Heilbuch der Schamanen. Felix R. Paturi
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Sie meinen, dieses Beispiel sei übertrieben? Was macht denn ein Europäer anderes, wenn er ein indianisches Schwitzhüttenritual zum Zweck innerer spiritueller Reinigung abhält? Dabei befürchtet er vielleicht sogar, die ganze Mühe sei umsonst, weil er vergessen hat, ob er dabei 21 oder 22 Ahnen- oder Naturgeister anrufen soll und nicht weiß, ob er sie auch in der korrekten hierarchischen Reihenfolge aufgesagt hat. Inwiefern benimmt sich ein Europäer, der täglich 100-mal ein buddhistisches Mantra hersagt, das ihm ein indischer Guru zur Erlangung seiner spirituellen Entwicklung verkaufte, anders als ein den Weihnachtsbaum umher tanzender Buschmann?
Dass die Kulte und Rituale fremder Kulturen auf Menschen, die durch westliches Denken geprägt sind, eine große Faszination ausüben können, steht außer Frage. Problematisch wird das Ganze, wenn man meint, es sei damit getan, diese einfach zu übernehmen.
Ethnische Wurzeln respektieren
Einen Leitfaden zum minutiösen Nacherleben magischer Eingeborenenkulte wird der Leser daher hier nicht finden. Allerdings bin ich mir durchaus bewusst, dass all diese Ausprägungen schamanischer Rituale heute sowohl gut meinend wie auch aus kommerziellen Gründen in Büchern und in Seminaren vielerorts unter dem einen Sammelbegriff »Schamanismus« angeboten werden.
Und das ist nicht einmal zu kritisieren, denn wo die Nachfrage besteht, gibt es auch ein entsprechendes Angebot. Und niemand kann bestreiten, dass es auf dieser Welt tatsächlich Schamanen gibt, die Schwitzhüttenrituale abhalten und daraus ihren spirituellen Gewinn ziehen.
Schamanismus im Einklang mit der eigenen Kultur
Ich bin davon überzeugt, dass das pure Nachahmen uns kulturell fremder ritueller Praktiken zu keiner Selbstverwirklichung führen kann. Auch ist kaum zu vermuten, dass wir uns durch das Erleben dieser kultischen Handlungen zu Indianern, Schwarzafrikanern oder Zentralasiaten wandeln. Was also sollten diese Praktiken für einen Zweck haben, wenn nicht jenen, für uns neue, fremdartige Abhängigkeiten zu schaffen, mit denen wir nie gelernt haben umzugehen.
Dass sich Schamanismus auch ohne exotisch anmutende Eingeborenenrituale durchaus Gewinn bringend und bereichernd für jeden von uns im alltäglichen Leben praktizieren lässt, dass er darüber hinaus auch im Einklang mit der modernen Naturwissenschaft steht, dies möchte das vorliegende Heilbuch der Schamanen vermitteln.
Felix R. Paturi
Vom Wesen des Schamanismus
Bewusst zu leben, beinhaltet auch die Suche nach dem eigenen spirituellen Weg. Die Rückbesinnung auf Religiosität, meditative Techniken und ein ganzheitlich orientiertes Leben haben vor allem ein Ziel: eins mit uns selbst, unserer Seele und der Welt um uns herum zu sein. Ein Weg von vielen zu einem erfüllten, glücklichen Leben ist die schamanische Arbeit, die jeder von uns in seinen Alltag integrieren kann. In ihrem Mittelpunkt stehen Visionserlebnisse, die uns beschützen und uns gesund an Leib und Seele werden lassen. Der Schamanismus, wie er sich uns heute präsentiert, ist entfrachtet von religiösem Ballast und konzentriert sich auf überkulturelle Hauptelemente. Dieses Kapitel zeigt, wie wir uns heute einer uralten Tradition der spirituellen Weiterentwicklung nähern können.
Ein Begriff mit vielen Facetten
Die Frage, was Schamanismus eigentlich ist, lässt sich nicht einfach beantworten. Aber das verhält sich oft so bei Begriffen, die nicht weniger umreißen als ein System der Weltanschauung, Lebensweise und der dazugehörigen Technik.
Eine absolut gültige Antwort auf die Frage nach dem Wesen des Schamanismus gibt es nicht. Vergleichen wir die Begriffsdeutung des Schamanismus einmal mit der Erklärung des Begriffs »Liebe«. Sicher kann ein frisch verliebtes Paar eine gültige Erklärung liefern. Doch ein Mönch kann das ebenso. Nur wird er etwas ganz anderes mit dem Wort »Liebe« verbinden als die beiden Turteltauben, und seine Antwort auf die Frage, was Liebe ist, wird erheblich von der anderer abweichen.
Beim Begriff »Schamanismus« begegnen wir einem sehr ähnlichen Dilemma. Er umfasst eine ganze Reihe von Vorstellungen, die auch vom subjektiven Erleben des Menschen abhängen, der Schamanismus definiert.
Animismus ist ein Begriff, der der vergleichenden Religionslehre entstammt. Er bedeutet den Glauben, dass alle Dinge beseelt sind.
Fachleute, die sich beruflich mit Schamanismus beschäftigen, wie vergleichende Religionswissenschaftler oder bei Naturvölkern tätige Missionare, erklären den Begriff gerne mit einer Art mythologisch geprägter animistischer Religion. Hier liegt jedoch ein Trugschluss vor, der meist auf voreingenommener Beobachtung beruht. Gewiss sind viele, wenn nicht die meisten Schamanen bei Stammesvölkern zugleich auch Anhänger einer Naturreligion, und oft intensivieren sie ihr religiöses Erleben durch die Anwendung schamanischer Techniken. Der außenstehende Beobachter verwechselt dabei aber routinemäßig Methodik und Inhalte dieser Übungen. Obwohl es in manchen Kulturkreisen sehr wohl ein Schamanenpriestertum gibt, handelt es sich beim Schamanismus ganz sicher um keine Religion. In einigen Völkern ist die Priesterkaste von jener der Schamanen sogar streng getrennt. Nicht selten konkurrieren beide miteinander. Selbstverständlich ist bei Naturvölkern Animismus verbreitet. Aber ebenso gibt es beispielsweise in der Südsahara oder auf den Philippinen nicht wenige Schamanen, die sich streng an den Koran halten, also einer monotheistischen Hochreligion anhängen. In anderen Gebieten Afrikas, etwa in Äthiopien oder in Kamerun gibt es schamanisierende überzeugte Christen, die in Jesus Christus sogar den bedeutendsten Schamanen aller Zeiten sehen. Trotzdem ist Schamanismus vom Grundsatz her in keiner Weise an eine bestimmte religiöse Vorstellung gebunden.
Der Begriff »Monotheismus« bezeichnet den Glauben an einen einzigen Gott unter Leugnung aller anderen. Das Judentum, das Christentum und auch der Islam sind monotheistische Religionen.
Möglichkeiten der Annäherung
Bis gegen Mitte des 20. Jahrhunderts neigten die meisten Völkerkundler dazu, den Schamanismus als Oberbegriff für irrationale, mythisch-mystisch verwurzelte Rituale abzutun, die nachgerade charakteristisch für so genannte primitive Kulturen sind. Diese Überheblichkeit beruht auf der mangelnden Fähigkeit des rein mechanistisch denkenden »Vernunftmenschen«, sich bei der Beurteilung einer derart komplexen Materie auf Erfahrungswerte, eine pragmatische Einstellung und seine Intuition zu verlassen.
Von dem deutschen Naturphilosophen und Metaphysiker Georg Wilhelm Friedrich Hegel ist der Satz überliefert: »Wenn die Wirklichkeit nicht mit meinen Theorien übereinstimmt, ist das umso schlimmer für die Wirklichkeit.« Ein Schamane wird diesem Gedanken nicht folgen. Er nimmt die Wirklichkeit so, wie sie sich ihm darstellt, ohne ständig nachzufragen, warum etwas ist, wie es ist.
Wo naturwissenschaftliches Denken versagt
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