Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 3. Группа авторов

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Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 3 - Группа авторов

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„Das tun wir im Westen nicht.“9

      Im Bergbau und auf den Walzwerken in Oberhausen wurden allerdings nur ganz wenig Frauen eingesetzt. In der Geschossfabrik in Sterkrade dagegen stieg die Zahl der Arbeiterinnen im letzten Kriegsjahr auf fast 3.000.10

      Schon vor Kriegsausbruch hatten sich die Unternehmer der Schwerindustrie Gedanken über den Einsatz von Jugendlichen gemacht. Sie sahen eine Chance, Schutzvorschriften für jugendliche Arbeiter wieder zu beseitigen. Bei einer Besprechung von „Arbeitnordwest“, des Arbeitgeberverbandes im Bereich der Nordwestlichen Gruppe des VdESI, am 14. Juli 1914 in Düsseldorf erhielten die Vertreter der Firmen Tipps, wie die Anträge für die Genehmigung von Nachtarbeit Jugendlicher mit Aussicht auf Erfolg zu stellen waren.

      „Unbedingt erforderlich […] ist, immer wieder darauf hinzuweisen, dass die Arbeitsstellen der jugendlichen Arbeiter nur der Ausbildung dieser Arbeiter dienen und die Nachtarbeit keine erhöhte Gefahr für Leben und Gesundheit bringt.“11

      Um den Anträgen bei der Gewerbeaufsicht mehr Durchschlagskraft zu verleihen, sollten die Väter vorgeschickt werden.

       Abb. 2: „Warnung“

      „Das eine oder andere Werk kann auch einen Hinweis auf die immer mehr von Regierungsseite gewünschte und geförderte Jugendpflege in den Genehmigungsantrag aufnehmen und dabei ausführen, dass ein unbedingtes Erfordernis einer richtigen Jugendpflege die rechtzeitige Erziehung zur Arbeit ist. Schließlich empfiehlt es sich auch zu bemerken, dass durch die Beschränkung der Verdienstmöglichkeit der Jugendlichen die soziale Lage der Älteren verschlechtert wird, was zweifellos auch einen Einfluss auf die Geburtenzahl ausüben wird.“12

      Also: Die schwere Nachtarbeit von Jugendlichen in den großen Werken diente der Jugendpflege, wurde von den Arbeiterfamilien gewünscht und erhöhte die Geburtenzahl! GHH-Chef Reusch zeichnete das Schriftstück ab, er hatte gegen diese Sicht der Dinge nichts einzuwenden.

      Einen Monat später – die deutschen Truppen marschierten jetzt an beiden Fronten – konnte die Nordwestliche Gruppe des Arbeitgeberverbandes VdES. den Betrieben die Genehmigung aller Anträge betreffend die Nachtarbeit Jugendlicher und die Verkürzung der Pausenzeiten in Aussicht stellen.13 Wieviele Jugendliche dann tatsächlich nachts in den Fabrikhallen arbeiten mussten, wissen wir nicht.

      Seit 1915 setzte die Schwerindustrie französische Kriegsgefangene ein. Im Gefangenenlager der GHH wurden sie in einem französischsprachigen Aushang über ihre Pflichten informiert:

      „Die Verrichtung aller Arbeiten, zu denen die Kriegsgefangenen herangezogen werden, wird im Bedarfsfalle durch Anwendung von Gewalt von ihnen gefordert werden, selbst, wenn die Gefangenen der Ansicht sein könnten, dass die Arbeiten sich auf Kriegslieferungen beziehen. Gefangene können sich nicht auf die Verordnungen und Gesetze ihres Landes berufen, denn während der Kriegsdauer unterstehen sie allein den deutschen Verordnungen und Militärgesetzen. […] Im Falle der Weigerung wird man die Arbeit durch Strafen erzwingen. Es liegt umso weniger Grund vor zur Rücksichtnahme, da im Auslande die deutschen Gefangenen mit den größten Gewalttätigkeiten mit allen möglichen Arbeiten beschäftigt werden.“14

      Reusch bat die Geschäftsstelle des VdESI, diesen Aushang den deutschen Behörden nicht zur Kenntnis zu geben, „da wir Wert darauf legen, dass vorläufig an den bestehenden Zuständen nichts geändert wird.“15

      Die deutschen Arbeiterinnen und Arbeiter wurden durch Aushang vor den Kriegsgefangenen „gewarnt“. Sie hatten „gegenüber den gefangenen Feinden die einem Deutschen geziemende Haltung [zu] beobachten“. „Vertraulichkeit“ war ebenso zu vermeiden wie „Verhöhnung und Beleidigung“. „Jeder Verkehr, der nicht streng dienstlich ist, ist zu vermeiden.“16

      Auf dem Walzwerk Oberhausen arbeitete im letzten Kriegsjahr 1917/​18 „ein wahres Völkergemisch“. Die Gesamtbelegschaft von 1960 Personen setzte sich, wie folgt, zusammen: 950 deutsche Arbeiter, 180 deutsche Arbeiterinnen, 413 belgische Arbeiter, 32 belgische Arbeiterinnen, 25 Griechen, 360 Kriegsgefangene (davon 142 Franzosen, 21 Ukrainer, 102 Russen, 41 Engländer, neun Belgier, 13 Italiener, 32 Portugiesen).17 Auch die Belegschaften im Bergbau und in den Sterkrader Betrieben wurden mit jedem Kriegsjahr internationaler.

       Tabelle 1: Beschäftigte im Kohlenbergbau der GHH 1913 bis 1918 18

       Tabelle 2: Beschäftigte in den Sterkrader Betrieben der GHH 1913 bis 1918 19

      Insgesamt waren die Belegschaften des GHH-Konzerns im Krieg von rund 30.000 im Jahr 1914 auf 42.842 im Jahr 1918 angeschwollen. Wie die deutsche Bevölkerung so hungerten auch die Zwangsarbeiter:

      „Als die Beschaffung von Lebensmitteln immer schwieriger wurde und die Klagen der Gefangenen über zu schmale Kost sich häuften, übernahm die Hütte am 1. März 1917 die Verpflegung der Kriegsgefangenen und bald darauf auch der freien Belgier in eigene Regie. Die Grundlage der Verpflegung bildeten für die Kriegsgefangenen die Lebensmittellieferungen des Verpflegungsamtes Hiltrup i. W., für die freien Arbeiter (Belgier und Griechen) die der Gemeinden. Diese Lieferungen aber waren zu knapp, um die Leute arbeitsfähig zu erhalten. Die Bemühungen um offizielle Erhöhung der Rationen waren vergeblich, so dass man auf die spärlichen und leider oft trüben Quellen des freien Handels angewiesen war, um nur ein Mindestmaß der Ernährung für die meist schwere Arbeit der Gefangenen zu sichern.“20

      Soweit die Festschrift der GHH von 1935. Der Autor der Festschrift, ehemals Chefredakteur der „Münchner Neuesten Nachrichten“, 1933 zeitweise in Haft, dann lange arbeitslos, schließlich von Paul Reusch für die Festschrift engagiert, hat die Not der Zwangsarbeiter als seriöser Journalist wohl kaum übertrieben.

       Kriegshilfen

      Manchen Familienvater an der Front quälte die Not von Frau und Kindern in der Heimat mehr als die ständige Lebensgefahr in den Schützengräben. Die Werksleitungen der GHH erreichte eine große Zahl von Bittbriefen. Nur ein Beispiel sei ausgewählt: Ende 1915 erkundigte sich ein Unteroffizier, vor dem Krieg Maschinist im Werk Neu-Oberhausen, voller Sorge nach dem Schicksal seiner vier Kinder, das älteste davon neun Jahre. Die Versorgung der Zivilbevölkerung war anscheinend schon zu Beginn des zweiten Kriegswinters so schlecht, dass die Frau ihrem Mann einen verzweifelten Brief geschrieben hatte. Die Werksleitung stellte nach eingehender Prüfung des Falles fest, dass Neu-Oberhausen der Frau eine Krieger-Unterstützung von monatlich 23 Mark zahle, ferner einen Mietzuschuss von acht Mark. Zweimal habe sie eine zusätzliche Unterstützung von 20 Mark erhalten. „Auch haben wir Weihnachten eines ihrer Kinder beschert.“ Die Frau habe sich mehreren Unterleibsoperationen unterziehen müssen. Die Kosten für die erste Operation in Höhe von 26 Mark habe ihr der Arzt bis nach dem Krieg gestundet, die Rechnungen für die weiteren Operationen habe die Armenverwaltung übernommen. Für die Kleidung ihrer Kinder habe sie 43 Mark Schulden gemacht, diese werde das Werk begleichen.

      „Die Frau macht einen ordentlichen Eindruck, sie scheint aber etwas hysterisch veranlagt zu sein, denn es liegt kein Grund vor, dass die Frau verzweifelt, da ihre Verhältnisse geordnete sind. […] Gleichzeitig haben wir sie gebeten, ihrem Mann solche Klagebriefe nicht mehr zu schreiben und ihn nicht ganz unnötigerweise aufzuregen.“21

      Eine Abschrift dieses Schreibens erhielt der Vorgesetzte des besorgten Unteroffiziers an der Front. Für die Familie

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