Schwarzer Kokon. Matthias Kluger

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Schwarzer Kokon - Matthias Kluger

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zu beiden Seiten hölzerne Wohnhäuser und Ladengeschäfte reihten. Kleinere Gassen, seitlich entlang der Hauptgebäude, führten nach hinten zu einigen wenigen, teils windschiefen Hütten. Neben mehreren Geschäften und einem Saloon gab es die Schmiede, den Barbier, einen Krämerladen sowie ein Gefängnis, dessen Vorsteher ein gewählter Sheriff war. Der friedvolle Ort war trotz zahlreicher Bewohner überschaubar, jeder kannte jeden, sodass der Ordnungshüter, wenn überhaupt gefordert, lediglich manchmal Betrunkene des Saloons nachts in seiner Zelle ausschlafen ließ. Dennoch erfüllte diese Zivilisation Zola mit Furcht. Würde man ihr gegenüber misstrauisch werden, sie erkennen, gar zurückschicken?

      Hugh genoss Ansehen unter den Einwohnern und keiner stellte unangenehme Fragen über die Schwarze mit dem Wolf an ihrer Seite. Sie standen gerade im Laden des Krämers, der neben Lebensmitteln auch Werkzeuge sowie Holz für die Farmer und Tabakbauern vorrätig hielt.

      »Na, Hugh, was hast du heute Schönes dabei?« Ein kleiner, schmächtiger Mann mit Halbglatze und gezwirbeltem Oberlippenbart trat hinter seiner Theke hervor.

      »Wie immer, John, wundervoll gegerbte Felle und Leder. Wirst ein Vermögen verdienen. Ich mach dich noch reich.« Hugh lachte donnernd.

      »Dann lass mal sehen.«

      Während Hugh den Sack öffnete, betrachtete John Zola als auch den neben ihr sitzenden Wolf. »Ich bin übrigens John. Hab dich hier noch nie gesehen.«

      Bevor Zola etwas antworten konnte, ergriff Hugh das Wort: »Das ist Zola, John. Geht mir gut zur Hand; ein liebes Mädchen. Muss endlich nicht mehr selbst kochen. Ha, ha, hab sie so nem Halsabschneider abgekauft, den Köter gab’s umsonst dazu.«

      »Versteht sie unsere Sprache?«

      »Und wie, John. Die flucht schlimmer als wir beide zusammen.« Wieder brach Hugh in schallendes Gelächter aus und John stimmte mit ein, während Zola verlegen blickte.

      Sie erzielten einen guten Preis für ihre Ware und tauschten einen Teil des Erlöses gegen Salz.

      Bis Zola den Mut aufbrachte, alleine Columbia zu besuchen, sollte ein weiteres halbes Jahr vergehen.

       Columbia, South Carolina, 1733

      Sie saßen am klobigen Holztisch und aßen. Zola hatte auf dem einzigen Holzschemel in der Hütte Platz genommen, Hugh schob wie immer eine schwere Holzkiste an die Tafel. Neben Zola lag der Wolf, der ebenfalls in der Hütte wohnen durfte. Mangels Kreativität sowie der Tatsache, dass er auf den Namen hörte, hieß er einfach nur »Wolf«.

      »Hast du fein gekocht, wirklich fein.« Hugh schmatzte und führte den voll beladenen Löffel an seinen Bart, der genau an der Stelle, wo Zola seinen Mund vermutete, verschwand. Obwohl Hugh, wie Zola mit der Zeit erkannte, seinen Bart durchaus pflegte, war er von solcher Fülle, dass keine Lippen zu sehen waren. Haare an der Oberlippe verschmolzen mit denen der Unterlippe.

      Zola hatte einen Eintopf zubereitet. Ihr Rezept: Heißes Wasser, angereichert mit Speck sowie einem Hüftknochen, der mit reichlich Fleisch bestückt war. Anschließend schnitt sie Rüben in den Topf und würzte mit ein wenig Salz und Kräutern aus dem Wald.

      »Wirklich fein, wirklich fein.« Hugh schlürfte den nächsten Happen und biss sodann in eine geschälte, rohe Zwiebel. Wie immer, wenn er Zwiebeln aß, hielt er sie hoch und referierte: »Hält den alten Hugh gesund, weißt du?«

      Zola gewöhnte sich an den Zwiebelgeruch und nahm ihn nach einiger Zeit nicht mehr wahr.

      »Wir haben heute was zu feiern.« Hugh mampfte, während seine Augen zwinkerten. Zola sah ihn verwundert an, jedoch wollte ihr nicht in den Sinn kommen, was es zu feiern gäbe. »Na, Mädchen, genau vor einem Jahr haben wir uns kennengelernt. Ho, ho, und wie wir uns kennengelernt haben, was, Zola?« Dabei schlug Hughs flache Hand geräuschvoll auf seinen Oberschenkel.

      »Ist das schon so lange her?«

      »Aber natürlich, natürlich. Der alte Hugh hat so bei sich gedacht, das sollten wir feiern und einen kräftigen Schluck darauf trinken.«

      Zola kannte den Fusel, welchen Hugh des Abends trank, um dann samt Kleidung schnarchend ins Bett zu fallen. Bevor sie etwas wie »Oh, nein« oder »Lass mal gut sein« erwidern konnte, stand Hugh plötzlich auf und verschwand aus der Hütte. Wo geht er hin?, überlegte Zola, indes sie zur tönernen Flasche Schnaps auf dem Wandregal sah.

      Noch während sie grübelte, trat Hugh wieder in die Hütte. In seiner Hand hielt er stolz einen Schemel in die Höhe. »Ich kenne ja deinen Geburtstag nicht«, er wirkte etwas verlegen, »du hast ihn mir nie verraten, daher hat der alte Hugh so bei sich gedacht, na ja, jedenfalls ist der heutige Tag für mich dein Geburtstag.« Mit diesen Worten stellte er den Hocker neben Zola.

      »Was ist das?«, fragte Zola zögerlich.

      »Na, was wird das schon sein? Ein Schemel, damit ich nicht laufend die Kiste durchs Zimmer rücken muss. Zum Geburtstag macht man doch Geschenke, oder?«

      Zola war tief gerührt. Sie kannte diesen Brauch, doch ein Geschenk hatte sie noch nie bekommen. Sie sprang auf, umarmte Hugh und drückte das Gesicht an seinen mächtigen, harten Bauch. »Danke, Hugh.«

      »So, das haben wir ja jetzt«, räusperte sich Hugh, »dann lass uns mal weiteressen und anstoßen.« Er holte die Flasche aus dem Regal, zwei hölzerne Becher und setzte sich.

      Zola tat es ihm gleich, doch nahm sie jetzt auf ihrem Geschenk Platz. »Fühlt sich gut an«, kicherte sie vor Freude, während sie mit ihrem Hintern hin und her rutschte.

      Hugh reichte Zola den mit Schnaps gefüllten Becher. »Auf uns, Zola. Bin richtig froh, dass du da bist.« Er hob an und leerte den Becher in einem Zug.

      Zola trank ebenfalls einen Schluck. Der Alkohol brannte derart in ihrer Kehle, dass sie husten musste. »Ha, ha«, war das Einzige, was Hugh hierzu einfiel.

      »Ich habe ja nie gefragt«, begann Hugh, »es geht mich vielleicht auch nichts an, aber ich weiß so gar nichts über dich, weißt du?«

      Zolas Blick senkte sich zu Wolf am Boden. Ihre Hand fuhr über sein Fell. Kurz erwog sie, Hugh nichts von sich preiszugeben. Nach wie vor hatte sie Angst, entdeckt zu werden. Noch immer plagten sie Albträume. Doch sie entschied anders.

      »Hugh, ich bin geflohen. Nur gelaufen und gelaufen, immer am Fluss entlang, weg, weit weg von der Plantage.«

      »Hat sich der alte Hugh schon gedacht. Und warum?«

      Jetzt begann Zola zu erzählen. Erstmals redete sie sich alles Leid von der Seele, welches sie unter Baines Herrschaft erfahren musste. Sie berichtete von der Nacht, in der Mr. Baine über sie hergefallen war, von Sam und Tumelo und von ihrer Mutter. Kein Detail der Flucht ließ sie aus. Als sie zu der Stelle kam, an der die Schüsse fielen, rannen ihr die Tränen über die Wangen. »Ich habe keine Ahnung, ob Mutter lebt, doch …«, sie unterbrach, »doch ich fühle, dass sie nicht mehr am Leben ist.«

      »Ach, Zola, sicher ist sie noch auf der Plantage und es geht ihr gut, ganz bestimmt.«

      »Nein, gewiss nicht.« Erstmalig kamen Zolas Gedanken und Ängste über ihre Lippen. »Nein, ich weiß es genau.«

      »Aber

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