbst.

      Dort ließ ich es mir also an einem frühen Abend im Oktober wohl sein. Ich saß an einem kleinen Tisch in der Ecke und genoss die heilsame Kraft der Ruhe, die Qualität des Biers, die scharfe Frische der Jahreszeit und die meisterhafte Konstruktion von G. K. Chestertons Die Ehre des Israel Gow , meiner Lieblings-Pater-Brown-Geschichte.

      Die einzigen anderen Gäste in der Bar waren zwei ziemlich schmuddelige ältere Männer (ganz im Gegensatz zu mir, der ich ein schmuddeliger Mann mittleren Alters war). Was das Bier anging, war ich damals ein Nipper und Genießer, doch diese beiden tranken für England. Sie waren leidenschaftliche Schlucker und Exer, und je mehr von dem goldenen Nass sie sich in die Hälse schütteten, desto heftiger stritten sie miteinander. Es wurde immer schlimmer, immer lauter, immer zusammenhangloser. Fäuste krachten auf Tische, Stühle ratschten über die Dielen, bis sich schließlich die anheimelnd bierige Atmosphäre vor Flüchen und Schimpfwörtern blau färbte und die beiden Streithähne sich auf ihre nicht mehr ganz standsicheren Beine erhoben, um ihre Meinungsverschiedenheit auf höherer Ebene weiter auszutragen.

      Das gab dem Wirt sein Stichwort.

      Dieser Zeitgenosse von eindrucksvoller Leibes- und Autoritätsfülle betrieb die Kneipe seit vielen Jahren. Tom war zu allen seinen Gästen freundlich und zuvorkommend, aber schlechtes Benehmen duldete er nicht. Wer Ärger machte, flog raus. So einfach war das. Er und ich hatten uns hin und wieder ein wenig unterhalten. Zu dieser Zeit unseres Lebens traten Bridget und ich (übrigens, liebe Grüße von uns beiden an Kay) fast jeden Abend spät in einer Fernsehsendung namens Join the Company auf. Ausgestrahlt im Süden Englands vor den Zeiten des Rund-um-die-Uhr-Fernsehens, war dies der letzte Programmpunkt vor dem kleinen, in die Ferne entschwindenden weißen Punkt, an den sich heute kaum noch jemand erinnert. Darin ging es um eine Gruppe von vier oder fünf Leuten, zumeist Christen, die um einen Tisch saßen und sich über Liebe, Tod, Sex, Krieg, Finanzen, Trauerfälle

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