Heilbuch der Schamanen. Felix R. Paturi
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So sah ein junger Franzose das Umfeld seiner Seele auf einer schamanischen Reise.
Eigene Spuren kommen hinzu
In dem Maß, wie die sorgfältige Erziehung des Mädchens in der Welt der Sinne und des Verstands zur Freude ihrer Eltern fruchtete, hinterließ das Kind nun auch zunehmend selbst ähnliche Spuren wie die vorgegebenen in seinem Seelenzimmer. Dabei diktierte in erster Linie der Verstand, der weder um die Existenz des Seelenraums wusste, noch ihm bekannt war, was er dort anstellte.
Das Kind, das instinktiv fühlte, wie es seiner Seele mehr und mehr an Beweglichkeit fehlte, und dass diese kaum noch aufrecht stehen konnte, ohne sich an Stangen und Seile zu klammern, begann, selbst weitere Stützen und Hilfsmittel in dem immer enger werdenden Seelenraum unterzubringen.
Als die junge Frau mit großen Ehrgeiz ihr Studium absolvierte, ersetzte sie die Eisenstange im Zentrum des Raums durch eine massive Säule. Als sie ihren begüterten und beruflich erfolgreichen Mann heiratete - eine Liebesheirat war es nicht - stellte sie eine zweite Säule neben die erste. Beide waren nur so weit voneinander entfernt, dass die junge Frau Sihet sich mit jeder Hand an eine davon klammern konnte. Als dritte Säule ganz in der Nähe ragte bald die kleine Boutique im Raum empor, die ihre Eltern und ihr Mann gemeinsam finanziert hatten.
Das im Seelenzimmer installierte Geflecht vermag nicht, ein wirklicher Halt zu sein, im Gegenteil - es wird mehr und mehr zum bedrohlichen Dickicht.
Die Katastrophe nimmt ihren Lauf
Frau Sihet selbst verbot ihrer Seele hinfort, den engen Raum zwischen den drei Säulen zu verlassen. So musste sich die Seele auf einen kleinen Platz innerhalb des Zimmers zurückziehen und war hier gar nicht mehr in der Lage zu erkennen, dass die Zimmertür und der Weg ins Freie schon längst nicht mehr verschlossen waren.
Frau Sihets Seele wurde immer unsicherer in ihrem Gefängnis. Sie hatte ohnedies niemals richtig laufen gelernt, und ein Rückgrat, das es ihr gestattet hätte, aus eigener Kraft aufrecht zu stehen, hatte sie auch nicht entwickelt. Als Ersatz diente das künstliche Außenskelett aus Seilen und Säulen, an das sie sich klammerte. Wenn sie auch nur für einen Augenblick losgelassen hätte, wäre sie gestürzt, schlimmstenfalls sogar zwischen die Säulen. Deshalb spannte sie straffe Seile von einem Träger zum anderen. Übertragen auf die Welt der Sinne und des Verstands waren dies ihre zahllosen Versicherungen sowie ihre überpenible Gesundheitsvorsorge.
Die Seelenflügel werden gestutzt
Schließlich kam es soweit, dass Frau Sihet im Zentrum der Säulengruppe noch einen Stahlmast errichtete, an den sie ihre Seele festband. Jetzt endlich konnte ihr nichts mehr passieren, dachte sie. Sie konnte nicht mehr umfallen. Aber sie hatte nicht bedacht, dass auch die Seele Augen und Ohren besitzt. Die sahen und hörten, wie die Stahlseile zwischen den Säulen zu verrotten begannen, wie andere Menschen an den Seilen sägten und auf die Säulen einhämmerten, wie die Fensterscheiben des Seelenraums zerbrachen und kalter Wind hineinblies.
Die Seele ist in einen engen Käfig eingepfercht und dadurch jeglicher Chance zur freien Entfaltung beraubt.
Der schlechte Rat von Wunderheilern
Die Seele fror und sah sich alldem machtlos ausgeliefert, denn sie war gefesselt. Das war der Moment, wo Frau Sihet Hilfe bei Esoterikern und Spiritisten suchte, denn selbst ihr Verstand konnte nun nachvollziehen, wie ihre Seele litt. Er konnte es sich nur nicht erklären, weil er vom Land der Seele - bei Frau Sihet eingeengt auf die Mitte eines kleinen Raums - nichts wusste.
Die Okkultisten gaben der gefangenen Seele scheinbar neue Sicherheit. Sie stülpten ihr einen Sack, gesponnen aus esoterischer Weltanschauung, über den Kopf, so dass sie die verrottenden Stahlseile und zerbröckelnden Säulen nicht mehr wahrnehmen konnte und redeten ihr ein: »Im Lauf der Zeit wirst du lernen, in dieser Hülle neue Welten zu sehen.« Aber eine Hülle ist eine Hülle und nicht mehr. Es kann in ihr keine Welten geben, die einer Seele mit ihren Bedürfnissen angemessen wären. Eine Seele braucht Flügel.
Wer wirklich helfen kann
Nur weise Menschen, die gelernt haben, das Land der Seele zu sehen, können eine gefesselte Seele wie die von Frau Sihet befreien. Sie können sie lehren, wieder selbstständig zu gehen und sie aus ihren unbewohnbar gewordenen Räumen herausführen, bis ihre Seele stärker wird als ihr eigener Verstand und es versteht, ihren Lebensraum selbstbewusst zu gestalten.
Wie kann man einen echten Seelenheiler finden? Mit Hilfe des Verstands sicher nicht. Er erkennt sie nur selten. Nur die Seele, das eigene Gefühl erkennt einen Weisen. Vielleicht gibt es darüber hinaus doch noch ein untrügliches wahrnehmbares Kennzeichen, nämlich ihren Blick. Das ist Ihr Blick. Doch auch hier lässt sich das Besondere nicht beschreiben, nur erfühlen.
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