Hängematten-Lektüre. Gerhild Decker
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Marion versucht durch musikalische Untermalung Wohlfühlstimmung zu vermitteln. Sie hat diese „ganz spezielle“ Wellness-CD aufgelegt, die ich schon in- und auswendig kenne und die mich immer sooo müde macht.
Bei den Damen zeigen sich keine Müdigkeitssymptome. Oder haben sie gerade Proseco bestellt, damit sie nicht in einen unerwünschten Entspannungszustand gleiten?
Jetzt tut sich etwas am Nebentisch. Eine sichtlich nervöse Dame mittleren Alters nimmt dort Platz. Am Revers ihres Blazers trägt sie eine weiße Stoffrose. Für meinen Kennerblick ein klarer Fall, eine „Blind-Date-Kandidatin“!
Sie hat ihren Platz, wie zu erwarten, mit Blick auf die Eingangstür gewählt. Immer, wenn sich diese öffnet und ein Mann eintritt, taxiert sie ihn unverhohlen und mehr oder weniger interessiert.
Nervös stochert sie an einem Stück Kuchen herum, bis sie schließlich vor leerem Teller sitzt. Auch dem Kaffeekännchen ist kein Tropfen mehr zu entlocken. Ebenfalls leer bleibt der Platz neben ihr. Ihr Gesicht ist gerötet, als sie schließlich zahlt und geht. Irgendwie tut sie mir leid.
Meine Tischgesellschaft kommt jetzt offensichtlich in Aufbruchstimmung.
Beim Bezahlen der Rechnung geben sie sogar „großzügig“ 50 Cent Trinkgeld!
Als sie endlich laut schnatternd das Café verlassen, atme ich erleichtert auf.
Nach und nach wird es immer ruhiger und gerade schließt sich mit leisem Quietschen die Eingangstüre hinter dem letzten Gast.
Marion wischt die Steinplatten der Tische ab und rückt die Zuckerdosen und Blumenväschen zurecht. Sie sieht müde aus. Mit ihr freue auch ich mich auf den wohlverdienten Feierabend.
Ganz zur Ruhe komme ich allerdings noch nicht, denn die Putzfrau rückt mir bereits mit ihrem dröhnenden Staubsaugerungetüm auf den Pelz.
Uuuiiii, heute meint sie es aber besonders gut! Sie massiert hingebungsvoll mein Polsterkleid mit einer kuschelweichen Vorsatzbürste. Jaaaaa, das könnte ich noch stundenlang genießen! Meine stark beanspruchten Muskeln entspannen sich langsam.
Eigentlich ist mein Leben doch gar nicht so schlecht!
Kurz bevor ich einschlafe, nicke ich dem Stuhl am Garderobenständer noch tröstend zu.
Er soll wissen, dass ich an ihn denke.
– Hoffentlich werden wir beide nie vertauscht! –
Begegnungen
Begegnungen sind wunderbar,
wenn wir sie zu schätzen wissen;
denn Gefühle sind gut teilbar –
schade, müssten wir dies missen.
Viel liegt es in unserer Macht,
alles innig zu gestalten.
Stets hat Segen es gebracht,
lässt statt Hass man Liebe walten.
Zweisamkeit
- Akrostichon -
Z usammenhalten
W orte prüfen
E infälle ausleben
I deen kreieren
S tille genießen
A ufmerksamkeit zeigen
M ußestunden einlegen
K ritik ertragen
E insamkeit aussperren
I nnere Werte schätzen
T oleranz üben
Gedankenspirale
Wer kennt das nicht? Eigentlich ist man hundemüde, wälzt sich aber dennoch schlaflos im Bett hin und her. Nichts wünscht man sich sehnlicher, als endlich in einen erholsamen Schlaf zu fallen, wäre da nicht so ein quirliges Wesen, das durch unseren Kopf spukt und ständig an einer Gedankenspirale dreht. Unaufhörlich zieht diese ihre immer größer werdenden Kreise. Ich fühle mich hilflos ausgeliefert. ...
Den Brief an Anne habe ich immer noch nicht beantwortet, obwohl es eine Menge Neuigkeiten mitzuteilen gibt. Wie mag es Tante Lisbeth gehen, ob die Spritzen gegen ihre starken Rückenschmerzen geholfen haben, ich muss sie unbedingt noch in dieser Woche besuchen. Könnte ich morgen machen … allerdings, im Garten ist auch noch viel zu tun, das Wetter soll wieder schlechter werden … Am Wochenende kommen Inge und Wolfgang zu Besuch, ich wollte sie diesmal mit einem besonders leckeren Abendessen verwöhnen – oder sollten wir doch lieber einen Tisch bei unserem Lieblingsitaliener bestellen, der Tisch im Erker ist recht schön, dort sitzt man gemütlich und ungestört.
… Wie hat bloß meine Mutter früher alles so mühelos geschafft, dabei war das Leben der Eltern damals in den Nachkriegsjahren alles andere als einfach …
Erneut werfe ich mich auf die andere Seite, zum wievielten Mal? – Ich versuche es jetzt mit Atemübungen … tiiiief ein, tiiiief ausatmen – drei bis fünfmal soll man es wiederholen, ich mache es vorsichtshalber sechsmal … oder sollte ich es lieber mit Autogenem Training versuchen? – Mein rechter Arm wird schwer, mein linker Arm wird gaaanz schwer. Wie ging es noch mal weiter? Ach, könnte ich doch endlich schlafen!
Der Rat meiner Freundin Maria fiel mir plötzlich ein mit 100%tiger Erfolgsgarantie. „Stell dir einfach einen leeren Karton vor und pack da alle aufkommenden Gedanken hinein. Ganz zu unterst legst du die Altlasten hinein, dann stapelst du nach Wichtigkeit sortiert und gebündelt alles Verbleibende, verschnürst das Paket fest und entsorgst es. Schmeiß es in hohen Bogen einfach in den Rhein!“
Hmmm, ... Stichwort Paket, das Geburtstagsgeschenk für Maria muss spätesten übermorgen zur Post gebracht werden, damit es noch pünktlich ankommt ...
„Jetzt reicht’s!“ – Ich schalte die Nachttischlampe ein. Ein Blick auf den Wecker sagt mir, dass der neue Tag schon vor zwei Stunden begonnen hat.
Jetzt fällt mir noch etwas ein, man solle sich alles Belastende einfach notieren. Angeblich sieht dann, bei Tag besehen,