Über 1.000 Seiten Wollust. Conny van Lichte

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Über 1.000 Seiten Wollust - Conny van Lichte

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Punkte hatten ihn instinktiv schon mal beschäftigt. Aber es war doch etwas anderes, diese Dinge nun auch ausgesprochen zu hören. Alles in allem war er über die Richtung, in die die Interpretation ging, sehr zufrieden - es entsprach seinen Vorstellungen von sich selbst.

      "Toll, dass Du Dich so früh gemeldet hast!"

      Hansi blickte sich um - und direkt in die Augen seiner Sitznachbarin. Er hatte sie bis dahin noch gar nicht wahrgenommen, so sehr war er auf seine Analyse konzentriert gewesen.

      Zu den Augen gehörte ein weiblicher Mund, der nachlegte: "So viel Mut hätte ich niemals."

      Er lächelte im Gefühl des Überstandenen.

      "Nervös war ich auch. Aber die Neugier hat letztlich gesiegt."

      Seine Nachbarin sah ihn mit unverhohlener Bewunderung an.

      "Und, bist Du zufrieden mit den Erkenntnissen?"

      Er dachte kurz nach.

      "Ja, insgesamt auf jeden Fall, das traf alles sehr gut auf mich zu und hat mir sogar noch ein paar Tipps gegeben. Zum Beispiel, dass ich meine Aggressionen noch stärker ausleben muss und sie nicht so stark unterdrücke!"

      Ein Blitzen erschien in ihren Augen.

      "Stimmt, das kann man an Deinem Kiefer sehen …"

      Ihr Blick blieb lange, länger als nötig auf seinem Kiefer, wanderte dann bedächtig nach oben und sah in seine Augen.

      "Lust auf einen Kaffee, wenn jetzt gerade eh Pause ist?"

      Auf dem Weg zur Kaffeeecke ließ sich Hansi leicht zurückfallen und unterzog seine Sitznachbarin einer genaueren Betrachtung von der Seite. Sie war wohl um die vierzig, schlank, attraktiv, und mit ihren Jeans und ihrem rosa Pulli auf einfache, nicht übertriebene Weise hübsch. Ihre mittellangen Haare hatten eine Rottönung, die in der, durchs Fenster scheinenden Herbstsonne glänzten. Feine Haut verriet ein sanftes Gemüt, und in ihrer ganzen Art zu gehen vermutete er Fürsorge und Wärme.

      "Ich bin Sozialpädagogin", eröffnete ihm seine Kaffeepartnerin, die er anhand ihres Namensschildes als Tanja identifizierte. "Und dieses Thema interessiert mich einfach persönlich, auch wenn ich mit dem System noch nicht so gut umgehen kann. Aber mir macht es Spaß, im Gesicht von Menschen zu lesen!"

      Sie lachte ihn offen an und strich sich die Haare aus der Stirn. Klare, offene blaue Augen strahlten ihn an. Und während sie die Kaffeetasse zum Mund führte, wanderte ihr Blick wieder zu seinem Mund.

      Hansi nahm einen Schluck von seinem Getränk und schaute sie ebenfalls an. Ihre Blicke blieben aneinander hängen, und er konnte dieses kurze Blitzen wieder in ihren Augen erkennen. Fast schon verführerisch schlängelte sich der Kaffeedampf an ihren Brillengläsern entlang.

      "Das war eine wunderschöne Beschreibung von Dir, finde ich", sagte Tanja und nahm ihre Brille ab. "Du bist so kraftvoll und energiegeladen."

      Für einen ersten Kontakt stand sie ungewöhnlich nahe bei ihm und sah ihn nun mit ihren weichen Augen an. Hansi war, als würde er dort eine mütterliche Wärme erkennen, die ihn umgarnte und einhüllte. Doch da war auch noch etwas anderes, was ihn anzog: ein kaum wahrnehmbares, sanftes Flackern von Leidenschaft und Lust. Ihr einfühlsamer Pädagogenblick nahm ihn ein. Keine Abwehr oder Defensive, sondern Offenheit spiegelte sich in ihrem Antlitz.

      "Und was siehst Du in meinen Gesichtsformen?"

      Sie lächelte und nahm noch einen Schluck Kaffee und sah sich sein Gesicht noch genauer an.

      "Du hast neben Deinen feinen Merkmalen auch so einen energischen Zug, der nicht so richtig zum Vorschein kommt, den Du versteckst. Das könnte Aggression sein, die Du nicht gerne und nicht oft zeigst. Dabei kommt das gerade im Zusammenhang mit Sinnlichkeit sehr gut zur Geltung."

      Wieder dieser lange Blick. Hansi konnte nicht sagen, ob sie an ihm eher als Studienobjekt oder an ihm als Mann interessiert war.

      "Wie steht es denn bei Dir mit den Themen Erotik und Sexualität?", fragte sie mit großen, weichen und gleichzeitig unschuldig wirkenden Augen, die Interesse und Bewunderung ausstrahlten. Für Therapeuten und Psychologen war das eine recht normale Frage und ein oft diskutierter Themenbereich. Deshalb überraschte ihn die Direktheit nicht allzu sehr.

      "Nun ja …", setzte er an und gleich wieder ab. "Das ist mehr so ein Arbeitsthema bei mir."

      Er zog die Augenbrauen hoch und lächelte sie an.

      "So …?"

      Ihr Blick blieb auf ihm ruhen, sanft und warm. Sie war wohl gut zehn Jahre älter als er, aber er konnte deutlich einen Hang zur Mütterlichkeit und zu einer Art selbstloser Hilfsbereitschaft erkennen. Und gleichzeitig war sie offensichtlich von ihm fasziniert. So zumindest deutete er ihre Zuneigung.

      Hansi suchte nach Worten.

      "Ich bin gerade im Übergang zwischen einer eher direkten Sexualität, die ich bisher gelebt habe, und einer wohl mehr indirekten, in die mein Weg mich führen wird. Aber so ganz differenziert ist das in mir noch nicht hochgekommen."

      Sie nahm einen weiteren Schluck Kaffee und Hansi war, als wäre sie noch ein bisschen näher an ihn herangerückt. Ihre Körper berührten sich nun beinahe, als sie sich so gegenüber standen.

      "Direkte, harte Sexualität kann ein besonders guter Weg sein, Aggressionen auszuleben. Und es kann auch viel Spaß machen."

      Endlich sah sie auch einmal von ihm weg.

      "Ja, das stimmt sicher. Aber ich habe meinen Weg wie gesagt noch nicht ganz gefunden. Vielleicht wäre ja Tantra etwas für mich!"

      Tanja lächelte. "Man kann an den Asymmetrien Deiner Gesichtshälften erkennen, dass Du daran arbeitest. Das heißt aber auch, dass Du keine der beiden Ebenen vernachlässigen solltest. Hast Du denn genug harten Sex?"

      Ihr Blick wanderte nun eindeutig zwischen seinen Augen und seinen Lippen hin und her, und ihre Backen hatte eine rosige Färbung angenommen.

      "Ich meine keine Gewalt, sondern einfach nur direkten, eindeutigen, wilden Sex?"

      Sie setzte ihre Lippen wieder an den Rand der Kaffeetasse. Hansi versuchte, das Gespräch weiter auf einer therapeutischen Ebene zu führen, was ihm zunehmend schwer fiel. Hier stand eine Frau vor ihm, die einerseits offensichtlich von ihm als Mann fasziniert war und die sich andererseits mit ihm über Sex unterhielt, als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt. War es ja vielleicht auch, aber gleich so ohne Umschweife …

      Er überlegte. "Naja, wenn Du mich so fragst, die harte Seite kommt in letzter Zeit wohl etwas zu kurz bei mir … Aber wenn ich es recht überlege, wäre das sicherlich ein gutes Mittel zur Freisetzung von unterdrückten Aggressionen - ganz so wie es mir bei der Analyse geraten wurde!"

      Tanja sah ihn wieder an, diesmal mit einer Mischung aus professionellem Interesse an ihm als Fall und sozialer Herausforderung.

      "Genau. Und die kräftige Energie, die man in Dir erkennen kann, solltest Du nicht unterdrücken oder für Dich behalten. Was sagt denn Deine Partnerin zu dem Thema?"

      Auf

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